Die FDP hat sich in der Ampel-Koalition durchgesetzt und ein Generationenkapital in die jüngste Rentenreform – die sonst auch einige gute Veränderungen anstößt – eingebracht. So will die Bundesregierung bis 2030 200 Milliarden Euro über einen öffentlichen Fonds – verwaltet durch eine Stiftung öffentlichen Rechts – an den internationalen Kapitalmärkten anlegen. Die resultierende Rendite soll die gesetzliche Rente unterstützen.
Auf den ersten Blick scheint dieses Konstrukt clever zu sein. Es gibt einige Regierungen, wie in Norwegen oder im Mittleren Osten, die ihre Einnahmen aus dem Verkauf von Erdöl und Erdgas in solche Staatsfonds stecken, um die Staatsausgaben langfristig aufbessern zu können.
„Vermögen“ statt „Schulden“
In Deutschland ist die Logik eine andere: Die 200 Milliarden Euro müssen über Kredite finanziert werden. Es sind also Schulden, auch wenn nach der Logik der Schuldenbremse diese nicht als Schulden zählen, sondern als Vermögen.
Der Irrsinn der Schuldenbremse zeigt sich am Generationenkapital: Der deutsche Staat darf 200 Milliarden Euro bis 2030 in Unternehmen weltweit investieren, aber dieses Geld nicht in seine Menschen — für Bildung, Qualifizierung o. a. — investieren, ohne dass dies als Schulden zählt. Mit anderen Worten: Investitionen in Unternehmen sind „Vermögen“, Investitionen in Menschen sind „Schulden“.
Dabei predigt die Bundesregierung Sparsamkeit und die Einhaltung der Schuldenbremse. Die 200 Milliarden Euro des Generationenkapitals sind letztlich Schulden, die anderswo fehlen werden, zumal dieser Fonds auch aus bestehenden Vermögen des Staates gespeist werden soll, die nicht für andere Zwecke zur Verfügung stehen werden.
Ende der Generationengerechtigkeit
Trägt dies zur Generationengerechtigkeit bei, entlastet es künftige Generationen? Die Antwort ist ein klares Nein. Denn das Rentenpaket setzt die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent bis 2039 als oberste Priorität. Dies wird hauptsächlich über einen deutlichen Anstieg der Beitragssätze für die junge, arbeitende Generation von 18,6 Prozent auf 22,3 Prozent finanziert werden – und zu einem Teil über die Renditen des Generationenkapitals. Somit ist das Generationenkapital keine Entlastung der jungen Generation, sondern primär ein Plus für die alte Generation der Babyboomer.
Hinzu kommt, dass die zu erwartenden Renditen wenig mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein sein werden – es wird wohl mit weniger als 10 Milliarden Euro pro Jahr die gesetzliche Rente entlasten. Zum Vergleich: Die gesamten Kosten der gesetzlichen Rente belaufen sich auf fast 400 Milliarden Euro. Die Beiträge für die junge Generation werden um 3,7 Prozentpunkte steigen, die Renditen des Generationenkapital den Beitragssatz jedoch nur 0,3 Prozentpunkte reduzieren. Dieser Vergleich zeigt den Zynismus der Behauptung, das Generationenkapital sei primär im Interesse der jungen Generation.
Der dritte Widerspruch von Bundesfinanzminister Lindner liegt in seiner Argumentation, der Staat müsse sehr hohe Zinsen auf seine Schulden zahlen und müsse deshalb die Neuverschuldung begrenzen. Er sagt somit, dass der Nutzen (die Rendite) zusätzlicher Schulden zu gering ist, um eine zusätzliche Verschuldung rechtfertigen zu können. Das Generationenkapital ist somit eine Kehrtwende dieser Argumentation, denn die explizite Rechtfertigung ist, dass die erzielten Renditen höher sind als die Kosten der Finanzierung für den deutschen Staat.
„Keine staatliche Ausgabe rechnet sich so sehr, wie die für Bildung“
Dies mag langfristig zutreffend sein. Das Gleiche trifft jedoch sehr viel stärker für Investitionen (=„Schulden“) in Bildung, Infrastruktur, Innovation und vieles andere zu. Kaum eine staatliche Ausgabe rechnet sich so sehr, wie Ausgaben für Bildung: Für 100 Euro, die heute zusätzlich in Bildung investiert werden, kommen langfristig 200 bis 300 Euro in der Form von höheren Steuereinnahmen an den Staat zurück. Menschen bekommen eine bessere Ausbildung, sind produktiver in ihrer Arbeit und können somit mit ihren Unternehmen mehr Leistung erbringen und mehr Steuern zahlen.
Es ist ein grundlegender Widerspruch nun zu behaupten, Investitionen in Unternehmen weltweit rechneten sich finanziell mehr als Investitionen in die eigenen Bürgerinnen und Bürger, in eine gute Infrastruktur und in Klima- und Umweltschutz. All dies zeigt, dass es letztlich um politische Prioritäten geht und die Schuldenbremse als Alibi missbraucht wird, um eigene Prioritäten zu verteidigen und das eigene Klientel zu bedienen.
Wenn die Bundesregierung an ihrem eingeschlagenen Sparkurs und an der Logik der Schuldenbremse festhalten will, dann kann sie kein Generationenkapital beschließen, das zulasten von Zukunftsinvestitionen und künftiger Generationen geht. Wenn die Bundesregierung dagegen die Generationengerechtigkeit und die Interessen künftiger Generationen als hohe Priorität sieht, dann muss sie die Schuldenbremse reformieren und massive Investitionen in Bildung, Innovation, Infrastruktur und Wettbewerbsfähigkeit tätigen.