Bei der Projektwoche meiner Tochter gibt es die AG Hobby Horsing. Hast du davon schon mal gehört?

Ich kenne das Wort, weil ich irgendwann mal etwas über die Herkunft des Wortes Hobby, also im Sinne von Lieblingsfreizeitbeschäftigung nachgelesen hatte. Aber das, was jetzt aus Finnland als Trendsport kommt, dass Menschen mit einem meist selbst gebauten Steckenpferd einen Parcours absolvieren, davon habe ich das erste Mal gehört. Gesehen habe ich sowas noch nicht.

Das Steckenpferd ist ja eigentlich eher altmodisch. Ich habe da Kostümfilme vor Augen, wo kleine Prinzen im Schlossgarten auf so einem Ding herumgaloppieren.

Es gibt Bilder aus dem 16. Jahrhundert und angeblich sollen schon die alten Griechen sowas gehabt haben. Aber da hat es tatsächlich eher den Charakter eines Kinderspielzeugs. Und es kam in alten Zeiten bei Karnevalsumzügen zum Einsatz. Aus ein paar Latten und Stoff haben sich Leute quasi einen Pferderumpf um sich herum aufgebaut und sind dann als Ross und Reiter durch die Gegend gelaufen. Die Kirche hat damit Probleme gehabt, die hielt das für satanisch. Aber das ist lange her.

Steckenpferde satanisch?

Das Pferd nicht, diese ganzen Kostümumzüge. Aber es war vergeblich.

Beim Hobby Horsing studieren Kinder, aber auch Erwachsene tatsächlich so etwas wie eine Dressur ein. Es ist wirklich ziemlich bizarr.

Veganes Dressurreiten sozusagen…

… oder Demokratisierung des Reitens? Ein Steckenpferd kann sich wirklich jeder leisten.

Ich bin zwar kein Reiter, mein Respekt vor Pferden ist doch entschieden zu groß, aber nach allem, was ich höre, ist das eine ganz andere Geschichte. Auch wenn es die Anhänger des radikalen Tierschutzes nicht so sehen, scheint es da durchaus eine Art lebendige Partnerschaft zwischen Mensch und Tier zu geben.

Unterschätze die innige Verbindung von Kindern zu Kuscheltieren nicht. Wie hat sich denn aber aus dem Spiel Steckenpferd das Synonym für Hobby entwickelt?

Der Bedeutungswandel kam ursprünglich aus der Lektüre eines im 19. Jahrhunderts recht populären englischen Romans von Laurence Sterne. Der hat das dort in diesem Sinne wohl erstmalig verwendet. Irgendeine englische Lordschaft hatte offenbar eine Lieblingsbeschäftigung, und die wurde als Hobby Horse bezeichnet, als Steckenpferd.

Das Steckenpferdspiel war ja bestimmt kein Massenphänomen. Wie wird ein Wort für etwas Besonderes zu einem Wort für das Allgemeine?

Es ist genau andersrum. Es sind ja gerade die etwas speziellen Freizeitbeschäftigungen, die mit dieser übertragenen Bedeutung bezeichnet wurden. Also wenn jemand Romane las, war das wahrscheinlich noch nicht das, was er für ein Hobby hielt. Während, wenn jetzt, sagen wir mal, jemand im 19. Jahrhundert angefangen hätte, alle gerade frisch eröffneten Eisenbahnstrecken abzufahren, das hätte man dann wahrscheinlich schon hinreichend speziell gefunden, um daraus eben genau das zu machen: ein Hobby. Dazu kommt, dass nennenswerte Freizeit für die meisten Menschen erst im 20. Jahrhundert ins Leben trat. Wer nicht zur Ober- und gehobenen Mittelschicht gehörte, hatte das davor ja gar nicht.

Was gab es denn in grauen Vorzeiten so als Hobbys?

Zu den frühen Hobbys gehörte wahrscheinlich die Reiserei, insbesondere mit der Perspektive Archäologie oder Botanisieren. Das betrieben ja am Anfang oft keine Fachwissenschaftler. Zum Beispiel in England gab es recht viele Pfarrer, die offenbar gut bezahlte Pfarreien hatten und mit ihrer Tätigkeit nicht sonderlich ausgelastet waren. Und die sind dann umhergezogen und haben sich neben der Theologie auch mit Pflanzen, Tieren oder Mineralien beschäftigt. Das war ihr Steckenpferd.

Heutzutage bringen private Hobbys die Welt eher nicht voran.

Das kann man so sehen. Man kann es aber auch andersrum betrachten. Für die Regeneration der Arbeitskraft ist es auch im Sinne des Kapitals durchaus nützlich, wenn ich in meiner Freizeit etwas mache, was meine geistigen Fähigkeiten wiederherstellt. Dazu können auch auf den ersten Blick sinnlose Hobbys ihren Beitrag leisten.

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