Am Samstagabend, nach vier Tagen in den USA, steht Robert Habeck am Ufer des Lake Michigan in Chicago und wird plötzlich sehr ernst. Seine Reise durch die Vereinigten Staaten habe in „herausfordernden Zeiten“ stattgefunden, sagt der Wirtschaftsminister und Vizekanzler. „Die Probleme, die Krisen, die Kriege in der Welt, sie haben alle Gespräche berührt.“ Zu lösen seien diese Krisen nur, wenn Deutschland, Europa und die USA eng zusammenarbeiten, betont Habeck. Seine Visite in Washington, New York und Chicago darf man als Teil dieser Arbeit verstehen.

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Den wichtigsten Termin hatte Habeck gleich am Anfang seiner Tour – ein Treffen mit US-Finanzministerin Janet Yellen. Mit der „Grande Dame“ der amerikanischen Finanzpolitik bespricht der deutsche Vizekanzler drängende geostrategische Themen: Ukraine-Hilfe, Russland-Sanktionen, Haltung des Westens gegenüber China.

Wegen des Widerstandes der Republikaner im Kongress sind der US-Regierung derzeit bei der Unterstützung der Ukraine die Hände gebunden. Die Biden-Administration würde auch deshalb gerne auf eingefrorene Gelder der russischen Zentralbank zurückgreifen, allein in Europa rund 260 Milliarden Euro.

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Die Bundesregierung, die Europäischen Zentralbank und auch viele EU-Regierungen sind skeptisch. Die rechtlichen Hürden in Europa wären hoch, man müsste mit Vergeltungsmaßnahmen Moskaus rechnen, und dann stünden auch noch der Ruf Europas als sicherer Finanzplatz sowie das Vertrauen in den Euro auf dem Spiel. Lediglich die Zinsen aus den eigefrorenen russischen Geldern wollen die Europäerinnen und Europäer der Ukraine zur Verfügung stellen.

Robert Habeck auf USA-Reise: Wahlkampf fängt jetzt erst an

Vizekanzler Robert Habeck setzt an diesem Donnerstag seine USA-Reise mit Gesprächen in Washington fort.

Der Ukraine läuft die Zeit davon

Es ist ein Kompromissvorschlag, für den auch Habeck in Washington wirbt. Wobei der deutsche Minister natürlich weiß, dass die Ukraine für ihren Abwehrkampf gegen Russland deutlich mehr Mittel braucht. Rund vier Milliarden Euro Zinsen hat das beschlagnahmte russische Staatsvermögen im vergangenen Jahr abgeworfen, das im US-Repräsentantenhaus festhängende Unterstützungspaket der Amerikaner umfasst dagegen Finanz- und Militärhilfen im Wert von 56 Milliarden Euro.

Habeck hofft darauf, dass die US-Demokraten noch einen Weg finden, den Widerstand zu brechen. „Mein Eindruck ist, dass die Gelder freigegeben, werden, dass es aber noch ein bisschen dauert“, sagt er Chicago. „Meine Hoffnung ist, dass es nicht ein bisschen zu lange dauert.“

07.03.2024, USA, Washington D.C.: Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Vizekanzler und Bundesminister fu·r Wirtschaft und Klimaschutz, läuft durch den Lafayette Square vor dem Weißen Haus. Neben der Abstimmung bei der Bewältigung der aktuellen geopolitischen Krisen geht es bei der Reise auch darum bilaterale Handels- und Investitionsbeziehungen zu stärken sowie die transatlantische Zusammenarbeit bei technologischen Zukunftsfragen voranzutreiben. Foto: Britta Pedersen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Habecks neue Härte – warum der Vizekanzler in Washington eine ungewohnte Seite zeigt

Er hat die berüchtigte Achterbahn der Politik erlebt, wurde vom Idealtypus zur Spottfigur. In den USA gibt sich der sonst freundliche Robert Habeck nun angriffslustig. Dabei inszeniert er sich auch als Staatsmann. Blickt er schon auf seine Rolle im nächsten Bundestagswahlkampf?

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Das wichtigste Thema für deutsche Unternehmen in den USA ist nach wie vor der Inflation Reduction Act – das gewaltige Subventionsprogramm der US-Regierung für den grünen Umbau der Industrie. In seiner Funktion als Klimaschutzminister findet Habeck das Programm erst mal super. Jeder Beitrag zum Aufbau grüner Märkte sei hochwillkommen, sagt er. Durch den Einstieg der Amerikaner in grüne Technologien werde sich deren Hochlauf beschleunigen, was wiederum die Kosten senke.

Das Problem für deutsche und europäische Firmen sind die Detailregeln des Programms. Sie sehen vor, dass nur solche Unternehmen in den Genuss der staatlichen Förderung kommen, die auch ihre Vorprodukte in den USA fertigen. Aus Sicht der Bundesregierung verschaffen sich die Amerikaner damit einen künstlichen Standortvorteil im globalen Wettbewerb.

Hier hören: Podcast von Habecks US-Reise

Habeck warnt in den USA immer wieder vor einem Subventionswettlauf zwischen Europa und Amerika, der am Ende beiden Volkswirtschaften schaden werde. Stattdessen schlägt er eine verstärkte Kooperation vor, etwa durch die Einigung auf gemeinsame technische Standards oder die gegenseitige Anerkennung der jeweiligen Normen. Habeck selbst nennt das „eine Art Mini-Freihandel“ unter anderem für Industriegüter, Batterien, Halbleiter und kritische Rohstoffe. Er habe mit US-Wirtschaftsministerin mit US-Wirtschaftsministerin Gina Raimondo darüber gesprochen, und auch die Amerikaner seien „eigentlich willens“, daran zu arbeiten.

Dass die enge Zusammenarbeit mit der US-Regierung bald schon Geschichte sein könnte, daran wird Habeck auch in Chicago erinnern. Bei einer Bootstour bewundert er die Architektur der Wolkenkratzer am Ufer des Chicago Rivers. An der Fassade eines markanten Glasbaus, prangen fünf gewaltige Buchstaben: T-R-U-M-P.

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Auf seine Gefühle hinsichtlich eines möglichen Siegs von Donald Trump bei der Präsidentschaftswahl im November angesprochen, wird der sonst so redegewandte Vizekanzler schmallippig. Dafür sei derzeit keine Zeit, lässt er wissen. Es gehe um politische Arbeit. „Alle müssen ihren Job machen.“



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