Berlin. Die von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplante Krankenhausreform soll die gesetzlichen Krankenkassen in den kommenden zehn Jahren um mehr als 50 Milliarden Euro entlasten. Das geht aus dem Gesetzentwurf des Gesundheitsministeriums hervor, der dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.

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Durch mehr Spezialisierung sowie den Abbau von Betten beziehungsweise die Schließung von Standorten geht Lauterbach 2026 zunächst von Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro aus. Diese Summe soll dann jährlich anwachsen, wobei bis 2035 laut Entwurf insgesamt 55 Milliarden Euro erreicht werden. Allerdings müssen erhebliche Kosten dagegen gerechnet werden. So plant Lauterbach für den Umbau der Kliniklandschaft einen Transformationsfonds, für den Kassen und Länder bis 2035 jeweils 25 Milliarden Euro bereitstellen sollen. Zudem bekommen die Kliniken mehr Geld für ihr Personal, was ebenfalls die Kassen belastet. Weitere Beitragsanhebungen nach Inkrafttreten der Reform sind daher wahrscheinlich.

Wirtschaftlicher Druck auf Kliniken soll sinken

Kernpunkt der Reform ist, dass die Kliniken nicht mehr ausschließlich pro Behandlung bezahlt werden, sondern bereits für das Vorhalten der nötigen Kapazitäten Pauschalen bekommen. Das soll den ökonomischen Druck auf die Kliniken senken. Hintergrund: Derzeit ist gut ein Drittel der Krankenhausbetten nicht belegt. Das versuchen die Kliniken, durch möglichst viele und teure Operationen auszugleichen. Das war aus Sicht der Krankenhäuser finanziell jahrelang erfolgreich – hat aber dazu geführt, dass in Deutschland im internationalen Vergleich deutlich zu viel operiert wird. Inzwischen funktioniert diese Ausweichreaktion jedoch nicht mehr, da die Zahl der Patientinnen und Patienten nach der Corona-Pandemie weiter zurückgegangen ist und immer mehr Betten leer stehen.

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Zur Verbesserung der Qualität werden 65 Leistungsgruppen gebildet, für die bundesweit einheitliche Vorgaben hinsichtlich der technischen Ausstattung und des Personals gemacht werden. Außerdem wird eine Mindestzahl von Eingriffen vorgeschrieben, damit die notwendige Erfahrung gewährleistet wird. Werden diese Vorgaben nicht erfüllt, darf eine Klinik die Behandlung beziehungsweise den Eingriff nicht mehr anbieten. „Durch eine Konzentration von Leistungen in spezialisierten Kliniken und eine dadurch gesteigerte Behandlungsqualität könnten viele Lebensjahre gerettet und Todesfälle sowie unnötige Revisionsoperationen vermieden werden“, heißt es im Gesetzentwurf.

Maximal 30 Minuten bis zu nächster Klinik mit Chirurgie

Auf dem Land sind Ausnahmen vorgesehen, um eine medizinische Versorgung sicherzustellen: Gesetzlich wird festgelegt, dass eine Klinik mit einer Chirurgie beziehungsweise einer Abteilung für innere Medizin mit dem Auto innerhalb von 30 Minuten erreichbar sein muss. Für alle anderen Abteilungen gilt eine Zeitspanne von 40 Minuten. Zudem sollen Klinikstandorte auf dem Land möglichst nicht geschlossen, sondern in medizinische Versorgungszentren umgewandelt werden, in denen nur kleinere Eingriffe vorgenommen werden und ansonsten die Pflege im Vordergrund steht.

Die Reform ist bei den Ländern heftig umstritten. Sie betrachten viele Vorhaben als Eingriff in ihre Hoheit bei der Krankenhausplanung. Allerdings hat Lauterbach das Gesetz entgegen früherer Zusagen so aufgebaut, dass es im Bundesrat nicht mehr zustimmungspflichtig ist. Jedoch funktioniert die Reform nur mit weiteren Verordnungen, für die dann doch wieder die Zustimmung der Länder nötig ist. Deshalb ist unklar, ob die Reform tatsächlich wie von Lauterbach gedacht umgesetzt wird.

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„Kalter Strukturwandel wird nicht aufgehalten“

Scharfe Kritik an den Gesetzesplänen übte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). Die Reform bedeute keine akute Hilfe für die Krankenhäuser, sagte DKG-Chef Gerald Gaß dem RND. „Die Zusage des Ministers, ein Krankenhaussterben 2024 durch diese Reform zu verhindern, wird so nicht erfüllt“, beklagte er. Zwar solle die Berücksichtigung der Tarifsteigerungen bei der Honorierung den Kliniken laut Gesetzentwurf jährlich einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag bringen. „Wer das in Relationen stellt zu den 500 Millionen Euro, die die Kliniken jeden Monat durch die inflationsbedingten Kostensteigerungen an Minus machen, sieht, dass diese Regelung nicht hilft“, so Gaß. „Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Verbesserungen bei den Erlösen werden den kalten Strukturwandel kurzfristig nicht aufhalten und bedeuten auch mittelfristig keine Existenzgarantie für kleine Krankenhäuser in der Fläche“, kritisierte er.

Gaß stellte zudem die von Lauterbach geplanten Vorgaben zur Erreichbarkeit von Kliniken in ländlichen Regionen in Frage. „Die 40 Minuten-Fristen für alle Leistungsgruppen außer Innere Medizin und Chirurgie lassen Sorge entstehen, ob die Versorgung im ländlichen Raum weiterhin gleichwertig sein wird“, betonte er. Schließlich seien derartige Fristen bei entsprechenden Länder-Regelungen in der Regel kürzer, beklagte er. Kritik übte der DKG-Chef auch an der Finanzierung der Reform den Transformationsfonds. „Es ist schon besonders, dass ein sozialdemokratischer Minister die privaten Krankenversicherten bei diesem Transformationsprozess komplett außen vorlässt und sich in der Sozialkasse bedient“, so Gaß. Er bemängelte zudem die geplante Vorgabe einer Mindestzahl von Eingriffen. „Mindestfallzahlen, die sich nicht durch wissenschaftliche Studien mit Blick auf Patientensicherheit oder Qualität begründen lassen, sind juristisch nicht haltbar“, so der Verbandschef.



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