München – Martin Schöning ist Steuerberater und Verteidiger in Steuerstrafverfahren mit eigener Kanzlei in Köln. Auf Tiktok gibt er als “Steuerpapst” Steuertipps. In der AZ erklärt er den richtigen Umgang mit dem Finanzamt.

AZ: Herr Schöning, in welchen Lebensbereichen wird das meiste Geld “liegengelassen”, sprich, wo können die Menschen am meisten dazugewinnen?
MARTIN SCHÖNING: Nach 28 Jahren Erfahrung kann ich sagen: Das sind die haushaltsnahen Dienstleistungen und Nebenkostenabrechnungen. Das wird häufig vergessen. Der Mieter kriegt in der Regel die Nebenkostenabrechnung – aber in der Praxis wird oft pauschal abgerechnet oder der Mieter verlegt sie. In diesen Kosten sind etwa Hausmeister oder Winterdienst enthalten. Posten werden oft gar nicht einzeln ausgewiesen oder nicht in richtiger Höhe. Ganz wichtig: Diese Posten müssen unbar bezahlt werden, damit sie abgesetzt werden können, also mit Kredit- oder EC-Karte.

Wo werden in der Steuererklärung besonders viele Fehler gemacht?
Ein Beispiel: das Arbeitszimmer. Das muss den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit bilden und darf nicht lediglich eine Arbeitsecke sein. In der Praxis geben aber viele Menschen etwas als Arbeitszimmer an, was im Sinne des Finanzamtes keines ist. Anders als bei der Homeoffice-Pauschale: Um die zu bekommen, können Sie auch am Küchentisch arbeiten.

“Das Arbeitszimmer ist eine strittige Angelegenheit”: Wie können Arbeitnehmer Steuern sparen?

Was muss denn eigentlich erfüllt sein, damit das Arbeitszimmer anerkannt wird?
Es muss ein abgeschlossener Raum sein, berufsbedingt funktional eingerichtet sein – also kein Schreibtisch, der im Schlafzimmer steht. Auch das Bügelbrett sollte nicht im Arbeitszimmer sein.

Martin Schöning ist Steuerberater und Verteidiger in Steuerstrafverfahren mit eigener Kanzlei in Köln. Auf Tiktok gibt er als "Steuerpapst" Steuertipps.
Martin Schöning ist Steuerberater und Verteidiger in Steuerstrafverfahren mit eigener Kanzlei in Köln. Auf Tiktok gibt er als “Steuerpapst” Steuertipps.
© Philipp Axounou
Martin Schöning ist Steuerberater und Verteidiger in Steuerstrafverfahren mit eigener Kanzlei in Köln. Auf Tiktok gibt er als “Steuerpapst” Steuertipps.

von Philipp Axounou

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Wie ist es mit Büchern? Vielleicht hat man im Arbeitszimmer noch Platz für die Rosamunde-Pilcher-Sammlung – darf man die da reinstellen?
Das kommt immer auf den Einzelfall an, aber das könnte problematisch werden. Man muss genau trennen. Das Zimmer könnte schließlich besichtigt werden. Das Arbeitszimmer ist schon lange eine strittige Angelegenheit.

Was sind die häufigsten Streitpunkte?
Dass ein lediglich abgetrennter Bereich als Arbeitszimmer benannt wird. Oder es steht ein Kleiderschrank drin. Es muss wirklich so sein wie im Büro. Da haben Sie ja auch kein Bügelbrett stehen. Ein Familienfoto ist dagegen nicht schlimm.

Wie lohnend sind Einsprüche gegen Bescheide vom Finanzamt?
Laut Statistik des Bundesfinanzministeriums vom September 2023 sind im Veranlagungszeitraum 2022 drei Millionen Einsprüche bei deutschen Finanzämtern eingegangen. Zwei Dritteln davon wurde abgeholfen, das heißt, der Einspruch wurde anerkannt – nicht immer zu 100 Prozent, es gibt auch Teilabhilfe. Aber in der Regel wurde nicht abgewiesen.

Ärger mit dem Finanzamt: “Man muss den Einspruch auch begründen können”

Das heißt, man sollte einfach mal ruhig Einspruch einlegen?
Er ist zumindest zulässig und kostenlos und der Bescheid wird nicht bestandskräftig und bleibt sozusagen offen. Aber man muss den Einspruch auch begründen können. Sofern man nicht beispielsweise fehlende Tatsachen wie etwa einen Beleg nachreicht, wird sonst der Einspruch abgewiesen.

Braucht man für den Einspruch Hilfe oder schafft man das auch allein?
Das geht auch ohne Hilfe – etwa über Elster, per Mail, per Post, sogar “zur Niederschrift an Amtsstelle” – man kann auch persönlich beim Amt erscheinen. Das machen aber die wenigsten.

Martin Schöning: "Gib mir mein Geld zurück! Weniger Steuern zahlen und viel Geld sparen". Goldegg, 220 S., 19 Euro
Martin Schöning: “Gib mir mein Geld zurück! Weniger Steuern zahlen und viel Geld sparen”. Goldegg, 220 S., 19 Euro
© Goldegg
Martin Schöning: “Gib mir mein Geld zurück! Weniger Steuern zahlen und viel Geld sparen”. Goldegg, 220 S., 19 Euro

von Goldegg

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Kann ein Einspruch auch Nachteile haben?
Ja – der Bescheid kann sich nämlich auch verbösern. Das heißt, wenn der Finanzbeamte dann noch etwas anderes entdeckt, was er aus Versehen anerkannt hat, dann kann er den gesamten Bescheid verbösern. Daher mein Tipp: In einfachen Fällen kann man auch einen Antrag auf schlichte Änderung stellen.

Sie nennen einen Motivations-Flamingo und Büro-Yoga als Beispiele für möglicherweise absetzbare Werbungskosten. Wie weist man den Nutzen nach? Und sind das exotische Einzelfälle, oder winken Finanzämter mehr durch, als man denkt?
Wichtig ist immer, dass man den Beleg hat und den beruflichen Anlass klar darlegt, dass also die Anschaffung und die damit verbundenen Kosten ausschließlich beruflich veranlasst waren. Das kann nachgewiesen werden durch eine Arbeitgeberbescheinigung. Und wenn Sie das wirklich nur im Betrieb verwenden, vielleicht sogar noch Bilder haben oder Videos, können Sie nahezu alles absetzen, was einen beruflichen kausalen Zusammenhang hat. Auch Reisen bei Influencern oder ein Clowns-Kostüm für eine Kinderkrankenschwester. Wichtig: nicht untermogeln unter sonstige Kosten.

Steuerberater Martin Schöning: “Das haben viele Rentner nicht auf dem Schirm”

Sie geben in Ihrem Buch auch Tipps für Rentner. Ist das eine Gruppe, die oft vergessen wird und sich von selbst gar nicht so kümmern mag?
Vielen ist gar nicht so bewusst, dass jedes Jahr neue Rentner steuerpflichtig werden. Das liegt daran, dass die Rentenerhöhung zu 100 Prozent steuerpflichtig ist. Der Anteil der zu besteuernden Rente wird also jedes Jahr höher. Auch nächstes Jahr werden aufgrund der gerade angekündigten Rentenerhöhung zum 1. Juli wieder mehr Rentner abgabepflichtig, müssen also eine Steuererklärung abgeben. Das haben viele Rentner nicht auf dem Schirm. Wir haben bei Rentnern häufig Selbstanzeigefälle, bei denen sie rückwirkend Erklärungen abgeben. Das kann bei manchen, die etwa noch eine Witwen- oder Betriebsrente haben, dazu führen, dass sie bis zu 1000 oder 1200 Euro pro Jahr zahlen müssen.

Steuerratgeber sind gefragt – warum gibt es da offenbar so großen Bedarf?
Die Leute suchen immer nach dem Heiligen Gral, dem Super-Steuerspartipp. Den gibt es nicht. Wichtig ist die Dokumentation, dass etwas beruflich angeschafft wurde. Es gibt so viele Möglichkeiten zu sparen, da kann man allein gar nicht den Überblick behalten. Da ist ein Ratgeber eine kleine Hilfe. Das Steuerrecht ist schon komplex.


Martin Schöning: “Gib mir mein Geld zurück! Weniger Steuern zahlen und viel Geld sparen”. Goldegg, 220 S., 19 Euro





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