Berlin/Brüssel. Wenn eine Situation brandgefährlich ist, reicht ein Funken und es brennt lichterloh. Viele Feuerwehrleute eilen jetzt herbei, um nach dem beispiellosen Raketenangriff Irans auf Israel die Glut aus Wut und Hass im Nahen Osten einzudämmen und einen Flächenbrand zu verhindern.

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+++ Alle aktuellen News rund um Israel, Gaza und den Nahostkonflikt im Liveblog +++

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und ihr konservativer britischer Amtskollege David Cameron versuchen am Mittwoch erst in Tel Aviv, Einfluss auf Israel zu nehmen, es folgt am Abend das G7‑Außenministertreffen auf Capri in Italien, parallel dazu setzen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union den Konflikt auf die Tagesordnung ihres Gipfels in Brüssel. Zuvor schon kündigten EU und USA eine Verschärfung ihrer Sanktionen gegen den Iran an. Doch es bestehen Zweifel, ob all die Bemühungen Erfolg haben werden.

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Die israelische Regierung von Benjamin Netanjahu trachtet nach einem Vergeltungsschlag gegen den Erzfeind Iran, der doch ebenfalls einen Vergeltungsschlag verübt hatte. Dem war ein mutmaßlich israelischer Angriff auf die iranische Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus vorausgegangen. Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, erklärt, es würden nun militärische Einrichtungen des Irans in den Fokus genommen. Und Irans Präsident Ebrahim Raisi warnt Israel, es würde eine „verheerende“ Antwort geben. Er sagt das nicht irgendwo. Er sagt das während einer Militärparade in Teheran mit Raketen.

Ob Baerbocks Mahnung zu „kluger Zurückhaltung“ irgendeinen Eindruck macht, ist nicht klar. Es ist ihr siebter Besuch in Israel seit dem bestialischen Überfall der radikalislamistischen Hamas auf Israel mit 1200 Toten am 7. Oktober im vorigen Jahr. Mehr als 100 Geiseln hält die Hamas im Gazastreifen noch gefangen. Das im Innersten verletzte Israel bombardiert seither den Gazastreifen in einer Weise, die weltweit zum Entsetzen über das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung führt.

Iran: Erster Angriff war „bewusst limitiert“

Ob Sanktionen von EU und USA Teheran umstimmen werden? Raisi sagt jedenfalls über die iranische Attacke auf Israel: „Der erste Angriff war bewusst limitiert und als Strafmaßnahme gedacht, sonst wäre vom zionistischen Regime nichts übrig geblieben.“ Der erste Angriff – ein zweiter soll die Atommacht Israel dann wohl vernichten. Das ist das grundsätzliche Ziel Teherans. An der Attacke waren nach Medienberichten Milizen im Libanon, in Syrien, im Jemen und im Irak beteiligt.

USA und EU kündigen Sanktionen gegen Iran an

In der EU werden bereits seit Längerem zusätzliche Sanktionen gegen den Iran erwogen. Nach dem Angriff des Landes auf Israel soll nun gehandelt werden.

Die USA wollen mit ihren neuen Sanktionen neben dem iranischen Raketen- und Drohnenprogramm auch Unterstützer der iranischen Revolutionsgarden sowie das iranische Verteidigungsministerium treffen. Die bisherigen weitreichenden Sanktionen zielen unter anderem auf den iranischen Ölhandel. Sie sollen den Iran an der Entwicklung von Atomwaffen und ballistischen Raketen hindern. Die estnische Premierministerin Kaja Kallas schließt auch EU-Sanktionen gegen iranisches Öl nicht aus. Allerdings sieht sie dafür derzeit keine Mehrheit. „Es gibt immer noch Länder, für die wirtschaftliche Interessen wichtiger sind als strategische“, sagte sie in Brüssel.

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Nun wird auch der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, in Kürze nach Teheran reisen und die Atomgespräche mit der iranischen Seite wieder aufnehmen. Grossi versucht seit Langem, Licht in geheime nukleare Aktivitäten des Irans zu bringen. „Es bestehen noch immer wichtige Informationslücken“, sagt er. Angriffe auf Atomanlagen wären ein „schrecklicher Fehler“.

Europäischer Rat ruft zu Zurückhaltung auf

Die EU-Staats- und Regierungschefs verurteilen Irans Angriff und sichern Israel volle Solidarität zu. Gleichzeitig wollen sie die Netanjahu-Regierung zur Zurückhaltung aufrufen. Das geht aus dem Entwurf der Gipfelerklärung hervor. Darin heißt es: „Der Europäische Rat fordert den Iran und seine Stellvertreter auf, alle Angriffe einzustellen, und appelliert an alle Parteien, äußerste Zurückhaltung zu üben und von allen Maßnahmen abzusehen, die die Spannungen in der Region verschärfen könnten.“

Kanzler Olaf Scholz appellierte in Brüssel an Israel zu Deeskalation. Das Land müsse nun die erfolgreiche Abwehr gegen den Iran nutzen, um seine eigene Position in der Region zu stärken und „nicht mit einem eigenen massiven Angriff antworten“.

Krisen-Radar

RND-Auslandsreporter Can Merey und sein Team analysieren die Entwicklung globaler Krisen im wöchentlichen Newsletter zur Sicherheitslage – immer mittwochs.

Als Zeichen der Unterstützung für Israel wollen auch die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihrem zweitägigen Gipfel ein neues Sanktionspaket gegen den Iran schnüren. „Geplant sind Sanktionen gegen alle Waffen, mit denen der Iran Israel angegriffen hat – also Drohnen und ballistische Raketen“, sagt ein EU‑Diplomat dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

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Ist das Atomabkommen mit dem Iran noch zu retten?

Die iranischen Revolutionsgarden auf die EU‑Terrorliste zu setzen, dürfte dagegen trotz wiederholter Forderungen aus Deutschland keine Mehrheit finden. Groß ist die Hoffnung, das vom ehemaligen US‑Präsidenten Donald Trump aufgekündigte Atomabkommen mit dem Iran noch retten zu können. Doch bei einer Einstufung der Revolutionsgarden als Terrororganisation wird in Brüssel befürchtet, dass der Weg zurück zum Abkommen endgültig versperrt ist.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete den Angriff am Mittwoch als „offene Konfrontation“ mit Israel. „Die neue Liga der autoritären Regime arbeitet gemeinsam daran, die internationale regelbasierte Ordnung in Stücke zu reißen.“

Netanjahu selbst teilt nach den Gesprächen mit Baerbock und Cameron mit: „Ich danke unseren Freunden für ihre Unterstützung bei der Verteidigung Israels, in Worten und in Taten.“ Er schätze ihre „alle möglichen Vorschläge und Ratschläge“, gibt er vor. „Aber ich möchte klarstellen, dass wir unsere Entscheidungen selbst treffen werden. Der Staat Israel wird alles Notwendige tun, um sich selbst zu verteidigen.“ Nach Zurückhaltung klingt das nicht.



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