Ausnahmezustand in Leverkusen. Bayer 04 hat durch das 5:0 am 29. Bundesliga-Spieltag gegen Werder Bremen die Meisterschaft gewonnen – erstmals in der Geschichte des Klubs. Der historische Erfolg war der Verdienst eines perfekt funktionierenden Kollektivs. Doch auch aus dieser Einheit ragten einige Beteiligte nochmal heraus – auf dem Platz und daneben.

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Xabi Alonso

Der unumstrittene Vater des Erfolgs. Der Spanier hat sich in Leverkusen in Windeseile zum vielleicht begehrtesten Trainer auf dem europäischen Markt entwickelt. Als er im Oktober 2022 von Gerardo Seoane übernahm, war die Werkself Vorletzter der Bundesliga – mit nur einem Sieg aus acht Spielen. Mit Alonso ging es steil bergauf. Zugegeben: Der Trainer-Emporkömmling wählte seine erste Station als Profi-Coach klug. Die Bayer-Mannschaft, die er übernahm, spielte dramatisch weit unter ihren Möglichkeiten, das Steigerungspotenzial war enorm. Aber auch das muss erst einmal zum Vorschein gebracht werden. Alonso versprühte Aufbruchstimmung rund um die BayArena, Spieler und Verantwortliche kamen aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. Die Saison endete auf Platz sechs. Im Sommer war es dann auch die Strahlkraft des charismatischen 42-Jährigen, der Bayer die Arbeit auf dem Transfermarkt erleichterte. Alonso ist ein Bessermacher: Spieler, die schon da waren, machten ebenso den nächsten Schritt wie Spieler, die neu dazukamen. Dass Alonso Leverkusen die Treue über den Sommer hinaus schwor und den Lockrufen aus München oder Liverpool widerstand, ist für Bayer fast ein ebenso großer Erfolg, wie der Gewinn der Meisterschaft.

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Simon Rolfes

Der Strippenzieher im Hintergrund, der gemeinsam mit Alonso den Meisterkader bastelte. 2022 trat er das große Erbe von Rudi Völler als Geschäftsführer an. Dass er den langjährigen Klub-Chef so schnell vergessen machen würde, ahnte wohl inklusive ihm selbst niemand. Auch weil der Start wenig verheißungsvoll verlief. Als eine seiner ersten großen Amtshandlungen musste er einen Trainerwechsel vollziehen. Mit der Entscheidung von Seoane zu Alonso lag er dann jedoch goldrichtig. Auch auf dem Transfermarkt bewies er ein gutes Händchen, fing den Abgang von Leistungsträger Moussa Diaby auf und lotste Schlüsselspieler wie Granit Xhaka, Alejandro Grimaldo oder Jonas Hofmann nach Leverkusen. Das Zusammenspiel zwischen Rolfes und dem nur zwei Monate älteren Alonso scheint optimal zu funktionieren.

Florian Wirtz

Das Kronjuwel im Meisterkader. Vor allem in den vergangenen Wochen und Monaten ragte der 20-Jährige, der gegen Werder als Joker einen Hattrick beisteuerte, aus der Fülle an Überfliegern von Bayer Leverkusen noch einmal deutlich heraus. Fast in jedem Spiel im Jahr 2024 lieferte der Nationalspieler eine Gala ab, fast nach jedem Spiel war er das große Gesprächsthema. Kollegen und Vorgesetzte überschütten ihn mit Lob: „Er steht auf jeden Fall ganz oben“, antwortete Granit Xhaka auf die Frage, wo Wirtz in seinem persönlichen Ranking stehe: „Er liefert mit 20 Jahren ab, jeden dritten Tag, ist so konstant. Er ist gefährlich mit dem Ball, gefährlich ohne den Ball. Er läuft sehr viel, so clever auch ohne den Ball.“ Sportdirektor Rolfes erklärte: „Er ist ein ganz, ganz besonderer Spieler. Er zeigt es nicht nur in den Spielen, sondern auch jedes Training.“ Klub-Chef Fernando Carro hatte prognostiziert, der Nationalspieler spiele „mit hundertprozentiger Sicherheit“ auch in der nächsten Saison für die Werkself. Selbst ein unfassbares Angebot nach einer guten EM könnte das nur schwerlich verändern.

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Granit Xhaka

Ein Puzzleteil, das der Werkself jahrelang fehlte: Erfahrener Anführer und genialer Stratege, stets präsent und stets anspielbar. Der Schweizer scheint wie gemacht für die Fußball-Idee von Alonso, stand in jedem Bundesliga-Spiel in der Startelf und ist der so oft zitierte verlängerte Arm des Trainers auf dem Platz, der sich trotz seiner bereits 31 Jahre unter dem Spanier nochmal weiterentwickelte. Xhaka, der sonst vor allem für seine körperliche Spielweise bekannt und geschätzt wurde, ist auf dem Weg, zu einer ähnlichen Passmaschine zu werden, wie Alonso es zu Spielerzeiten selbst war. „Er ist ein Kämpfer, ein Krieger. Er hat ein großes Herz, er hat große Führungsqualitäten. Er spielt sehr intensiv, sehr diszipliniert, sehr konzentriert, koordiniert immer die Verbindung zwischen unseren Spielern. So einen Mittelfeldspieler brauchst du in wichtigen Momenten – und Granit ist da“, lobte ihn sein Trainer kürzlich. In der vergangenen Saison verpasste Xhaka mit dem FC Arsenal noch knapp die Meisterschaft in England – es wäre vor ManCity eine echte Überraschung gewesen. Ein Jahr später gelingt ihm mit Leverkusen die noch viel größere Sensation.

Jonathan Tah

Lange schien es so, als würde Jonathan Tah, der mit 16 Jahren als bester Nachwuchsfußballer Deutschlands ausgezeichnet wurde, in seiner Karriere nicht über den Status des ewigen Talents hinauskommen, fehlte seinem Spiel doch die nötige Konstanz. Doch unter Anleitung von Alonso hat der mittlerweile 28-Jährige eine bemerkenswerte Weiterentwicklung zum unumstrittenen Führungsspieler geschafft. „Xabi Alonso hat mich auf ein neues Level gehievt. Jetzt bin ich noch unangenehmer, weil ich meinen Gegner immer im Blick habe und an ihm dran bin“, sagte er jüngst der Zeit. Der Spanier habe sowohl seine Art der Verteidigung im eigenen Strafraum als auch sein Aufbauspiel verbessert. Der gebürtige Hamburger ist längst einer der besten Innenverteidiger der Liga und seit dem Bayer-Aufschwung auch in der Nationalmannschaft fest gesetzt.

Alejandro Grimaldo und Jeremie Frimpong

Diese Flügelzange macht einfach Spaß – und sucht ihresgleichen. Gemeinsam bringt das Duo es in der laufenden Saison wettbewerbsübergreifend auf 50 Torbeteiligungen – eine Bilanz von der viele Sturm-Duos nur träumen können. Eine zweistellige Anzahl an Toren und auch an Vorlagen steht sowohl für Grimaldo (elf Tore, 16 Vorlagen) als auch für Frimpong (zwölf Tore, elf Vorlagen) zu Buche. Frimpong kam als 20-Jähriger von Celtic Glasgow. „Transfer für die Zukunft“ stand im Januar 2021 über der Mitteilung der Verpflichtung. Diese Zukunft ist jetzt! Der Niederländer ist mittlerweile Nationalspieler und mit einem Marktwert von 50 Millionen Euro einer der wertvollsten Außenverteidiger weltweit – wobei die Bezeichnung Verteidiger dem Offensivdrang Frimpongs nicht gerecht werden würde. Gleiches gilt für Grimaldo auf der anderen Seite. Schon für die ablösefreie Verpflichtung des Spaniers (kam von Benfica) wurde Rolfes im vergangenen Sommer gefeiert. Spätestens nach den ersten Freistößen des 28-Jährigen wussten auch diejenigen, denen er noch kein Begriff war, wieso. Entscheidend für Leverkusens Schnäppchen-Coup bei Grimaldo: Alonso. „Xabi rief mich ständig an und zeigte mir, dass ich ein wichtiger Spieler in der Mannschaft sein könnte.“ Er sollte recht behalten.

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Victor Boniface und Patrik Schick

Zwei Top-Stürmer sind einer zu viel? Nicht in Leverkusen! Wenn der eine ausfällt, ist der andere da. Im Nachhinein muss man es für den Klub fast als Glücksfall bezeichnen, dass Patrik Schick sich Ende der vergangenen Saison so verletzte, dass früh klar war, dass er den Saisonstart verpassen würde. Nur deswegen wurde Victor Boniface vom belgischen Überraschungsteam Royale Union St. Gilloise geholt. Ohne Eingewöhnungszeit lieferte der Nigerianer ab: Zehn Tore und acht Vorlagen waren es bis zur Winterpause in der Bundesliga. Dann reiste er zum Afrika Cup und kehrte verletzt zurück. Als wäre es abgesprochen gewesen, war Schick genau dann wieder im Vollbesitz seiner Leistungsfähigkeit und übernahm die Torjäger-Rolle. Anfang April gab auch Boniface sein Comeback und wieder sprang der eine für den anderen in die Bresche. Im Viertelfinal-Hinspiel der Europa League gegen West Ham United tat Schick sich wie die gesamte Leverkusener Mannschaft schwer. In der Schlussviertelstunde machte er Platz für Boniface, der zum 2:0-Endstand traf. Gegen Werder war der Nigerianer dann vom Punkt erfolgreich.



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