München – Seit dem 18. Mai 2013 hatte es sich die von Kunstprofessorin Elisabeth Treskow entworfene Meisterschale in München, beim FC Bayern, häuslich eingerichtet. In dieser Zeit ließ sie sich elf Mal hintereinander in ewiger Erinnerung und Treue den Namen des FC Bayern als Titelträger in ihr Silber eingravieren.

Doch seit dem 30. März 2024 – 3970 Tage später – kann auch der realitätsverleugnendste Optimist seine Augen nicht mehr davor verschließen, dass sich die Schale ein – zumindest vorübergehendes – Zuhause in Leverkusen suchen muss. Bei dem Verein, dem seit Fußballergedenken der wenig schmeichelhafte Spitzname Vizekusen anhaftet. In der Stadt, in der Tripadvisor die BayArena als größte Touristenattraktion auflistet – gefolgt vom Neuland-Park und dem Japanischen Garten. Auf Platz acht wird das “Wahrzeichen” Bayer-Kreuz geführt.

Keine Meister-Hoffnung für den FC Bayern mehr – weil Bayer Leverkusen nicht der BVB ist

Doch seit dem lust-, lieb-, und leblosen Rumpelfußballer-Auftritt des FC Bayern bei der 0:2-Heimpleite im Clásico gegen Borussia Dortmund setzen sich nur noch Mathematiker damit auseinander, die Wahrscheinlichkeiten zu ermitteln, dass Bayer Leverkusen, das beim 2:1 gegen Hoffenheim wieder einen Gegner in den Schlussminuten in die Knie gezwungen und sich die Punkte auf der Habenseite abgebucht hat, noch die Borussia macht und wie die Dortmunder in der Vorsaison den Titel am allerletzten Spieltag verspielt.

Damals hatte die Schale sich schon nach einem Aufenthaltsort umsehen müssen. Doch der BVB war eben der BVB – Leverkusen um Trainer Xabi Alonso wird ihr diesen Gefallen nicht machen.

Zu stark ist die Werkself, zu erschütternd schwach, zu schicksalsergeben das Team von Noch-Bayern-Coach Thomas Tuchel. Das Polster von 13 Punkten Vorsprung bei nur sieben ausstehenden Partien wird sich Leverkusen nicht nehmen lassen. “Ich bin kein Mathematik-Professor. Ich weiß, dass es möglich ist, aber wenn wir ehrlich sind, ist es nicht sehr realistisch. Wir haben ganz andere Dinge zu klären”, sagte Thomas Müller, der seit 2008 bei Bayern spielt und in der Zeit zwölf Meisterschaften geholt hat. Die Schale als Dauerbegleiter.

FC-Bayern-Trainer Thomas Tuchel kapituliert: “Glückwunsch nach Leverkusen”

Auch Tuchel hat alle Titelträume und damit alle Floskeln und Durchhalteparolen zu Grabe getragen. Seine Episode (seit März 2023), die sicher keine Ära bei den Bayern ist, endet mit der Nichtmeisterschaft. “Selbstverständlich” sei der Titelkampf entschieden, sagte Tuchel bei Sky. “Es gibt keine Hoffnung mehr, nein, nein, nein. Glückwunsch nach Leverkusen.”

Der FC Bayern präsentiert sich nicht als Einheit, die dem Erfolg alles unterordnet. Nicht als Mannschaft, die bereit ist, sich auf das zu konzentrieren, was den Kickern die Bankkonten füllt – Fußballspielen. Mit Herz, mit Verstand, mit Leidenschaft, mit Mia-san-mia-Attitüde. Es stimmt bei den Bayern vorne, hinten, oben und unten nicht.

“Der FC Bayern war nicht der FC Bayern, den wir gewohnt sind und den wir gerne sehen, und fairerweise muss ich dazu sagen, dass es nicht das erste Mal in dieser Saison war, dass wir nicht in die Gänge gekommen sind”, betonte Präsident Herbert Hainer bei Sky.

Uli Hoeneß über Bayern-Neuaufbau: “Das wird vielleicht ein, zwei, drei Jahre dauern”

Nicht zum ersten – und wohl nicht zum letzten Mal. Zu fundamental sind die Probleme der Bayern, dass man die Erfolgsspur sofort wieder als Einbahnstraße befahren könnte. So realistisch ist auch Ehrenpräsident Uli Hoeneß.

“Das, was wir jetzt haben, ist ein Umbruch. Das ist natürlich auch ein Generationenproblem, der Wechsel von Karl-Heinz Rummenigge und mir zu der nächsten Generation von Führungskräften. Dass der holprig wird, war zu vermuten, ist aber auch so gekommen”, sagte der Bayern-Patron bei BR24: “Dabei habe ich das Gefühl, dass wir auf einem guten Weg sind, diese Lücke zu schließen. Das wird vielleicht ein, zwei, drei Jahre dauern, bis man wieder die alte Blüte hat. Das Leben besteht nicht nur aus Zuckerschlecken, das erlebt gerade FC Bayern.”

Dieser muss sich ganzheitlich hinterfragen und neu definieren, damit man der Meisterschale ein herzhaftes “Auf Wiedersehen” auf ihre Reise nach Leverkusen mit auf den Weg geben kann. Als Versprechen, nicht als bloße Floskel.





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