„Aber wir haben auch ein großes Problem. Es fehlen in einigen Orten einfach Kandidaten. Menschen, die sich trauen, in die Kommunalpolitik zu gehen.“ Grund dafür ist aus Ramelows Sicht eine immer aggressivere Stimmung. „Die Gewalt und Enthemmtheit, die Politikern entgegenschlägt, wächst“, so Ramelow weiter. „Die Stimmung ist mancherorts so aggressiv geworden, dass sie von der Familie oder Freunden gesagt bekommen: Bitte kandidiere nicht als Landrat, Bürgermeister, was auch immer.“

Die digitale Welt spiele dabei „eine große Rolle“, so Ramelow. Er fordert gegen Hass im Netz strengere Gesetze: „Mehr Regulierung gegen Fakenews, unechte Bilder oder den Diebstahl des eigenen Namens wären hilfreich“, sagte er. Auch er werde immer wieder bedroht. So sei in der Coronazeit sein Privathaus abfotografiert worden. Ein AfD-Abgeordneter habe die Fotos dann online gestellt, „mit Infos zu meinem Sicherheitskonzept, zu meinem Tagesablauf, zu den für mich zuständigen Beamten“. Ramelow kritisiert: „Die AfD hatte mein gesamtes Schutzkonzept durchbrochen.“

Dem AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke habe er im Landtag die ausgedruckten Screenshots auf den Tisch gelegt und ihn gefragt: „Was halten Sie davon?“ Höcke habe nichts darauf gesagt: „Herr Höcke ist auf seine Art feige. Aber eine Stunde später waren die Bilder aus dem Netz gelöscht“, so Ramelow.

Wegen der Angriffe denke er mehr als früher darüber nach: „Wie nah lasse ich Menschen an mich ran? Wann bin ich in Sicherheit, wann brauche ich zusätzlichen Schutz? Das ist sehr anstrengend und gegen meine Natur“, sagte Ramelow t-online.

Ramelow würde für stabile Koalition auf Ministerpräsidenten-Amt verzichten

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) würde für eine stabile Regierungsbildung in Thüringen auf das Amt als Ministerpräsident verzichten. „Ich habe gezeigt, dass ich in Krisensituationen bereit bin, weit über meinen Schatten oder über den meiner Partei zu springen, eben weil es nicht um mich geht, sondern um demokratische Mehrheiten in unserem Land“, sagte Ramelow dem Nachrichtenportal t-online. Gefragt worden war er, ob er eine Koalition aus CDU, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und der Linken auch eingehen würde, wenn er nicht Ministerpräsident würde.

Ramelow hatte in den vergangenen Tagen für die bisher nicht praktizierte Dreier-Koalition als Option geworben. Seine jetzigen Koalitionspartner hatten darauf verstimmt reagiert. „Ich stehe natürlich für Rot-Rot-Grün, auch weil wir zusammen viel Gutes für Thüringen erreicht haben“, sagte er t-online. „Aber so wie jetzt als Minderheitsregierung weitermachen, will ich nicht. Und da zeigen die aktuellen Umfragen, was alles möglich sein könnte: Rechnerisch hätten wir Mehrheiten von 51 oder 52 Prozent für eine Regierungsbildung zwischen CDU, Linker und BSW.“





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