Zwei Drittel der norddeutschen Nutzer des öffentlich-rechtlichen Hörfunks haben kein Vertrauen oder nur wenig Vertrauen in die Bundesregierung, mehr als drei Viertel sehen die Demokratie in Gefahr. Das ist das ernüchternde Ergebnis der Mai-Umfrage des Norddeutschen Rundfunks im Rahmen der monatlichen Bürgerbefragungsaktion #NDRfragt. Zwischen dem 29. April und dem 6. Mai 2024 beteiligten sich exakt 17.866 Teilnehmer an der Umfrage zum Thema „Demokratie unter Druck?“.

Der eigentliche Knüller ist aber wohl die Antwort auf die Frage, wie groß das Vertrauen der Bürger in die Medien ist. Daß in einer Umfrage, die selbst von einem dieser Medien durchgeführt wird, 56 Prozent der Teilnehmer, also mehr als die Hälfte, ihr Kreuz machten bei „kein Vertrauen“ (16 Prozent) oder „wenig Vertrauen“ (40 Prozent), ist natürlich ein deutlicher Schuß vor den Bug, dessen Erschütterung hoffentlich auch in der Chefetage des NDR zu spüren ist.

Noch schlechter als die Medienschaffenden schnitten erwartungsgemäß die Politiker ab. Bestürzende 75 Prozent der „#NDRfragt“-Teilnehmer mißtrauen den politischen Parteien. Knapp 90 Prozent bestätigten die Aussage „Viele Politiker sind nur auf ihre Wiederwahl bedacht und denken nicht langfristig“. 85 Prozent stimmten dem Satz zu „Bestimmte Wahrheiten werden in der Politik nicht ausgesprochen, aus Angst vor zu viel Gegenwehr“. Wenig überraschend deshalb, daß die NDR-Nutzer auch das Parlament kritisch sehen: Über die Hälfte (53 Prozent) haben nur wenig oder gar kein Vertrauen in die Legislative.

Jeder Zweite glaubt nicht mehr an Meinungsfreiheit

Bei der Wahl der Waffen gegen Demokratieverdrossenheit erreichte die Forderung nach mehr Transparenz bzw. mehr Erklärungsbereitschaft seitens der politischen Akteure mit jeweils 55 Prozent die höchsten Zustimmungswerte. Volksabstimmungen/direkte Demokratie befürworteten immerhin noch fast die Hälfte der Befragten – Platz drei bei dieser Frage. Durchgefallen ist hingegen der abstruse Vorschlag der Umfrage-Autoren „Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft mit Bleiberecht sollten generell wählen dürfen“. Ihn befürworteten lediglich sieben Prozent.

Besorgniserregend ist die hohe Zustimmung zu einem AfD-Verbot: 45 Prozent der Teilnehmer glauben allen Ernstes, der einzigen Oppositionspartei, die im letzten Jahrzehnt weder im Bund noch in einem Bundesland Koalitionär einer Regierung war, ihre Betätigung zu untersagen, würde die Demokratie „sicherlich stärken“ (16 Prozent) oder doch wenigstens „eher stärken“ (29 Prozent). Nur ein Prozent mehr, also 46 Prozent, sahen in einem Verbot der Oppositionspartei eher eine Schwächung. Ob man einen eo ipso demokratiefeindlichen Vorschlag wie ein Oppositionsverbot überhaupt dadurch adeln sollte, daß man ihn zum Gegenstand einer solchen Volksbefragung macht, gehört zu den Fragen, die der „#NDRfragt“-Truppe offensichtlich bei der Konzeption nicht eingefallen sind. Immerhin: Es fehlt eine Abstimmung darüber, ob man alle AfD-Wähler nicht einfach einsperren sollte.

Dieselbe Spaltung zwischen zwei Lagern, die ziemlich exakt das Demokratieverständnis der dogmatischen Linken auf der einen und der Bürgerlich-Liberalen auf der anderen Seite abbildet, ergab sich bei der Frage, ob man in Deutschland seine Meinung noch frei äußern könne. Eine Mehrheit der NDR-Nutzer (52 Prozent) fand, ja, das sei der Fall, 47 Prozent machten ihr Kreuz bei „Man sollte besser vorsichtig sein“.

Das Grundgesetz ist weiterhin beliebt

Interessant wurde es, als die Gruppe der zur Vorsicht Mahnenden in einer eigenen Befragung äußern sollte, warum diese angebracht sei. Insgesamt drei Favoriten durften angekreuzt werden. Auf Rang eins landete die Antwort „Man wird zu schnell in eine politische Ecke geschoben, wenn man anderer Meinung ist“. 88 Prozent bejahten die Aussage. Immerhin noch 55 Prozent fürchten Anfeindungen und Gewalt. 49 Prozent beklagten Sprachregelungen und sprachliche Tabus. 26 Prozent befürchten berufliche Nachteile. Bei der Frage nach den Maulkorb-Themen erreichten Äußerungen zum Thema Masseneinwanderung mit 85 Prozent die Spitzenplazierung, gefolgt von den beiden Kriegen (Gaza: 43 Prozent, Ukraine: 33 Prozent), dem geschlechtsrevisionistischen Komplex (30 Prozent) und dem Klimawandel (23 Prozent).

Anläßlich des 75. Geburtstages des Grundgesetzes bewahrheiteten sich die Sorgen derjenigen, die glauben, es könnte seitens linksgrüner Überzeugungstäter zu einer Revision des Grundgesetzes kommen. Zwar erreichte das bundesdeutsche Gesetzeswerk mit Verfassungsrang einen Spitzenwert von 95 Prozent grundsätzlicher Zustimmung; immerhin noch 87 Prozent bejahten die Frage, ob sich das Grundgesetz beim Schutz der Menschen- und Bürgerrechte bewährt habe. Aber knapp zwei Drittel stimmten der Aussage zu, daß das Grundgesetz überarbeitet bzw. erweitert werden müsse.

Genauso viele Befragte äußerten sich skeptisch bei der Frage, ob das Grundgesetz überhaupt konsequent angewandt werde. Bei der Konkretisierung, zugunsten welcher Themen eine Erweiterung oder Überarbeitung befürwortet werde, durften die Teilnehmer dann die Steilvorlagen der Umfrageentwickler zu den erwartbaren linken Lieblingsthemen Klima- und Umweltschutz (22 Prozent), Kinderrechte (19 Prozent), Wohnraum (16 Prozent) sowie Recht zur Vernichtung ungeborenen Lebens im Mutterleib (10 Prozent) nutzen. Nur 7 Prozent fanden, es sollten keine neuen Artikel ins Grundgesetz aufgenommen werden.

NDR: „Insgesamt ergibt sich so ein stimmiges Bild“

Ausdrücklich macht die vornehmlich von dem Nachrichtenkanal NDR-Info getragene Umfrage auch die „Demonstrationen gegen Rechtsextremismus“ vom Januar und Februar 2024 zum Thema. Da die Defizite der „Correctiv“-Version eines „Potsdamer Geheimtreffens“ auch vom NDR nicht offensiv aufgedeckt wurden, überraschen die 50 Prozent Zustimmung zu den „Demokratie-Demonstrationen“, zu denen linke Parteien und Lobbygruppen nach der Anti-AfD-Kampagne aufriefen, nicht.

Bei den 18 Prozent, die der Meinung waren, die Demos schwächten die Demokratie, „weil sie viele Menschen ausgrenzen und als politisch ‚falsch‘ abstempeln“, dürfte es sich um den harten Kern überzeugter Konservativer handeln, der dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk trotz der notorischen Schlagseite noch die Treue hält.

Die Sendeanstalt weiß natürlich, daß sie sich mit der vielfach nachgewiesenen linkslastigen Programmgestaltung gemäß ARD-Framing-Manual, dem dubiosen Leitfaden, der 2019 aufflog, selbst zum Zentrum einer Meinungsblase gemacht hat, bei der rechte Sichtweisen konsequent ausgeblendet bleiben. In offiziellen Umfragen ist der Anteil der um die Meinungsfreiheit Besorgten daher substantiell höher. Der NDR weist selbst ausdrücklich darauf hin, daß die Umfrageergebnisse nicht repräsentativ sind. Trotzdem ist sich der Sender sicher, daß sie für den Norden Deutschlands Aussagekraft besitzen. „Denn wir werten die Antworten so aus, daß wir denen etwas mehr Gewicht geben, die in der #NDRfragt-Gemeinschaft unterrepräsentiert sind. Insgesamt ergibt sich so ein stimmiges Bild.“



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