Treffen sich eine amerikanische, eine russische und eine chinesische Astronautin auf dem Mond. 15 Uhr ist vereinbart – und alle sind pünktlich. Doch als die Russin kommt, steht die Chinesin schon seit fünf Stunden sauer in einem Krater herum, und die Amerikanerin hat sich noch nicht einmal ihren Raumanzug angezogen. Denn obwohl sie alle auf dem Mond stehen, ticken ihre Uhren unterschiedlich.
Seitdem Menschen den Weltraum erkunden, gilt für Raumfahrer immer die Uhrzeit des Landes, von dem aus sie gestartet sind. Doch weil es auf dem Mond künftig geschäftig werden könnte, wird das zum Problem. Die USA, Europa, China, Südkorea, Indien, alle wollen auf den Mond. Von September 2026 an will die USA über ihr Artemis-Programm Menschen auf den Mond schicken, bis 2030 China, selbst Südkorea startete zuletzt eine eigene Sonde. Nach den bisherigen Gepflogenheiten bringt jeder seine eigene Uhrzeit mit auf den Mond. Missverständnisse oder Unfälle wären dann programmiert. Bereits im November 2022 forderte die europäische Weltraumagentur Esa: Der Mond brauche eine eigene Uhrzeit. Jetzt preschen die Amerikaner vor.
Doch die Sache ist kompliziert. Denn der Mond braucht nicht nur eine eigene Zeitzone, sondern eine eigene Uhr. Denn der Relativitätstheorie zufolge hängt die Zeit mit der Gravitation zusammen, und die Anziehungskraft des Mondes ist schwächer als die der Erde. Das bedeutet: Von der Erde aus gesehen vergeht die Zeit auf dem Mond schneller – laut der US-Behörde zur Regulierung von Wissenschaft und Technologie (OSTP) beträgt der Unterschied am Tag 58,7 Mikrosekunden. Das klingt nach nicht viel, doch bei Mondmissionen geht es um Präzision.
Nun soll es die Nasa richten, und die OSTP ist überzeugt, ein neuer Zeitstandard werde “allen Raumfahrtnationen zugutekommen”. Die Nasa will vorgehen wie auf der Erde: Hier wird die Zeit durch ein Netzwerk von Atomuhren definiert. Diese erfassen Veränderungen im Zustand von Atomen und errechnen einen Durchschnitt. So entsteht eine genaue Uhrzeit.
Eine Atomuhr würde auf dem Mond in einer eigenen Geschwindigkeit ticken
Nach diesem Vorbild könnten auf dem Mond ebenfalls Atomuhren platziert werden und eine koordinierte Mondzeit (Coordinated Lunar Time, LTC) errechnen. Dasselbe Modell würde auch auf anderen Himmelskörpern funktionieren. “Es ergibt Sinn, dass jeder Himmelskörper wie der Mond oder auch der Mars seinen eigenen Herzschlag bekommt”, sagte Kevin Coggins, Kommunikations- und Navigationsexperte der Nasa, dem Guardian. “Denn eine Atomuhr auf dem Mond wird mit einer anderen Geschwindigkeit ticken als eine Uhr auf der Erde.” Für die Kommunikation mit der Erde ließe sich diese Mondzeit dann mit der koordinierten Weltzeit (Coordinated Universal Time, UTC) koppeln.
Um die neue LTC tatsächlich einzuführen, fehlen aber noch internationale Verträge, wie die Menschen mit dem Weltall und dem Mond umgehen wollen – Vereinbarungen wie das Artemis-Abkommen. Die USA haben dieses Regelwerk als eine von 36 Nationen unterzeichnet. China und Russland nicht. Bis zu einer Einigung hätten die drei Astronautinnen auf dem Mond also weiterhin ein Problem. Ob sie sich je begegnen werden?