Thüringens AfD-Chef Björn Höcke muss sich von Donnerstag an vor dem Landgericht in Halle verantworten. Der Vorwurf: Er soll in zwei Reden eine verbotene Losung der Sturmabteilung (SA) verwendet haben, der paramilitärischen Kampforganisation der NSDAP. Der frühere Geschichtslehrer selbst behauptet, er habe nicht gewusst, worum es sich bei dem Ausspruch gehandelt habe.

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Noch kurz vor dem Prozess verteidigte er seine Wortwahl – und will weiterhin Ministerpräsident werden. Bei der Landtagswahl am 1. September geht der 52-Jährige als Spitzenkandidat der Thüringer AfD ins Rennen, die vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft und beobachtet wird.

Was wird Höcke konkret vorgeworfen?

Im Mai 2021 soll Höcke die verbotene SA-Parole „Alles für Deutschland!“ in einer Rede in Merseburg in Sachsen-Anhalt (Saalekreis) verwendet haben. Dabei soll er gewusst haben, dass es sich beim letzten Teil der Slogans „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“ um einen verbotenen Ausspruch handelt.

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Außerdem wird dem Politiker vorgeworfen, die Losung im vergangenen Dezember bei einer Veranstaltung der AfD im thüringischen Gera verwendet zu haben. Dabei soll Höcke als Redner den Angaben zufolge den ersten Teil „Alles für“ selbst gesprochen und das Publikum durch Gesten animiert haben, „Deutschland“ zu rufen.

Konkret muss er sich nun wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verantworten. Der Strafrahmen in solchen Fällen reicht von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Bis zu einer möglichen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung. Bislang sind vier Verhandlungstage angesetzt.

Was sagt Höcke zu den Vorwürfen?

In einem Fernsehduell gegen den Thüringer CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt eine Woche vor Beginn des Prozesses hatte Höcke seine Wortwahl verteidigt. Er habe sie in einer freien Wahlkampfrede genutzt und letztlich den Slogan „America First“ von Donald Trump frei interpretierend ins Deutsche übertragen, sagte er beim Sender Welt. Auf die Frage, ob er während der Rede nicht gewusst habe, dass „Alles für Deutschland“ eine SA-Parole sei, sagte der frühere Geschichtslehrer: „Nein, ich wusste es nicht“. Es handele sich um einen Allerweltsspruch.

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Einige Tage vor dem Fernsehduell hatte sich Höcke außerdem auf X, vormals Twitter, zu dem geplanten Prozess geäußert. In einem auf Englisch verfassten Beitrag erklärte er, ihm werde vorgeworfen, „ein angebliches Zitat, in dem ich meinen Patriotismus zum Ausdruck gebracht habe, „falsch“ wiedergegeben zu haben“. Neben zahlreichen X-Nutzern reagierte auch der Besitzer der Plattform, Elon Musk, auf den Beitrag. Er fragte nach, was Höcke genau gesagt habe und warum das illegal sei. Normalerweise verfasst Höcke seine X-Beiträge auf Deutsch.

Was passiert zu Beginn des Prozesses?

Es ist davon auszugehen, dass am ersten Hauptverhandlungstag – wie üblich – die Anklageschrift verlesen wird. Dann hat Höcke die Möglichkeit, sich selbst oder über seinen Verteidiger zu den Vorwürfen zu äußern. Höcke wird von einem Rechtsanwalt aus Erfurt verteidigt. Dieser sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass spontan entschieden werde, ob er oder sein Mandant sich zu den Vorwürfen äußern wollten.

Welche Auswirkungen hätte eine Verurteilung auf Höckes Kandidatur in Thüringen?

Höcke will bei der Landtagswahl am 1. September nicht nur als Spitzenkandidat der AfD antreten, sondern sich im Landkreis Greiz auch um ein Direktmandat bewerben. Im Thüringer Wahlgesetz steht, nicht wählbar sei, wer vom Wahlrecht ausgeschlossen ist oder „infolge Richterspruchs die Wählbarkeit oder die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt“.

Staatsanwaltschaft erhebt weitere Anklage gegen AfD-Fraktionschef Höcke

Der Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke soll einen verbotenen Spruch erneut verwendet haben. Verhandelt werden soll das am Landgericht Halle.

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Theoretisch könnte das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen tatsächlich entscheiden, dass Höcke sein aktives und auch sein passives Wahlrecht vorübergehend verliert. „Wenn er zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt würde, dann könnte das Gericht zugleich aussprechen, dass er auch für eine bestimmte Dauer von maximal fünf Jahren nicht mehr aktiv und passiv wahlberechtigt ist und gegebenenfalls auch keine öffentlichen Ämter mehr bekleiden kann“, sagte eine Sprecherin des Landgerichts Halle. Grundlage sei hierfür Paragraf 92a in Verbindung mit Paragraf 45 im Strafgesetzbuch. Es handele sich um Nebenfolgen, die ein Gericht bei bestimmten Straftaten anordnen könne. Dazu sei kein separates Verfahren nötig, es liege im Ermessen des Gerichts, ob es diese Nebenfolge ausspreche.

Ob Höcke aber tatsächlich verurteilt wird und wie hoch in diesem Falle das Strafmaß wäre, ist völlig offen.

Kann Höcke im Falle einer Verurteilung Vorsitzender des AfD-Landesverbands bleiben?

Zwar werden bei Vorstandswahlen der Thüringer AfD die Kandidaten stets gefragt, ob sie schon einmal rechtskräftig verurteilt wurden. Dies diene aber nur der Information der Mitglieder, damit sich diese ein Bild von dem Kandidaten machen können, so ein Parteisprecher: „Innerparteilich hätte eine mögliche Verurteilung keinerlei Auswirkungen, die sich aus den Statuten der Partei ergeben.“ Allerdings steht im Parteiengesetz: „Personen, die infolge Richterspruchs die Wählbarkeit oder das Wahlrecht nicht besitzen, können nicht Mitglieder einer Partei sein.“

Ist mit Protesten zu rechnen?

In seinem X-Beitrag vom 6. April hat Höcke dazu eingeladen, nach Halle zu kommen, um sich „aus erster Hand ein Bild von der Lage der Bürgerrechte, der Demokratie und des Rechtsstaats in Deutschland zu machen“. Für den Tag des Prozesses hat etwa die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ zu Demonstrationen vor dem Gericht aufgerufen. Die Polizei sei auf mögliche Versammlungen vorbereitet, so ein Sprecher. Nähere Angaben machte er nicht. Die Verhandlung findet im Sicherheitstrakt des Justizzentrums in Halle statt. Um einen störungsfreien Ablauf der Hauptverhandlung zu gewährleisten, hat das Gericht unter anderem Einlasskontrollen angeordnet.

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RND/dpa



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