Straubing/Berlin – Weltreise. Allein bei diesem Wort pochen die Herzen von Fernwehgeplagten wohl schneller. Fremde Länder. Freiheit. Abenteuer. Rund um die Uhr. So malt man es sich aus. Für Alessa Kiendl (25) aus Straubing, die mittlerweile in Berlin lebt, und ihren Partner Valentin Ullrich (29) ist dieser Traum Realität geworden. Seit nunmehr sieben Monaten reisen sie um die Welt. Brasilien, Peru, Mexiko, Hawaii, Australien, Singapur. Unter anderem.

Über 17.000 Fotos und mehr als 9000 Videos haben sie seit Tag 1 geknipst und gedreht. Von Wasserfällen, endlosen Stränden, Sehenswürdigkeiten wie der Ruinenstadt Machu Picchu oder der Space Needle in Seattle bis hin zum höchstgelegenen See der Welt: dem Titicacasee in den Anden. Kurz: So viele Eindrücke, wie sie in keinen Reisekatalog passen. Und schon gar nicht in ein Fotoalbum.

Lemukih Waterfalls in Bali.
Lemukih Waterfalls in Bali.
© Alessa Kiendl
Lemukih Waterfalls in Bali.

von Alessa Kiendl

“}”>

Vier Monate werden die beiden Immobilienkaufleute noch durch die Welt tingeln. Sie lernten sich in der Ausbildung in Berlin kennen. Ihre Reise-Pläne verzögerten sich durch die Pandemie, knapp fünf Jahre sparten sie letztlich darauf hin – rund 20.000 Euro pro Person. Dann der große Schritt: Job gekündigt. Ihre erste Station im vergangenen Jahr: quer durch Südamerika.

Die 25-Jährige ist sich bewusst, dass die rund einjährige Reise ein “extremes Privileg” ist, für das sie sehr dankbar sind. Auf Bildern strahlt das Paar, posiert für Selfies, busselt. Vor traumhaften Kulissen.

Frau aus Bayern geht auf einjährige Weltreise: “Man hat nie wirklich ein Zuhause”

Die Weltenbummler zeigen sich aber auch dann ehrlich, wenn es dazwischen mal nicht so rosig läuft. Auf einer Weltreise schwanken die Gefühlslagen durchaus – das thematisieren und reflektieren sie offen.

Wie also fühlt es sich neben vielen Wow-Momenten voller Glück auch an, auf Weltreise zu sein? Als die AZ Alessa Kiendl erreicht, sind die beiden tags zuvor von Singapur nach Kuala Lumpur in Malaysia gereist. Bei ihnen ist es 18 Uhr, sieben Stunden Zeitverschiebung zur Heimat. Dieses Mal wollen sie fünf Nächte in einer Unterkunft bleiben. Bisher sind so “lange” Aufenthalte die Ausnahme gewesen. Viele Wechsel, nicht nur zwischen Unterkünften, sondern Ländern und Kontinenten. Ihr Reise-Tempo beschreibt sie selbst als schnell.

Kiendl sagt zur AZ: “Das ist auch anstrengend. Man hat nie wirklich ein Zuhause, man muss sich immer neu in die Kulturen einfinden, sich neu zurechtfinden.” Dazu immer wieder aufs Neue: planen, buchen, organisieren. “Wenn man sich vorstellt: Es gibt ein Jahr lang nur vereinzelt Tage, an denen man nicht den Fuß vor die Tür setzt und ansonsten hat man immer neue Eindrücke – oder es ist ein Reisetag.” Am Tag zuvor seien sie etwa zehn Stunden am Stück unterwegs gewesen. Dann komme man am nächsten Ziel an und müsse für sich klären: Wie wird man die nächsten Tage gestalten? Was gibt es zu sehen? Wie kommt man dorthin? Ein neuer, anderer Alltag. “Das ist kein Urlaub.”

Daheim dreht sich die Welt derweil weiter, manches Mal ploppt der ein oder andere Gedanke auf, was man Tausende Kilometer entfernt vielleicht gerade versäumt. Etwa das Gäubodenvolksfest in Straubing, wie sie sagt. Aber auch Tage, an denen man krank in fremden Betten liegt, können nagen.

Australien, Twelve Apostles: So werden die Kalkstein-Felsen genannt.
Australien, Twelve Apostles: So werden die Kalkstein-Felsen genannt.
© Alessa Kiendl
Australien, Twelve Apostles: So werden die Kalkstein-Felsen genannt.

von Alessa Kiendl

“}”>

Alessa Kiendl: “Der Körper und der Geist müssen auch mitkommen”

Zuletzt offenbarte sie in einer Story: Nach etwa einem halben Jahr habe sie beide in Asien ein Tief erwischt. Sie waren “reisemüde”. “Das ist auch gepaart mit ein bisschen Heimweh”, beschreibt es die 25-Jährige. Man sehne sich nach dem Gewohnten, nach Routinen. Sogar Gedanken an ein frühzeitiges Ende huschten durch ihre Köpfe – einer wollte bleiben, einer heim. Für den anderen durchziehen, obwohl man gerade nicht mehr kann? Das wollte Kiendl nicht verlangen. “Man macht die Reise zwar zusammen, aber man sollte nicht vergessen, sie auch für sich selbst zu machen.”

Also was tun in so einer Reise-Krise? Sie haben viel miteinander gesprochen, Optionen ausgelotet, sich Zeit eingeräumt. Ihre Erfahrung: Nach einem Tief kommt auch wieder ein Hoch. Die jetzige Entscheidung: Sie wollen weiterreisen.

Was ihnen jetzt vor allem in Asien wichtig ist: verschnaufen. “Der Körper und der Geist müssen auch mitkommen. Allein deshalb muss man sich ab und zu Zeit geben, um wieder runterzukommen.” Das klingt einfach, Kiendl aber erklärt: “Dann ist man an den ganzen Orten mit so vielen Möglichkeiten.”

Gerade zu Beginn der Reise wolle man möglichst viel erleben und mitnehmen. Mittlerweile machten sie Abstriche, müssten nicht mehr jeden Tempel, jeden Wasserfall, jede Insel besichtigen.

Asien wirkt auf Alessa Kiendl überlaufen

Aus jetziger Sicht würde sie anderen eine Reise von zwei bis drei Monaten empfehlen, um ein bis zwei Länder zu erkunden. Und beim Wechsel zwischen zwei so unterschiedlichen Kulturen wie Südamerika und Asien würde die Niederbayerin mehr Zeit einplanen. “Südamerika hat uns richtig geflasht. Asien ist ein Kontrast dazu, es ist ganz anders.”

Sternenmeer über der größten Salzwüste der Welt: Uyuni in Bolivien an der Grenze zu Chile.
Sternenmeer über der größten Salzwüste der Welt: Uyuni in Bolivien an der Grenze zu Chile.
© Alessa Kiendl
Sternenmeer über der größten Salzwüste der Welt: Uyuni in Bolivien an der Grenze zu Chile.

von Alessa Kiendl

“}”>

Was ihr dort im Vergleich auffällt: Es ist überlaufener und viele knipsten lediglich Fotos – um danach sofort weiterzuziehen. Die Atmosphäre genießen? Zweitrangig. “Jeder will eigentlich das gleiche Foto haben”, hat sie beobachtet. Nämlich solche, die man von Instagram kennt.

Dabei sagt Kiendl: “Social Media zeigt oft nur die eine Seite.” Nicht immer entspricht das der Realität vor Ort. Und die Online-Welt könne auch das Bild von Langzeitreisen verzerren: “Dass man 365 Tage unterwegs ist und nur die krassesten Highlights erlebt – das ist natürlich nicht so. Es ist immer wieder eine Herausforderung.”

Was sie gelernt hat: sich nicht immer vergleichen

Nun teilt die 25-Jährige selbst viele Eindrücke im Netz – warum? Für sie sei Filmen und Fotografieren schon von klein auf eine Leidenschaft und die Beiträge wie eine Art Tagebuch. Neben Bildern packt sie Infos und Erfahrungen dazu. Auch für sich selbst als Erinnerung. Sie lege das Handy durchaus auch weg. Und genieße das Hier und Jetzt.

Über sich selbst hat sie gelernt, sich nicht ständig zu vergleichen oder die Reise mit anderen zu messen. Man müsse nicht der besten Unterkunft, dem besten Foto, dem besten Essen hinterherjagen. “Jede Reise ist anders.” Und ein Ort bleibt trotz der längsten Reise immer besonders: daheim.


Instagram: more_explore_
Podcast bei Spotify: more_explore_ Unser Weltreisepodcast





Source link www.abendzeitung-muenchen.de