1999 stürzte die Affäre um illegale Spendengelder den damaligen
Bundeskanzler Helmut Kohl und seine CDU-Partei in eine schwere Krise. Ein System von schwarzen Kassen und Auslandskonten war ans Licht gekommen. Kohl selbst
gestand ein, in den 1990er Jahren etwa zwei Millionen D-Mark für die Partei
entgegengenommen zu haben, ohne diese als Spende auszuweisen. Die Namen der
Geldgeber hat er nie preisgegeben. Woher das Geld stammte, ist bis heute
ungeklärt.

Der im Dezember gestorbenen Politiker Wolfgang Schäuble
berichtet in seinen posthum veröffentlichten Memoiren nun von einer “schwarzen
Kasse”, die es auch bei der Unionsfraktion gegeben haben soll. Schäuble war von 1981 bis 1984 Parlamentarischer
Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die Darstellungen Schäubles
lassen sich kaum überprüfen – wichtige handelnde Akteure wie etwa Kohl leben
nicht mehr.

Ihm sei erst im Nachhinein klar geworden, “dass auch eine
Fraktionskasse, die ich als Parlamentarischer Geschäftsführer mit zu verwalten
hatte, Teil des umfassenden Systems schwarzer Kassen war”, heißt es in den Memoiren
von Schäuble. “Kohl schien das Konto in seiner Zeit als Fraktionsvorsitzender
angelegt zu haben, als Reserve außerhalb der Parteifinanzen im Adenauer-Haus,
und wollte vermeiden, dass allzu viele Leute von dessen Existenz erfuhren”. Schäuble
fügte hinzu: “Die Attraktivität dieser “Geldaufbewahrung” ergab sich aus dem
einfachen Umstand, dass der Bundesrechnungshof damals die Fraktionsfinanzierung
noch nicht überprüfte.” Diese Lücke habe Kohl genutzt und halb scherzhaft von
seiner “Kriegskasse” gesprochen. 

Die Staatsbürgerliche Vereinigung

Nach seiner Erinnerung habe das von der Fraktion geführte
entsprechende Konto bei der Dresdner Bank damals einen Betrag von sechs bis
sieben Millionen Mark enthalten, erinnerte sich Schäuble. “Die offizielle
Begründung, der Betrag habe sich aus Beiträgen der Fraktionsmitglieder über die
Jahre angehäuft, konnte auch den Gutgläubigsten nicht überzeugen”, schrieb
Schäuble. Er vermute, dass das Geld “noch aus den Quellen der
Staatsbürgerlichen Vereinigung stammte”. Dabei handelte es sich um einen
Verein, den in den 1960er und 1970er Jahren besonders die Unionsparteien und
die FDP nutzen, um Parteispenden zu verschleiern.   

Kohl habe bei Geldbedarf den Generalbevollmächtigten der
Schatzmeisterei der CDU-Zentrale vorbeigeschickt, schrieb Schäuble. Dieser habe
ihm die notwendigen Auszahlungsunterlagen vorgelegt, “die ich dann nur
unterschreiben musste”.

Erst viel später sei ihm “aufgegangen, welche besondere
Rolle das besagte Konto im Rahmen der Spendenaffäre gespielt haben könnte”,
schrieb Schäuble. “Nachdem das Geld im Laufe der Jahre zusammengeschmolzen war,
blieb für die Ausgaben, die Kohl in den neunziger Jahren tätigte, ohne deren
Herkunft angeben zu können, ungefähr jener Betrag übrig – etwa drei Millionen
DM –, den er als anonyme Spendengelder deklarierte.” Kohl habe insofern “nach
der Angeklagtenlogik” agiert, “nur das öffentlich zuzugeben, was eben
nachgewiesen war. Dies wusste ich, weil dieser Posten nach meiner Wahl zum
Fraktionsvorsitzenden 1991 immer noch existierte.”

“Ich habe nie nachgefragt”

Schäuble räumte Fehler im Umgang mit den Vorgängen ein.
“Damals schob ich diese Dinge von mir weg. Wozu das Geld verwendet wurde, blieb
mir verborgen. Mehr wusste ich nicht und wollte es auch nicht wissen”, schrieb
er in seinen Memoiren. “Ich habe nie nachgefragt, denn es war klar, dass es
sich hier um die Verfügungsmasse des Parteivorsitzenden handelte.” Er ergänzte:
“Diese (wenn auch passive) Mitwisserschaft, die dazu hätte führen können,
kritischer zu sein, Fragen zu stellen oder die nominelle Verantwortung für
diese Vorgänge abzulehnen, machte mich selbstredend zu einem Teil des Systems
Kohl.” Er sei “nicht stolz darauf, und ich hätte damals sorgfältiger und
strenger sein müssen.”

Schäuble trat im Februar 2000 als CDU-Chef und Vorsitzender
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zurück, nachdem er eingeräumt hatte, eine 100
000-Mark-Spende des Waffenhändlers Karlheinz Schreiber angenommen zu haben. Angela
Merkel wurde Parteichefin, 2005 machte sie als Kanzlerin Schäuble zum
Innenminister, vier Jahre darauf zum Finanzminister. Dieses Amt hatte Schäuble
zwei Wahlperioden inne.



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