Die deutsche Produktion von Solaranlagen bricht zusammen. Nächste Woche macht das größte hiesige Werk dicht. Was braucht die Branche von der Politik?

ein Arbeiter in einem Solarmodulwerk

Hier schließen bald die Pforten: ein Mitarbeiter im Solarwerk in Freiberg Foto: Sebastian Kahnert/dpa/picture alliance

Wie ist die aktuelle Lage in der hiesigen Solarindustrie?

Einerseits herrscht ein Boom. Viele Immobilienbesitzerinnen und -besitzer installieren neuerdings kleine Solarkraftwerke auf ihren Hausdächern. Die Zahl der großen Anlagen neben Bahnstrecken und Autobahnen wächst ebenfalls rapide. Andererseits wird der größte Teil der Komponenten nicht in Deutschland und Europa hergestellt. Vor allem aus China kommen Solarzellen und Module, die günstiger sind als solche aus einheimischer Fertigung. Deswegen hat Meyer Burger, der größte hiesige Hersteller, das Ende der Modulproduktion in Freiberg angekündigt, wo rund 500 Beschäftigte arbeiten. Am 14. März soll Schluss sein – wenn nicht noch ein Signal der Regierungskoalition kommt. Auch die Glasmanufaktur Brandenburg, die Glas für Solaranlagen produziert, sieht sich bedroht. Weitere Solarfabriken wie Heckert und Solarwatt berichteten ebenfalls über Schwierigkeiten.

Ist die Branche wichtig?

Sie ist zentral für die Energiewende und den Übergang zu der klimaneutralen Wirtschaft, die die Bundesregierung und die Europäische Union anstreben. Um Kohle, Öl und Gas zu ersetzen, muss die Energieproduktion unter anderem mit Solarkraftwerken stark steigen. Vor 10 bis 15 Jahren ist die hiesige Produktion von Solaranlagen schon einmal zusammengebrochen. Momentan unternehmen einige Hersteller den Versuch, sie wieder auszubauen.

Warum stehen die Solarfirmen unter Druck?

Augenblicklich sieht die globale Produktionskette so aus: China liefert laut dem Freiburger Fraunhofer-Institut ISE 90 Prozent allen Polysiliziums weltweit, des Ausgangsstoffs der Solarzellenfertigung. Auch die fertigen Produkte, die letztlich auf Dächern und Wiesen landen, kommen zur großen Mehrheit von dort: 85 Prozent der Module und 91 Prozent der verbauten Solarzellen. Das liegt daran, dass die chinesische Regierung die dortige Produktion in den vergangenen Jahren erheblich hat ausbauen lassen. Große Fabriken arbeiten günstiger als die vergleichsweise kleinteilige Fertigung in Europa. Außerdem verbilligt China seine Solarmodule mit Subventionen und Rabatten.

Was spricht gegen chinesische Module?

Erst einmal nichts, ihr niedriger Preis ist ja auch gut für die Energiewende: Die Herstellung von Solarstrom wird so schließlich billiger. Privathaushalte und Unternehmen bezahlen weniger. Doch Carsten Körnig, der Chef des Bundesverbandes der Solarwirtschaft, sagt: „Deutschland und Europa benötigen eine eigene Produktionskette für Solarzellen und Solarmodule, um bei dieser wichtigen Technologie weniger abhängig zu sein.“ Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht es ähnlich: „Sicherheit hat ihren Preis.“ Den grünen Politiker treibt diese Sorge um: China ist eine konkurrierende Weltmacht, die, wie die USA und Europa auch, Ökonomie als Waffe einsetzen kann. Was würde passieren, wenn die chinesische Regierung den Export von Solarmodulen nach Europa einschränkte oder unterbände? Eine Antwort lautet: Es ist nötig, strategisch wichtige Produkte wie Solar- und Windkraftwerke, Batterien für Elektroautos, Chips für die Datenkommunikation oder Elektrolyseure für grünen Wasserstoff selbst herstellen zu können – auch wenn das teurer ist.

Gibt es einen Plan?

Das fast fertige Netto-Null-Industriegesetz der EU („Net Zero Industry Act“) sieht vor, dass bis 2030 etwa 40 Prozent bestimmter strategischer Produkte in Europa gefertigt werden, ohne die die Transformation zur klimaneutralen Wirtschaft nicht funktioniert. Das ist einer von mehreren Ansätzen, mit dem EU-Kommission, EU-Parlament und Mitgliedsländer daran arbeiten, der chinesischen, aber auch der US-amerikanischen Subventionspolitik etwas entgegenzusetzen. Im Zuge dieser Politik haben Konzerne wie Intel (Computerchips), Northvolt (Autobatterien) und Thyssenkrupp (Stahl) bereits Zusagen für Milliarden Euro staatlicher Subventionen erhalten, um ihre Fertigung hierzulande zu sichern oder auszubauen – Solarhersteller aber noch nicht.

Will die Bundesregierung die Solarbranche unterstützen?

Die Ampel-Regierung ist auch nicht gleich gesinnt: SPD und Grüne befürworten solche Subventionen grundsätzlich, die FDP ist zurückhaltend. Das liegt an der grundsätzlichen liberalen Skepsis gegen Staatseingriffe in den Markt, aber auch am Geldmangel. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023 fehlen der Regierung Dutzende Milliarden Euro im Klima- und Transformationsfonds.

Was wünscht sich die Branche?

In der Branche herrscht Uneinigkeit darüber, wie eine staatliche Förderung gestaltet werden sollte. Meyer Burger und der Solarverband haben einen zusätzlichen Bonus vorgeschlagen, den Immobilienbesitzer für ins öffentliche Netz eingespeisten Solarstrom erhalten würden, wenn dieser heimisch produzierten Zellen und Modulen entstammt. Das würde den höheren Preis heimischer Produkte ausgleichen, die Nachfrage nach ihnen stiege, Meyer Burger könnte weiter in Sachsen fertigen. Andere Firmen wie etwa Enpal, die nicht selbst produzieren, sondern chinesische Module verkaufen, raten davon ab. Argument: Die Hauseigentümerinnen und Eigentümer würden auf die günstigeren deutschen Module warten, der Markt geriete durcheinander, der augenblickliche Solarboom könne leiden. Eine zweite Variante, die unter anderem Energieökonomin Claudia Kemfert befürwortet: Betreiber von geplanten Solarparks könnten einen Bonus erhalten, damit sie eher heimische Module verwenden, nicht chinesische. Um solche Subventionen zu zahlen, müsste aber wohl erst das EU-Industrie-Gesetz in Kraft sein. Und das kann noch dauern. Die Antwort darauf, dass Meyer Burger die Produktion schon nächste Woche einstellen will, ist das also nicht.



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