»Nach den Rechten schauen« wollten am Freitag die Besucher*innen des Antifatresens im autonomen Jugendzentrum »La Casa«. Dort gab es von der Jugendantifa Platte (JAP) einen Vortrag über die Aktivitäten und Strukturen der neofaschistischen Kleinstpartei »Der III. Weg« im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Der Blick nach rechts gehört hier zur klassischen Antifaarbeit, denn rechte Strukturen sind im Bezirk schon lange verankert und werden immer relevanter.
Der III. Weg gründete sich 2013 aus bestehenden rechten Vereinigungen heraus und dominiert seitdem immer mehr die rechte Szene in Hellersdorf. Diese Partei vertritt eine rassistische und queerfeindliche Ideologie, kritisiert zwar den Kapitalismus, will ihm aber mit dem Nationalsozialismus entgegentreten. Der III. Weg ist in Ortsgruppen organisiert. Intern gibt es sogenannte Kaderstrukturen, die wie Eliteeinheiten innerhalb der Ortsgruppen existieren. Die Kader agieren gezielt, um öffentlichen Raum einzunehmen und gegen politische Gegner*innen vorzugehen.
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In Berlin ist der III. Weg vor allem in den Bezirken Marzahn-Hellersdorf und Pankow wahrzunehmen. »Sie versuchen nicht, flächendeckend aktiv zu sein, sondern bestimmte Bezirke zu bespielen«, erklärt eine Person von der JAP, die Lola genannt werden möchte. Besonders Jugendliche gewinnt die Neonazi-Partei mit Kampfsporttrainings oder nächtlichen illegalen Plakatieraktionen, aber auch mit Aktivitäten wie Grillen oder Wandern. Die Parteibüros sind eine niederschwellige Anlaufstelle für das bürgerlich-rechte Spektrum, jedoch zielt die Partei nicht auf große parlamentarische Erfolge ab, wie Lola dem »nd« erklärt. Viel mehr liege ihr Fokus auf der Vereinnahmung des öffentlichen Raumes mit Veranstaltungen, Plakaten und Infoständen tun. Präsenz auf den Straßen zeige der III. Weg fast ausschließlich durch die Kader.
Für Berliner Antifaschist*innen ist der III. Weg ein zentraler Bezugspunkt ihrer Arbeit und umgekehrt geraten sie ins Visier der Neonazi-Partei. »Weil Antifaschist*innen momentan ihre größten Gegner*innen sind, ist das ihr Hauptfokus«, sagt Lola. So werden regelmäßig Teilnehmende von Demonstrationen und Veranstaltungen gefilmt oder einzelne Antifaschist*innen beispielsweise in der Nähe von Bahnhöfen überfallen, nachdem sie sich von ihrer Gruppe verabschiedet haben.
Ein Feindbild rechter Ideologien und damit auch des III. Weges sind queere Menschen. So kam es im vergangenen Jahr beim Umzug Marzahn-Pride zu einem Vorfall, bei dem zwei Kader des III. Weges versuchten, Teilnehmende und den Stand der Linken zu filmen. Antifaschist*innen, die diese beiden Kader idenzifizierten, konnten sie der Veranstaltung verweisen.
Aber auch im Alltag spielt die Queerfeindlichkeit eine Rolle: »Sichtbar queer zu sein, wird früher oder später zum Problem«, erklärt Lola. Im Zweifelsfall macht Lola lieber einen Bogen um Leute, von denen vermutlich eine Gefahr ausgeht.
Dabei muss es sich nicht um erkennbar Rechte handeln. »Es ist wichtig zu betonen, dass nicht nur Rechte das Problem sind, sondern auch die bürgerliche Akzeptanz für diese Ideologien«, sagt Lola. Deshalb sei Aufklärung so wichtig. Inzwischen entstehen immer mehr Projekte im Bezirk, die genau darauf abzielen. Ein Beispiel dafür ist der Verein Quarteera, der sich an russischsprachige queere Personen richtet und dieses Jahr den Marzahn-Pride am 15. Juni veranstaltet.
Sichtbarkeit ist besonders dann von Bedeutung, wenn es darum geht, aktiv Raum einzunehmen und einen Gegenpol zu den Faschist*innen zu bilden. Lola betont, dass es besonders effektiv sei, Probleme vor Ort anzusprechen und ihnen dort entgegenzuwirken – wie am 6. Juli, wenn die Antifaschist*innen ebenfalls unter dem Motto »Nach den Rechten schauen« im Ortsteil Kaulsdorf demonstrieren werden.
Genau hier müssen Menschen dafür sensibilisiert werden, dass es sich beim III. Weg um eine Neonazi-Partei handelt, deren Auftreten im Bezirk viel zu sehr toleriert werde. Es gehe nicht primär darum, parlamentarische Forderungen zu stellen, sondern gezielt auf das bürgerliche und vielleicht auch bürgerlich-rechte Spektrum einzuwirken, erläutert Lola. »Wer gegen Neonazis aktiv werden möchte, muss das da tun, wo sie aktiv sind.«
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