Immer wieder unternehmen die SPD und andere Parteien den Versuch, den Mindestlohn politisch festzulegen, wie dies nun erneut Parteichef Lars Klingbeil macht. Aus zwei Gründen ist das nicht zielführend: Erstens ist gesetzlich geregelt, dass eine aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern zusammengesetzte Kommission die Höhe des Mindestlohns bestimmt. Zweitens: Ergibt sich aus dieser Regelung, dass von der Politik geweckte Erwartungen für einen höheren Mindestlohn enttäuscht werden könnten. Jedenfalls dann, wenn sich die Regierung an das Gesetz hält, dass dafür die Kommission zuständig ist.

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Aktuell liegt der Mindestlohn bei 12,41 Euro, ab Oktober werden es 12,82 Euro sein. Monatlich sind das bei einer 40-Stunden-Woche heute knapp 2200 Euro brutto – sehr wenig Geld in Zeiten gestiegener Lebensmittelpreise, hoher Mieten und hoher Wohnnebenkosten.

Es ist der Job der Mindestlohnkommission, eben dies zu bewerten und darauf zu reagieren. Man sollte die Kommission ihren Job machen lassen. Die Anpassung der Lohnuntergrenze läuft nach dem gleichen Prinzip wie die Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern, die der Tarifautonomie unterliegen. Die Politik hat sich also nicht einzumischen und sollte das auch wirklich bleiben lassen. Nun haben Mindestlöhner keine starke Vertretung wie etwa die Lokführer, die für ihre Interessen immer wieder die halbe Republik lahmlegen. Es ist dennoch nicht Aufgabe der Politik, die Lohnfindung in die Hand zu nehmen.

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Über Jahrzehnte galt Deutschland als Konsensgesellschaft. Gewerkschaften und Arbeitgeber hatten immer belastbare Gesprächsfäden zueinander. Sie ließen jeweils Augenmaß walten, was unter dem Strich beiden Seiten geholfen hat: In Zeiten wirtschaftlicher Krisen hielten sich die Gewerkschaften zurück, forderten dafür in konjunkturell guten Phasen zu Recht ihren Anteil an Gewinnen. Und haben ihre Forderung auch durchsetzen können. In Kombination mit dem Instrument der Kurzarbeit ist der Arbeitsmarkt in Deutschland über Jahrzehnte in den meisten Phasen stabil gewesen.

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Eine starke Polarisierung in Fragen der Lohnfindung ist nicht hilfreich, wie man in Frankreich seit Jahrzehnten sehen kann. In Deutschland zeigt sich das beim Vorgehen der Lokführergewerkschaft.

Für den Standort Deutschland gibt es drei große Probleme

Dass die Anpassung des Mindestlohns zum Jahreswechsel trotz Inflation eher bescheiden ausgefallen ist, liegt an dem vorangegangenen Eingriff der Politik. Zum 1. Oktober 2022 war der Mindestbetrag pro Stunde per Gesetz von der Ampel auf 12 Euro gehievt worden – eine Erhöhung um 22 Prozent innerhalb eines Jahres. Solche Ergebnisse gibt es in keiner Tarifrunde. Eine solche Erhöhung bildet auch nicht die realen ökonomischen Entwicklungen ab.

Für den Standort Deutschland gibt es drei große Probleme: die Energiepreise, die Bürokratie und die Kosten der Arbeit. Zur Senkung der Arbeitskosten könnte die Bundesregierung den Hebel auch bei den Lohnnebenkosten ansetzen. Wenn die Rentenpolitik nicht einseitig zu Lasten der Beitragszahlerinnen und -zahler laufen würde und wenn das Gesundheitssystem effizienter aufgestellt wäre, könnte von einem Euro Verdienst auch mehr bei den Beschäftigten ankommen.

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Die Sozialdemokraten vollziehen gerade in Richtung Landtagswahlkämpfe in Ostdeutschland und vorbereitend auf die Bundestagswahl 2025 einen Strategiewechsel – von einer Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, die stark auf das Bürgergeld und eine Sicherung der Höhe der Rentenzahlungen ausgerichtet war hin zu einer Linie, die mehr die erwerbstätige Bevölkerung in den Blick nimmt. Ein sinnvoller Strategiewechsel. Der Mindestlohn darf dennoch nicht zum Spielball in Wahlkämpfen werden. Eben deshalb muss die Tarifhoheit von Gewerkschaften und Arbeitgebern respektiert werden.



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