Armin Fuhrer ist Historiker und Journalist, der zeitweilig für die Berliner Welt tätig war. Gegenstand seiner Biographie ist einer der interessantesten, vielschichtigsten und bedeutendsten deutschen Unternehmer. Dieser wurde 1859 in Rheydt geboren, hatte sieben Geschwister, litt an einer verkrüppelten Hand und verlor seine Mutter früh. Selbst wurde er nach seiner Berufung zum Professor an der Technischen Hochschule in Aachen Vater von zwölf Kindern. Weder aus der Herkunft noch aus der Gründung einer kinderreichen Familie darf man schließen, daß Hugo Junkers in erster Linie ein Familienmensch war oder sich viel Zeit für seine Kinder nahm.

Immer ging seine Arbeit vor, wobei den Ingenieur vor allem die Kombination von Theorie und Praxis, die Verbindung von Forschung und Produktion, die alltägliche, fast handwerkliche Lösung von Problemen faszinierte. Nach Aufgabe seiner Professur blieb er Unternehmer mit wechselnden Geschäftsinteressen. Zunächst hat er Kalorimeter und vor allem Gasbadeöfen produziert. Schon 1911 hatten 100.000 davon das Werk verlassen. Im Ersten Weltkrieg produzierte er in Dessau Militärflugzeuge, was mit Kriegsende, dem Versailler Vertrag und Bauverboten für das besiegte Land natürlich sein Unternehmen in eine ernste Krise führen mußte.

Aber Junkers hielt das Leben für Kampf, wollte Herausforderungen immer wieder bewältigen, hoffte nach der militärischen Niederlage durch technischen Fortschritt und wirtschaftliche Leitungen zum friedlichen Wiederaufstieg Deutschlands beitragen zu können. Nicht Gewinn war ihm wichtig, sondern Forschung und Problemlösung. Der Gewinn sollte weniger seiner Familie als der Finanzierung von Forschung dienen.

Zeitweise betrieb er das größte Flugzeugwerk der Welt

Sein Credo war der Vorrang des Gemeinnutzes vor privaten, nicht zuletzt eigenen Interessen. Er hoffte auch, daß der Flugzeugbau und die Luftfahrt einen wesentlichen Beitrag zur Völkerverständigung leisten könnten. Man kann Junkers als Vater des Metallflugzeugs betrachten, denn andere Hersteller hielten lange an Holz als Material fest. 1925 war Junkers Dessauer Werk mit 5.000 Mitarbeitern zeitweise das größte der Welt im Flugzeugbau. Das war ziemlich am Anfang, denn für 20 bis 40 Passagiere plante man damals ein „Riesenflugzeug“.

Junkers hatte ein vielschichtiges Verhältnis zum Staat. Er befürwortete das private Unternehmertum, weil er dem Staat nicht die Lenkung von Forschung und Entwicklung zutraute, sondern auf harten unternehmerischen Wettbewerb setzte. Im Unternehmen wollte Junkers immer alles selbst bestimmen. Aber der Staat war ihm nicht nur als Abnehmer von Flugzeugen willkommen, sondern er forderte auch Subventionen für die Luftfahrt und ließ sich aus patriotischen Gründen auf staatlich inspirierte Abenteuer ein, wie den Aufbau eines Werkes im bolschewistischen Rußland, um dort den Auflagen der westlichen Siegermächte des Ersten Weltkrieges zu entkommen.

Deshalb kooperierte die Reichswehr damals mit den in Rußland herrschenden Kommunisten. Weil dieses unternehmerische und politische Abenteuer nie Gewinn abwarf, kam Junkers’ Unternehmen in eine die Existenz gefährdende Krise. Unter Aufgabe seiner Ambitionen, nicht nur Flugzeuge herzustellen, sondern selbst auch Luftverkehrsgesellschaften zu betreiben, konnte er sein Unternehmen retten.

Junkers verstand die Wichtigkeit von Werbung

Flugsport als solcher interessierte Junkers nicht, aber er wußte früher als andere Unternehmer, wie wichtig Werbung sein kann. Deshalb legte er auch auf Höchstleistungen in Flugdauer oder Entfernung ein großes Gewicht. Wegen der Windverhältnisse ist die Ost-West-Überquerung des Atlantischen Ozeans schwieriger als der umgekehrte Weg. Das gelang erstmalig ein Jahr nach dem spektakulären Flug von Charles Lindbergh von den USA nach Frankreich 1927 dem deutschen Piloten Ehrenfried Günther Freiherr von Hünefeld mit einer Junkers-Maschine. Dieser Erfolg brachte nur Ruhm, zahlte sich aber geschäftlich nicht für Junkers aus.

Mit der Politik hatte Junkers wenig Glück. Das gilt nicht nur für das oben beschriebene Rußland-Projekt, sondern mehr noch für seine tragische Lage im Dritten Reich, kurz vor seinem Lebensende. Während der Weimarer Zeit war er Mitglied einer linksliberalen Partei, arbeitete auch gut mit den in Dessau starken Sozialdemokraten zusammen. In seiner Familie und im geschäftlichen Umfeld gab es auch Kommunisten. Er wollte nach der Machtergreifung mit den Nationalsozialisten zusammenarbeiten, hätte gern Hitler persönlich getroffen.

Es gab vor allem mit dem bald ausgeschalteten linken Flügel der Bewegung durchaus Überschneidungen in Junkers Weltanschauung: die Auffassung des Lebens als Kampf, die Betonung der Volksgemeinschaft und des Patriotismus, der Vorrang des Gemeinnutzes vor Eigennutz. Die Nationalsozialisten trauten dem Unternehmer nicht, nahmen ihm sogar unter dem Vorwand des Landesverrats die Verfügungsgewalt über seine Flugzeugwerke. Dennoch hoffe Junkers bis zu seinem Tod 1935 noch, über Projekte im Metallbau das neue Regime von seiner Nützlichkeit überzeugen zu können.

Das tragische Ende eines bewegten Lebens

Sein Leben war nicht nur ein Kampf. Es endete als Tragödie. Daß er und seine Familie für die Enteignung materiell entschädigt wurden, bedeutete ihm wenig. Für Junkers war Geld nur Mittel zum Zweck, es diente der Finanzierung seiner Arbeit. Erst nach seinem Tod zollten die Nationalsozialisten dem Industriellen Respekt. Mit Rudolf Heß kam der Stellvertreter des Führers zu seiner Beisetzung.

Das Buch ist gut lesbar, eher eine Beschreibung des Menschen und seiner persönlichen Probleme im Umgang mit anderen Menschen – ob in der Familie, im Unternehmen oder in der Politik – als eine Würdigung seiner technologischen oder unternehmerischen Leistungen. Zwar kann man der Biographie entnehmen, daß Fuhrer Zweifen an Junkers Eignung als Kaufmann, seiner Menschenkenntnis oder an seinem Umgang mit seinen Kindern hatten, aber Fuhrer hält sich bei politischen Bewertungen zurück. Wie manche andere Opfer des Regimes hat er den Charakter der NS-Diktatur nicht rechtzeitig erkannt.

JF 16/24



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