München – Vom hofierten Immobilien-Guru zum mutmaßlichen Großbetrüger: Nun jagen Ermittler aus München und Wien René Benko. In Österreich ermittelt mittlerweile eine zehnköpfige Sonderkommission des Landeskriminalamts, die Beamten gehen Anzeigen wegen Untreue und Betrugs nach. Und auch in München haben sich Ermittler offenbar an die Arbeit gemacht, um Licht ins Dunkle zu bringen, inwieweit seine milliardenschweren Immobiliendeals alle legal waren.
Die Tippgeber spüren sonst Geldflüssen von Terroristen nach
Wie die “Bild am Sonntag” berichtete, hat die Staatsanwaltschaft München I ein Verfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche eingeleitet. Es soll um dreistellige Millionenbeträge aus mutmaßlichen Kreditbetrügereien in Deutschland gehen. Demnach soll über seine Firmenverflechtungen Geld ins Ausland geschafft worden sein. Die Münchner Oberstaatsanwältin Anne Leiding wollte die Ermittlungen nicht bestätigen. Sie teilte auf AZ-Anfrage nur mit: “Wir können dazu nichts sagen.” Laut “Bams” hatte das deutsche Financial Intelligence Unit (FIU), eine Behörde des deutschen Bundesfinanzministeriums, Hinweise gegeben. Die FIU geht auffälligen Finanztransaktionen nach, die im Zusammenhang mit Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung stehen könnten.
AZ-Recherchen schlüsseln auf, bei wem Benko und seine Signa Hunderte Millionen für Münchner Immobilien und Projekte locker machten. Auch die Bayerische Landesbank (BayernLB) ließ sich von René Benko einwicklen. Sie lieh dem “Wunderwuzzi” aus Tirol insgesamt 426 Millionen Euro für Münchner Immobilien und Projekte. Das Geschäftsprinzip der Signa war: Immobilienwerte in die Höhe treiben – unter anderem durch überhöhte Mieten. Dadurch gelang es ihr, höhere Kreditsummen zu besseren Konditionen bei den Banken und anderen Geldgebern aushandeln. Steuern sparte die Signa, indem Immobilien teils über Gesellschaften im Steuerparadies Luxemburg verwaltet wurden oder dort gegründete Firmen Anteile hielten. Die Münchner Projekte im Einzelnen:
Karstadt Schützenstraße: Im Juni 2023 war Schluss
Ende Juni 2023 ist für den Karstadt Schluss – er muss schließen, die Folge der zweiten Insolvenz (derzeit ist die Handelskette in der dritten). Rund eine Million Euro Miete verlangte Benkos Signa als Eigentümer vom Mieter der Filiale Galeria Karstadt Kaufhof. Seit 24. Februar 2022 gehört das ganze Areal einer Signa-Tochter. Der Vermieter des Hotels Luitpold – die Immobiliensparte von Hut Breiter – hatte das Gebäude zwischen Karstadt und dem denkmalgeschützten Hertie für einen zweistelligen Millionenbetrag an die München Schützenstraße Immobilien GmbH & Co. KG verkauft. Die Gesellschaft wird umbenannt in die Bahnhofplatz 7 Immobilien GmbH & Co. KG. Nur vier Monate nach dem Kauf wechselt der Eigentümer innerhalb des verschachtelten Signa-Konzerns für das ganze Areal.
Karstadt am Bahnhofplatz: 2018 und 2019 sind mehr als 25 Millionen Euro ins Fürstentum geflossen
Die Spuren von mehreren Firmen aus dem Benko-Imperium führen ins Steuerparadies Luxemburg. Aus Bilanzen geht hervor, dass allein 2018 und 2019 insgesamt mehr als 25 Millionen Euro durch Miete und Nebenkostenzahlungen vom Karstadt am Bahnhofplatz ins Fürstentum geflossen sind. Die Namen der Immobiliengesellschaften ändern sich mehrmals.
Im November 2021 kauft die Immobilie die München, Bahnhofsplatz 7 Beteiligung S.à.r.l. laut Grundbucheintrag für 124,3 Millionen Euro. Die Gesellschaft erstellt ihre Jahresabschlüsse als “kleine Personenhandelsgesellschaft”. Im Grundbuch sind folgende Grundschulden eingetragen: 450 Millionen für die Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale, 120 Millionen Euro für die Raiffeisen Bank International AG in Wien und 300 Millionen für die Landesbank Hessen-Thüringen. Wie viel von den Krediten inzwischen zurückgezahlt ist, geht aus den Zahlen nicht hervor. Am 30. Juni 2022 geht die Immobilie offenbar an die beiden Gesellschaften München Bahnhofsplatz Immobilien und München, Schützenstaße Immobilien über – laut Grundbuch ohne Gegenleistung. Den Ermittlern könnte sich nun anderem die Frage stellen, wohin das Geld aus den Krediten geflossen ist.
Alte Akademie: Signa nutzt einen Share deal – BayernLB gibt einen Kredit von 371 Millionen Euro
Mit notariellem Vertrag vom 17. Dezember 2013 hat die Signa-Tochter München, Alte Akademie Immobilien GmbH & Co. KG ein Erbbaurecht für 65 Jahre vom Freistaat erworben. Einmaliger Kaufpreis: 230 Millionen Euro. Die Grunderwerbssteuer von 3,5 Prozent entgeht dem Freistaat, denn die Signa nutzt einen sogenannten Share deal: Kurz vor Abschluss des Erbpachtvertrags wird eine Beteiligungsgesellschaft in Luxemburg gegründet. Die BayernLB gibt den Signa-Gesellschaften auch noch einen satten Kredit von 371 Millionen Euro.
Galeria Rotkreuzplatz: Signa bietet das Gebäude zum Verkauf für 100 Millionen Euro an
2019 verkauft die Kaufhof München Rotkreuzplatz GmbH (gehört zum Signa-Imperium) das Kaufhausgebäude am Rotkreuzplatz an die Signa-Tochter München, Rotkreuzplatz Immobilien GmbH & Co. KG. Preis: 88,3 Millionen Euro. Auch für diesen Deal gibt die BayernLB einen großzügigen Kredit: 55 Millionen. Im Juli 2023 bietet wiederum die Signa das Gebäude auf dem freien Markt zum Verkauf an, Preisvorstellung: 100 Millionen Euro. Laut Verkaufsexposé gibt’s 3,6 Millionen Euro garantierte Mieteinnahmen. So viel muss die Galeria-Filiale an die Signa Miete zahlen.
Neuer Vermieter presst Oberpollinger aus: Mehr als zwei Millionen Euro Miete pro Monat
2011 wird die neu gegründete Münchner Signa-Tochter KHM OP Neuhauser Straße Eigentümerin von Oberpollinger in der Neuhauser Straße. Sie zahlt 193,5 Millionen Euro. Die Kredite fließen reichlich: Die Iduna Vereinigte Lebensversicherung für Handwerk, Handel und Gewerbe macht 295 Millionen Euro locker, die Signal Iduna Lebensversicherung 100 Millionen Euro. Der neue Vermieter presst Oberpollinger aus: Mehr als zwei Millionen Euro Miete pro Monat muss er zahlen.
Ehemaliges Kaut-Bullinger-Haus: Seit Frühsommer 2023 zum Verkauf für 100 Millionen Euro
Im Mai 2021 kauft die Signa-Tochter “München, Rosenstraße 8 Immobilien GmbH” (Kommanditistin) das Grundstück. Bis auf die Übernahme eines Bankdarlehens ist keine Gegenleistung vereinbart – im Grundbuch sind 70 Millionen Euro für die Deutsche Pfandbriefbank vermerkt. Zwei Jahre später, ab Juli 2023, bietet die Signa die Immobilie zusammen mit der Kaufhaus-Immobilie am Rotkreuzplatz für je 100 Millionen Euro zum Verkauf an.
Benkos Vermögen steckt in privaten Stiftungen
Wohin die Summen aus Benkos Immobiliendeals geflossen sind, werden nun also Ermittler prüfen. Er selbst hat vergangene Woche einen Eigenantrag über sein gesamtes Privatvermögen und sein Beratungsunternehmen gestellt. Das Landesgericht Innsbruck hat ein Konkursverfahren eröffnet.
Doch viele gehen davon aus, dass Benko sein privates Vermögen längst in Sicherheit gebracht hat – indem er private Stiftungen gegründet hatte: für seine Frau, seine Mutter und seine Tochter.