In den USA ist ein ehemaliger Boeing-Manager tot aufgefunden worden, der den Konzern wiederholt wegen angeblicher Sicherheitsprobleme öffentlich kritisiert hatte. Der 62-jährige John Barnett habe sich vor einem Hotel im Bundesstaat South Carolina vermutlich selbst getötet, teilte die Polizei in der Stadt Charleston mit und verwies auf “die weltweite Aufmerksamkeit”, die der Whistleblower erregt habe.

Barnett befand sich zum Zeitpunkt seines Todes in Charleston, um gegen Boeing als Zeuge auszusagen. Barnett war mehr als drei Jahrzehnte als Qualitätsmanager bei dem US-Flugzeugbauer tätig gewesen, bevor er das Unternehmen 2017 verließ. Seitdem teilte er seine Besorgnis über aus seiner Sicht mangelhafte Zustände in der Produktion der Boeing-Maschinen mit Journalisten.      

“Kultur des Verschweigens”

“John war zutiefst besorgt über die Sicherheit der Flugzeuge und der fliegenden Öffentlichkeit und hatte einige schwerwiegende Mängel identifiziert, die seiner Meinung nach nicht angemessen angegangen wurden”, sagte Barnetts Bruder Rodney. “Er sagte, dass Boeing eine Kultur des Verschweigens pflegte und den Profit über die Sicherheit stellte.”

Einem aktuellen Medienbericht zufolge ist Boeing bei umfangreichen Sicherheitsprüfungen der Maschinen vom Typ 737 Max bei mehr als einem Drittel der Tests durchgefallenErst in dieser Woche war eine Boeing 787 bei einem Flug von Sydney nach Auckland plötzlich abgesackt

Ende Januar hatte Barnett nach einer Notlandung wegen eines herausgerissenen Kabinenwandteils in einer Boeing 737 Max der US-Fluggesellschaft Alaska Airlines gegenüber dem US-Medium TMZ auf grundsätzliche Probleme bei Boeing verwiesen. “Im Laufe der Jahre hat sich die Qualität bei Boeing immer weiter verschlechtert”, sagte Barnett. “Das ist kein 737-Problem, sondern ein Boeing-Problem.” Boeing müsse “zu den Grundlagen zurückkehren”, sagte er. “Sie müssen zurück zum Einmaleins des Flugzeugbaus.” In einem Interview im Januar sagte Barnett der New York Times zufolge, er werde keinen Fuß mehr in ein Flugzeug setzen. “Es ist traurig. Es bricht mir das Herz. Ich liebe Boeing. Ich liebe das, wofür es einmal stand.”

Barnetts Anwälte fordern Ermittlungen

Boeing veröffentlichte nach Barnetts Tod ein aus einem einzigen Satz bestehendes Statement: “Wir sind traurig über den Tod von Herrn Barnett und unsere Gedanken sind bei seiner Familie und seinen Freunden.” 

Barnetts Anwälte forderten die Polizei auf, trotz der ersten Entscheidung der Gerichtsmedizin weiter zu ermitteln. “Er war in sehr guter Stimmung und freute sich wirklich darauf, diese Phase seines Lebens hinter sich zu lassen und weiterzuziehen”, sagten Brian Knowles und Robert Turkewitz laut Berichten von CBS News in einer gemeinsamen Erklärung. “Wir haben keine Anzeichen dafür gesehen, dass er sich das Leben nehmen würde. Keiner kann das glauben.” 

Die Produktionsqualität bei Boeing wird bereits seit Jahren infrage gestellt. Im Jahr 2019 hatte Barnett der New York Times von Qualitätsproblemen in der Boeing-Fabrik in South Carolina berichtet, wo der von Fluggesellschaften hauptsächlich für internationale Flüge eingesetzte 787-Jetliner montiert wird. Er habe Metallspäne in der Nähe von Kabeln für die Flugsteuerung gefunden. Barnett sagte damals, es hätte “katastrophale Folgen” haben können, wenn die scharfen Späne die Verkabelung beschädigt hätten. Nachdem er sich bei seinen Vorgesetzten beschwert habe, sei er in einen anderen Teil des Werks versetzt worden. Im selben Jahr sagte er dem Sender BBC, dass bis zu ein Viertel der Sauerstoffsysteme in 787-Maschinen möglicherweise nicht funktioniere, weil im Boeing-Werk fehlerhafte Teile verbaut würden. Boeing wies diese Behauptung zurück. 

Die 737-Serie ist ein Bestseller von Boeing. Doch nach dem Vorfall unterzog die Luftverkehrsaufsicht FAA die Produktion einer Überprüfung und forderte von Boeing einen Plan für Nachbesserungen. Während der Untersuchungen lieferte Boeing im Februar deutlich weniger Flugzeuge der wichtigen 737-Max-Familie aus. An die Airline-Kunden gingen 17 Maschinen, wie aus Zahlen des Unternehmens hervorgeht. Im Januar hatte Boeing noch 25 Max-Flugzeuge ausgeliefert und im November und Dezember jeweils mehr als 40.



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