Frau Stark-Watzinger, sind Sie leichtgläubig?

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Absolut nicht. Warum fragen Sie?

Seit Jahrzehnten wird immer wieder versprochen, die Stromerzeugung durch einen Fusionsreaktor komme in 50 Jahren. Spötter sprechen von der Fusionskonstante. Warum glauben Sie, dass es nun klappt?

Gegenwärtig gibt es eine Reihe von vielversprechenden wissenschaftlichen Durchbrüchen in der Fusion. Denken Sie an den neuen Weltrekord bei der Energieerzeugung am europäischen Forschungsreaktor JET. Die Zukunftsenergie Fusion wird kommen. Es ist nicht die Frage ob, sondern nur noch wann und ob Deutschland dabei ist. Unsere Ambition sollte sein, diese riesige Chance zu nutzen.

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Vermeintliche Durchbrüche gab es immer wieder, aber dann folgten Sackgassen. Was hat sich aus Ihrer Sicht qualitativ geändert?

Neben der Magnetfusion, bei der die Fusion in einem Magnetfeld abläuft, hat eine zweite erfolgversprechende Technologie große Fortschritte gemacht: die Laserfusion. Dabei werden Brennstoffkügelchen mit einem Laser beschossen und so die Fusion in Gang gesetzt. Hierzu sind Start-ups auch in Deutschland entstanden, in die viel privates Kapital fließt. Investoren glauben an die Technologie und die Fusion als Zukunftsenergie. Die Ausgangsbedingungen haben sich also massiv verbessert.

Wann könnte ein funktionierendes Fusionskraftwerk in Betrieb gehen?

Unser Positionspapier sieht drei Phasen vor: Bis zur ersten Hälfte der 2030er-Jahre ist weiterhin viel Forschung notwendig. Bis Anfang der 2040er-Jahre soll es dann erste Kraftwerksprototypen geben. So könnte noch vor Mitte des Jahrhunderts ein wirtschaftlich arbeitendes Fusionskraftwerk in Deutschland ans Netz gehen.

Kritiker sagen, bis aus Versuchsreaktoren tatsächlich Kraftwerke würden, seien sie überflüssig, weil Wind und Solaranlagen die Versorgung gewährleisteten.

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Erneuerbare Energien sind wichtig, stehen aber nun einmal leider nicht rund um die Uhr zur Verfügung. Und auch der Transport und die Speicherung sind eine große Herausforderung. Wir sollten nicht aus immer mehr Technologien aussteigen oder gar nicht erst einsteigen. Wir brauchen Kraftwerkstechnologien, die jeden Tag rund um die Uhr die sogenannte Grundlast absichern. Das ist die Grundlage für Wachstum und Wohlstand. Die Energiekrise hat gezeigt, wie essenziell eine saubere, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung ist. Wir sollten auch nicht wieder in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten. Und es gibt einen weiteren Grund.

Welchen?

Der Hunger nach elektrischer Energie steigt weltweit. Allein bis zur Mitte des Jahrhunderts wird sich der Bedarf verdoppeln. Zukunftstechnologien wie etwa die Künstliche Intelligenz tragen dazu bei. Für deren Entwicklung und Nutzung ist viel Rechnerleistung nötig. Eine Anfrage an eine KI verbraucht beispielsweise ein Vielfaches der Energie einer normalen Suchmaschinenanfrage. Auch für die Industrie, Mobilität und das Wohnen brauchen wir mehr und bezahlbaren Strom. Wir sollten uns nicht allein auf die erneuerbaren Energien verlassen, sondern technologieoffen sein.

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Dennoch bleibt die Skepsis gegenüber der Technologie groß. Die Grünen sprechen angesichts der von Ihnen bis 2028 eingeplanten Fördergelder von einer Milliarde Euro von teuren Spielwiesen, die man sich nicht leisten könne.

Was gab es schon für Fehleinschätzungen über die Zukunft! Die Biotechnologie wurde zuerst auch als kompliziert oder gar gefährlich abgelehnt. Inzwischen werden mit ihrer Hilfe zuverlässige Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten hergestellt und auch Durchbrüche bei Krebsimpfstoffen sind absehbar. Sich planwirtschaftlich auf eine Technologie zu beschränken, wäre falsch. Dem Klima ist es egal, wie es genau gerettet wird. Deshalb müssen wir alle erfolgversprechende Technologien nutzen, ohne ideologische Scheuklappen.

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Trotzdem, eine Milliarde Euro sind angesichts der angespannten Haushaltslage eine Menge Geld.

Richtig, aber die Energieversorgung der Zukunft ist auch keine Kleinigkeit. Das weltweite Wettrennen um sie und andere Schlüsseltechnologien ist eröffnet. Wollen wir hierbei nur zuschauen und am Ende Konsumenten sein, die von anderen abhängig sind? Oder wollen wir Teil der Weltspitze sein? Ich möchte für Deutschland letzteres, zumal die Fusionsforschung nicht isoliert zu sehen ist. Schließlich benötigt sie Basistechnologien wie beispielsweise die Lasertechnologie, die auch in der Halbleiterfertigung oder Medizintechnik eine wichtige Rolle spielt.

Gleichwohl gibt es technologische Hürden: Da wäre die Frage des benötigten Brennstoffs Tritium, der extrem selten ist. Ist das aus Ihrer Sicht lösbar?

Ja, denn Tritium kann in einem Fusionskraftwerk erzeugt werden. Darüber hinaus gibt es Ansätze mit anderen Brennstoffen. Die weitere Forschung und der Wettbewerb werden zeigen, welche Lösung die beste ist.

Klar ist auch, dass auch bei der Fusion Radioaktivität entsteht. Kein Problem für Sie?

Im Unterschied zur Kernspaltung entsteht kein langlebiger Atommüll. Ein nuklearer Unfall ist physikalisch unmöglich. Bei einem Problem würde die Fusionsreaktion sofort zum Erliegen kommen. Die Fusion ist also sehr sicher.

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Richard Cluse hat seit mehr als drei Wochen nichts mehr gegessen.

Klimaaktivist seit fast vier Wochen im Hungerstreik: „Ich bin bereit zu sterben“

Richard Cluse geht „All in“, wie er sagt. Seit fast vier Wochen hungert der 57 Jahre alte Potsdamer, er friert fast immer. Längere Strecken zu gehen, fällt ihm extrem schwer. Er will, dass der Kanzler das Klima rettet. Doch der schweigt.

Ein weiterer Einwand: Die Fusionstechnologie lasse sich militärisch verwenden, was ein enormes Gefahrenpotenzial berge.

Das gilt für fast alle Technologien. Gerade deshalb sollte unser Anspruch sein, sie zu beherrschen und mit unseren hohen ethischen Standards zum Wohle der Menschen einzusetzen. Unser Ziel muss dabei sein, Risiken zu minimieren.

Das ist kein abstraktes Problem: Am internationalen Kernfusionsprogramm Iter ist Russland beteiligt. Sollte man die Russen dort nicht rausschmeißen?

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine haben wir die bilaterale wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Russland gestoppt. Beim Iter handelt es sich jedoch um eine völkerrechtlich bindende Vereinbarung, die nicht einseitig gekündigt werden kann. Wir stimmen uns hier eng mit unseren Partnern ab.

Für die Kernspaltung gilt das Atomgesetz. Was ist eigentlich die rechtliche Basis für die Fusion?

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Das Atomgesetz passt hier nicht. Denn es handelt sich um unterschiedliche Technologien mit unterschiedlichen Risiken. Wir benötigen daher ein eigenständiges Fusionsgesetz. Es ist auch deshalb wichtig, weil Unternehmen und Investoren Rechts- und Planungssicherheit brauchen. Deshalb wollen wir innovationsfreundliche Regelungen.

Ich gehe davon aus, dass Sie die Verantwortung für das Fusionsgesetz für sich reklamieren?

Da wir als Forschungsministerium bereits seit vielen Jahren bestens mit der Fusion vertraut sind, sollte ein Fusionsgesetz in unserem Verantwortungsbereich liegen. Mein Ministerium hat naturgemäß den direkten Draht zur Wissenschaft, um die noch offenen Fragen für einen derartigen Rechtsrahmen zu klären. Wir starten noch in diesem Jahr ein entsprechendes Pilotprojekt. Zudem haben wir uns international angeschaut, welche Wege dort gegangen werden. Ein eigenes Gesetz gibt es allerdings noch in keinem Land. Das ist Pionierarbeit.

Wollen Sie das Gesetz noch in dieser Wahlperiode auf den Weg zu bringen?

Das wäre gut für Deutschland. Allerdings ist die Zeit bis zum Ende der Wahlperiode knapp. Wir werden es auf jeden Fall entschieden vorantreiben.



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