München – Kiffen ist nicht so harmlos, wie viele Cannabiskonsumenten glauben. Es kann Antriebslosigkeit und depressive Verstimmungen verursachen. Und sogar psychische Störungen auslösen – bis hin zur Schizophrenie. Die Zahl der Psychosen im Zusammenhang mit Cannabis jedenfalls steigt. 609 Fälle sind laut einem Sprecher des Gesundheitsministeriums 2022 bayernweit stationär behandelt worden (zehn Mal mehr als 2008). Dazu kamen 2306 ambulante Behandlungsfälle. Wie groß ist das Risiko gerade für Kinder und Jugendliche? Und was bedeutet eine Cannabispsychose für den Rest des Lebens? Die AZ hat den Kinder- und Jugendpsychiater Gerd Schulte-Körne (63) gefragt. Er ist seit 2006 Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie am LMU-Klinikum München an der Nußbaumstraße.

Gerd Schulte-Körne ist der Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie am LMU-Klinikum

AZ: Herr Professor Schulte-Körne, die Forschung ist nicht einig darüber, ob Cannabiskonsum Psychosen verursacht – oder psychotische Störungen triggert, die schon vorher im Körper angelegt sind. Wie sehen Sie das?
PROF. GERD SCHULTE-KÖRNE: Cannabis löst psychotische Symptome aus, aber nicht bei jedem. Und es ist nicht immer eine Psychose, es können auch ausgeprägte Ängste sein.

Münchner Jugendpsychiater: “Desto gefährdeter sind sie”

Wer ist besonders gefährdet, durch Kiffen an einer Psychose zu erkranken?
Zum einen sind das Kinder und Jugendliche, bei denen es bereits Psychosen wie eine Schizophrenie in der Familie gibt. Je jünger sie sind, wenn sie mit dem Kiffen beginnen, je regelmäßiger sie das tun und je höher der THC-Gehalt des Cannabis ist, das sie konsumieren, desto gefährdeter sind sie. Eine zweite Risikogruppe sind Jugendliche, die schon Depressionen haben und die kiffen, um ihre Stimmung zu verbessern.

Warum ist gerade für Jugendliche das Risiko so groß?
Vermutlich liegt es daran, dass das Gehirn sich noch in einer Entwicklung befindet, vor allem in den Regionen, die für die Verhaltenssteuerung, die Gefühlsregulation von Angst und Aggression, die Aufrechterhaltung von Aufmerksamkeit und das Gedächtnis zuständig sind. Der Wirkstoff im Cannabis führt zu einer veränderten Signalübertragung.

Kiffen verursacht Herzrasen, Augenrötungen, der Blutdruck steigt. Es wächst ein Gefühl von Leichtigkeit und positiver Stimmung. Es kann aber auch negative Beeinträchtigungen bringen: andauernde Antriebslosigkeit bis hin zu Angststörungen und Halluzinationen.
Kiffen verursacht Herzrasen, Augenrötungen, der Blutdruck steigt. Es wächst ein Gefühl von Leichtigkeit und positiver Stimmung. Es kann aber auch negative Beeinträchtigungen bringen: andauernde Antriebslosigkeit bis hin zu Angststörungen und Halluzinationen.
© imago
Kiffen verursacht Herzrasen, Augenrötungen, der Blutdruck steigt. Es wächst ein Gefühl von Leichtigkeit und positiver Stimmung. Es kann aber auch negative Beeinträchtigungen bringen: andauernde Antriebslosigkeit bis hin zu Angststörungen und Halluzinationen.

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Sie sind kein Fan der Cannabis-Legalisierung?
Aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht ist die Legalisierung mit vielen Risiken für Kinder und Jugendliche verbunden. Das betrifft die Verfügbarkeit von Cannabis, die voraussichtlich in den Familien und insgesamt zunimmt. Das kann zu einem deutlichen Anstieg des Cannabiskonsums auch bei Kindern und Jugendlichen führen, die die schädliche Wirkung nicht kennen oder unterschätzen. Mit der Legalisierung kann auch der Eindruck entstehen, dass Cannabiskonsum harmlos sei, was für Kinder und Jugendliche eindeutig abgelehnt werden muss.

Kiffen verursacht Herzrasen, Augenrötungen, der Blutdruck steigt. Es wächst ein Gefühl von Leichtigkeit und positiver Stimmung. Es kann aber auch negative Beeinträchtigungen bringen: andauernde Antriebslosigkeit bis hin zu Angststörungen und Halluzinationen.
Kiffen verursacht Herzrasen, Augenrötungen, der Blutdruck steigt. Es wächst ein Gefühl von Leichtigkeit und positiver Stimmung. Es kann aber auch negative Beeinträchtigungen bringen: andauernde Antriebslosigkeit bis hin zu Angststörungen und Halluzinationen.
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Kiffen verursacht Herzrasen, Augenrötungen, der Blutdruck steigt. Es wächst ein Gefühl von Leichtigkeit und positiver Stimmung. Es kann aber auch negative Beeinträchtigungen bringen: andauernde Antriebslosigkeit bis hin zu Angststörungen und Halluzinationen.

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Besuch in Notfallambulanz nach Cannabis-Konsum

Mit welchen Symptomen kommen Jugendliche zu Ihnen in die Notfallambulanz?
Sie kommen – mit Eltern oder Freunden – nach einem Ereignis akuter Verwirrtheit. Sie beschreiben, dass ihr Körper ihnen fremd ist. Dass sie sich beobachtet oder fremdgesteuert fühlen. Manchmal haben sie Halluzinationen, nehmen Personen verändert wahr, erkennen sie nicht. Oder sehen Menschen, die gar nicht da sind. Für Eltern ist es eine massive Beunruhigung, ihr Kind so verändert zu erleben.

Wahrnehmungsstörungen kehren zurück

Wie lange kann so eine Episode dauern?
Das kann eine halbe Stunde nach dem Kiffen anfangen und einige Tage dauern. Oft lassen die Wahrnehmungsstörungen etwas nach, kehren aber nach einigen Wochen zurück. Immer dann, wenn der Jugendliche Stress ausgesetzt ist. Ein Stressfaktor ist übrigens auch wenig Schlaf, und Alkoholkonsum sollte unbedingt vermieden werden.

Die Verwirrtheit kann zurückkommen, auch wenn nicht gekifft wird?
Ja, das Gehirn ist einer labilen Situation. Diese Inbalance kann anhalten. Wer weiter kifft, vergrößert das Risiko für weitere psychotische Symptome.

Können Cannabis-Psychosen auch noch Jahre nach dem ersten Konsum auftreten?
Wenn weiter konsumiert wird, ja.

Wie helfen Sie in der Notfallambulanz?
Als erstes versuchen wir, der Ursache auf den Grund zu gehen. Wahrnehmungsstörungen können ja durch vieles ausgelöst werden. Wenn das einmalig aufgetreten ist, mit nur leichten Symptomen, kann eine ambulante Behandlung ausreichen. Allerdings über längere Zeit, weil die Symptome über ein Jahr bestehen bleiben können. Wichtig ist, dass die Jugendlichen absolute Abstinenz von allen legalen und illegalen Drogen einhalten. Und dass Familie und Freunde psychosozial unterstützen.

Stationäre Aufnahme bei schweren Symptomen

Und bei schweren Symptomen?
Wenn wir eine akute Cannabis-induzierte Psychose diagnostizieren, mit anhaltender Wahrnehmungsstörung und Desorientiertheit, bleibt der oder die Jugendliche stationär bei uns. Wir arbeiten dann mit Antipsychotika, damit die Orientierung zurück kommt und der junge Mensch ruhiger wird. Und wir begleiten psychotherapeutisch.

Was sind die Folgen für den Rest des Lebens?
Das hängt von der Regelmäßigkeit des Cannabiskonsums ab, vom THC-Gehalt und davon, wie groß die psychische Abhängigkeit von der Droge ist. Letzteres bedeutet, dass die Jugendlichen das Verlangen haben, Cannabis zu konsumieren, obwohl sie wissen, dass es für sie schädlich ist.

Wie sind die Heilungschancen bei einer durch Cannabis ausgelösten Psychose?
Wenn der oder die Betroffene abstinent bleibt, sind die Chancen groß, dass keine weiteren Episoden auftreten und man ein normales Leben führen kann.

Gibt es einen Fall, der Sie besonders berührt hat?
Ja, da ging es nicht um eine Psychose, aber es ist ein tragischer Fall. Ein sehr begabter Jugendlicher aus einem gut situierten, intakten Umfeld – sein chronischer Cannabiskonsum hat zu einem ausgeprägten amotivalen Syndrom geführt. Einer Antriebslosigkeit, vergleichbar mit einer schweren Depression. Obwohl er viel Unterstützung bekommen hat, hat es Jahre gedauert, bis er in der Lage war, seinen Tag zu strukturieren und ein normales Leben zu leben.

In Deutschland gibt jeder Zehnte im Alter von 18 bis 59 Jahren an, in den letzten zwölf Monaten gekifft zu haben. Das sind doppelt so viele wie 2012.
In Deutschland gibt jeder Zehnte im Alter von 18 bis 59 Jahren an, in den letzten zwölf Monaten gekifft zu haben. Das sind doppelt so viele wie 2012.
© imago
In Deutschland gibt jeder Zehnte im Alter von 18 bis 59 Jahren an, in den letzten zwölf Monaten gekifft zu haben. Das sind doppelt so viele wie 2012.

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Welchen Rat geben Sie Kindern und Jugendlichen, die Kiffen nur mal ausprobieren wollen?
Cannabis löst keine Probleme, und um gute Stimmung oder Entspannung zu bekommen gibt es viele Möglichkeiten, dazu braucht man kein Cannabis. Mal probieren – auch wenn andere erzählen, dass überhaupt nichts Schlimmes passiert ist und es einfach nur cool war – kann für jeden einzelnen anders ausgehen. Daher: besser gar nicht erst ausprobieren.

Was, wenn Jugendlichen der Konsum von Freunden Sorgen macht?
Wenn Freunde plötzlich verändert sind nach dem Kiffen, wenn sie verwirrt sind, helft ihnen. Lasst sie nicht allein. Informiert die Eltern oder den Notarzt.


AZ-Info: Immer mehr Kiffer brauchen Hilfe
Nicht nur die Zahl der Kiffer in Deutschland steigt seit Jahren, es sind auch immer mehr von ihnen auf Hilfe angewiesen. Laut dem neuen “Jahrbuch Sucht” der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) gab 2021 jeder Zehnte der 18- bis 59-Jährigen an, im letzten Jahr gekifft zu haben. Das sind doppelt so viele wie 2012. Männer kiffen etwas häufiger als Frauen und stufen das öfter als problematisch ein – sie haben also öfter Schwierigkeiten, den Cannabiskonsum zu kontrollieren oder spüren Folgen für ihre Psyche und ihre Lebensumstände. Entsprechend wächst der Andrang bei Suchthilfestellen in Deutschland. Über 25.000 Kiffer pro Jahr suchen durchschnittlich ambulant Hilfe (2001 waren es nur 3700 gewesen). Stationär behandelt werden heute zehn Mal so viele Kiffer wie noch zur Jahrtausendwende.





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