Berlin. Klar, es gibt Fortschritte. Frauen dürfen wählen, in Deutschland seit 1918. In (West-)Deutschland können Frauen seit 1958 ein Konto eröffnen und müssen ihren Mann nicht mehr um Erlaubnis fragen, wenn sie arbeiten wollen. Dass Familie und Haushalt allein Frauensache sind und also der Berufstätigkeit vorgehen, war allerdings bis 1977 so. Die Liste lässt sich verlängern: Zumindest auf dem Papier ist gleiche Bezahlung vorgeschrieben, Vergewaltigung in der Ehe müssen Frauen hierzulande seit 1997 nicht mehr ertragen. Und 2005 hat es dann doch tatsächlich mal eine Frau ins Bundeskanzleramt geschafft.
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Alles in Ordnung also? Von wegen. Die Jahreszahlen allein zeigen: So weit ist es mit dem Fortschritt noch nicht her, auch nicht in Deutschland.
Strukturen hängen immer auch davon ab, wer sie ersonnen hat
Zugrunde liegt ein strukturelles Problem: Männer haben über Jahrhunderte die Politik, die Wirtschaft, die Wissenschaft bestimmt, von Ausnahmen abgesehen. Das war weder naturgegeben noch die freie Entscheidung von Frauen. Die Regeln, die Frauen von Macht, Geld, Entscheidung abhielten, wurden nicht von Frauen und Männern gemeinsam beschlossen.
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Strukturen hängen immer auch davon ab, wer sie ersonnen hat. Wohnungen und Büroräume sehen anders aus, wenn beim Zuschnitt die mitreden, die darin leben oder arbeiten werden. Konflikte werden anders und nachhaltiger gelöst, wenn die daran beteiligt werden, die sie betreffen. Und so ist es auch beim Aufbau der Gesellschaft.
Was selbstverständlich sein sollte – die Gleichberechtigung unabhängig vom Geschlecht – musste und muss mühsam erkämpft werden. Es galt als Skandal, als eine Abgeordnete in Hosen in den Bundestag kam. Das war nicht in grauer Vorzeit, sondern 1970, vor gerade mal etwas mehr als 50 Jahren.
Jeden dritten Tag ein Mord: Warum Deutschland seine Frauen nicht vor Femiziden schützen kann
Jeden Tag versucht in Deutschland ein Mann, seine Partnerin oder Ex-Partnerin umzubringen – an jedem dritten Tag gelingt es ihm. In den meisten Fällen hatten die Frauen zuvor Schutz bei Beratungsstellen, Polizei und Gerichten gesucht. Sind elektronische Fußfesseln die Lösung?
Frauenberufe sind systemrelevant, aber schlecht bezahlt
Es gibt Fortschritte, es gibt mehr Rechte von Frauen. Aber Strukturen, Denkmuster bestehen fort. It’s a man’s world – es ist eine Männerwelt, nach wie vor.
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Nur durch eine verpflichtende Frauenquote ist an Unternehmensspitzen etwas mehr Gleichberechtigung eingezogen, obwohl oder vielleicht sogar weil Männer bisher nicht alle wegen ihrer großartigen Leistungen nach oben gefallen waren. Und siehe da: Natürlich gibt es Frauen, die diese Jobs ausfüllen können.
Und dann, das alte Lied: Die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern sind nach wie vor eklatant, die Renten von Frauen entsprechend geringer. Dass Frauen wegen der Familienarbeit mehr Teilzeit arbeiten, reicht nicht als Begründung. Schließlich haben Männer auch Familie. Berufe, in denen vorwiegend Frauen beschäftigt sind – in Schulen, Kitas, Pflegeheimen und Krankenhäusern – gehören zu den schlecht bezahlten, ganz unabhängig von der großen Verantwortung, die mit ihnen einhergeht. Dass sie systemrelevant sind, hat die Corona-Pandemie sehr deutlich vor Augen geführt. Wer hat’s entschieden? Eben.
Mehr Gleichberechtigung, wo kämen wir da hin?
International stehen die Belange von Frauen in der Regel hinten an, an der Lösung von Kriegen und Konflikten werden sie nicht beteiligt.
Statt diese Chancen zu erkennen, gibt es eine Gegenbewegung, die sich mit großer Energie an Begriffen abarbeitet. Feminismus wird als Modeerscheinung und Betroffenheitsgequatsche abgetan, das Stichwort „Gender“ taugt als Schenkelklopfer-Trigger. Oberflächlichkeit und denkfaule Krawalligkeit ersetzen da inhaltliche Stringenz nach dem Motto: mehr Gleichberechtigung, wo kämen wir da hin? Ja, wo kämen wir da hin?
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Zum Beispiel dahin, dass der Internationale Frauentag ein Internationaler Menschentag werden könnte, weil nicht immer wieder daran erinnert werden müsste, dass die Welt nicht den Männern gehört.