München – Noch elf Spiele coacht Thomas Tuchel den FC Bayern, im schlechtesten Fall. Neun Bundesliga-Partien, am Samstag bei Darmstadt 98, plus zwei auf internationalem Parkett, das Champions League-Viertelfinale. Kommen die Münchner ins Halbfinale oder gar ins Finale, sind es 13 oder 14.
Der Cheftrainer befindet sich auf seiner Abschiedstournee, die hätte vorzeitig enden können, wenn er als “lame duck” ohne Einfluss und Autorität in der Kabine keine Ergebnisse mehr geliefert hätte. Am Dienstag vor drei Wochen war Bayerns Vorstandsboss Jan-Christian Dreesen in einem Gespräch mit Tuchel zum Entschluss gekommen, “unsere Zusammenarbeit zum Sommer einvernehmlich zu beenden”, ein Jahr vor dem ursprünglich vereinbarten Vertragsende. Dies geschah unter dem Eindruck dieser – aus Tuchels Sicht lediglich – einen fatalen Woche der Saison im Februar mit den drei Pleiten in Leverkusen (0:3), im Hinspiel bei Lazio Rom (0:1) und in Bochum (2:3).
Viertelfinal-Einzug führte beim FC Bayern zu einer Leistungsexplosion
Doch seit diesem entgegen der Verlautbarung nicht ganz so einvernehmlichen Beschluss löste sich bei der Mannschaft die Verkrampfung, das “Verkopfte” im Spiel, so Thomas Müller. Seitdem: Vier Spiele, drei Siege, ein Remis. Zuletzt zwei überzeugende Heimspiele mit dem 3:0 im Rückspiel gegen Lazio und der 8:1-Gute-Laune-Erfolg gegen Mainz. Das Weiterkommen in der Champions League führte zu einer wahren Leistungsexplosion. Zeit für Frühlingsgefühle.
Die Trainersuche für die kommende Saison gestaltet sich für den neuen Sportvorstand Max Eberl äußerst kompliziert. 1A-Lösung Xabi Alonso (42) führt Leverkusen gerade zur Meisterschaft und möglichen weiteren Titeln, da würde eine zeitnahe Entscheidung – egal, in welche Richtung – bei beiden Parteien zu viel Staub aufwirbeln. Alonsos Vertrag läuft bis 2026. Eine Länderspiel-Pause wie die nach dem kommenden Wochenende (26. Spieltag) wirkt oft Wunder, um Personalien in dieser Größenordnung ohne direkten Einfluss auf gleich danach anstehende Spiele zu verargumentieren…
Dem FC Bayern läuft hinsichtlich der Kaderplanung die Zeit davon
Den Bayern läuft hinsichtlich der Kader-Planung die Zeit davon. Jeder Coach hat genaue Vorstellungen, ob Spieler X oder Y in sein System passt, will bestimmte Neueinkäufe. Ob diese bewilligt werden, steht auf einem anderen Blatt. Tuchel weiß das. Auch Roberto de Zerbi (44), vom Mindset und Coaching-Stil ein italienischer Pep Guardiola, ist nur gegen eine hohe Ablösesumme zu haben, da sein Vertrag beim Premier-League-Klub Brighton & Hove Albion noch bis 2026 datiert ist.
Doch warum in die Ferne schweifen, wenn das – plötzlich – Gute scheinbar so nahe liegt? Gerade, wenn die Bayern unter Tuchel in der Königsklasse reüssieren? Verabschiedet sich der 50-Jährige gar mit dem Henkelpott aus München, würden die Bosse gelackmeiert dastehen.
Der Nachfolger von Thomas Tuchel soll noch im März, spätestens April feststehen
Dieses Gedankenspiel hat Ex-Nationalspieler Mario Basler, von 1996 bis 1999 bei Bayern, aufgeworfen. “Wenn mit Tuchel im Sommer Schluss ist, muss man ihn noch weiterbezahlen oder eine Abfindung bezahlen. Ein neuer Trainer wird auch Geld kosten”, sagte Basler in der “ran Bundesliga Webshow” und argumentierte: “Es spricht nichts dagegen, am Schluss zu sagen: Wir haben nochmal über alles nachgedacht, wir behalten Thomas.” Lieber den – lange ungeliebten – Spatz in der Hand als die angehimmelte Taube auf dem Dach?
Nein, keinesfalls könnte dieses Szenario Realität werden. Die Bayern-Bosse würden ihr Gesicht verlieren und es nicht soweit kommen lassen, in diese Zwickmühle zu geraten. Der neue Trainer, ob Alonso, de Zerbi, Zinedine Zidane oder Mister X, soll noch im März, spätestens im April, dingfest gemacht werden. Um Klarheit und Planungssicherheit zu haben.
Thomas Tuchel wohl bei Manchester United Topkandidat
Auch für Tuchel käme eine Rolle rückwärts nicht infrage. Er will sich neu orientieren. Sein Coaching-Stil passt nach England. Er beherrscht die Sprache und war beim FC Chelsea trotz der recht kurzen Amtszeit relativ erfolgreich (Champions-League-Titel 2021).
Sollte sich Manchester United vom stetig umstrittenen Trainer Erik ten Hag zum Saisonende trennen, wäre Tuchel beim Traditionsklub Kandidat Nummer eins, wie aus England zu hören ist. Nicht ausgeschlossen also, dass sich Tuchel mit dem Pott zu den Roten Teufeln, den “Red Devils”, verabschiedet. Beim Beelzebub!