Wer derzeit auf Bus und Bahn angewiesen ist oder Flugreisen antreten will, braucht starke Nerven. Gleich mehrere große Streiks beeinträchtigen das tägliche Leben von Pendlern und Reisenden hierzulande massiv. Ob bei den Lokführern, bei der Lufthansa oder im öffentlichen Nahverkehr: In vielen Sektoren ziehen sich Tarifrunden bereits seit Monaten hin, ohne Ergebnis. Dass man sich nach ein paar Verhandlungsterminen und einigen kurzen Warnstreiks irgendwo in der Mitte einigt – ein Prozedere, wie es in früheren Arbeitskämpfen üblich war – scheint mittlerweile nicht mehr zu funktionieren. Selten in der Geschichte der Bundesrepublik wurde die Auseinandersetzung zwischen Gewerkschaften, die auf die hohe Inflation verweisen, und den Arbeitgebern, die sich angesichts hoher Kosten und der schwachen Wirtschaft sorgen, derart erbittert geführt. Ein Überblick über aktuelle Streiks.

Züge

Passagiere, die am Donnerstag oder Freitag mit dem Zug verreisen wollen, oder auf die von der Deutschen Bahn betriebenen S-Bahnen angewiesen sind, trifft es erneut hart. Bereits vor Beginn des aktuellen Streiks der Lokführergewerkschaft GDL am Donnerstag hatte die Deutsche Bahn vor “massiven Auswirkungen” gewarnt. Auch nach Streikende am Freitag um 13 Uhr müssen Reisende laut Bahn mit Beeinträchtigungen rechnen.

Seit Donnerstagmorgen sind lediglich rund 20 Prozent der Fernzüge im Einsatz. Im Regionalverkehr fallen die Auswirkungen unterschiedlich aus. Wie bereits am Donnerstag soll auch an diesem Freitag die Zugbindung für Reisende entfallen, Fahrgäste können ihre Reise auf die Tage nach dem Streik verlegen. Darüber, welche Züge entfallen und welche Verbindungen aufrechterhalten werden, können sich Passagiere vor Reiseantritt auf der Homepage der Deutschen Bahn informieren.

Begonnen hatte der Ausstand bereits am Mittwochabend um 18 Uhr im Güterverkehr. Am Donnerstagmorgen um zwei Uhr schloss sich die neue Arbeitskampfrunde im Personenverkehr an – mittlerweile die fünfte im andauernden Tarifstreit zwischen GDL und Deutscher Bahn. Der Streik soll 35 Stunden lang dauern, was, verglichen mit vergangenen Runden, relativ kurz ist. GDL-Chef Claus Weselsky kündigt jedoch bereits neue Arbeitskampfmaßnahmen an.

Künftige Streiks der GDL sollen laut Weselsky deutlich länger ausfallen und deutlich kurzfristiger angekündigt werden. Bisher hatte die Gewerkschaft meist 48 Stunden im Voraus bekannt gemacht, wenn neue Ausstände drohten. In Zukunft könnten Bahnreisende also deutlich häufiger von neuen Streiks überrascht werden. “Damit ist die Eisenbahn kein zuverlässiges Verkehrsmittel mehr”, sagte Weselsky. Auch Notfahrpläne aufzustellen, wie es die Bahn bisher getan hat, sei dann mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr möglich. Weselsky schließt auch Arbeitskämpfe über Ostern nicht aus.

Der Tarifstreit bei der Bahn läuft bereits seit Anfang November. Eine baldige Lösung ist nicht in Sicht. Hauptstreitpunkt ist die Forderung der GDL nach einer 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich für Schichtarbeiter. Externe Vermittler hatten zuletzt eine Senkung auf 36 Stunden in zwei Stufen vorgeschlagen, wovon die zweite Stufe Anfang 2028 in Kraft treten sollte. Die Bahn hätte sich eigenen Angaben zufolge zur Not darauf eingelassen. Die GDL lehnte den Vorschlag aber offenbar ab. Fahrgastverbände und zahlreiche Politiker üben harte Kritik an Weselskys ihrer Ansicht nach kompromisslosem Kurs.

Flüge

Auch im Flugverkehr müssen sich Reisende auf Einschränkungen einstellen. Die Gewerkschaft Verdi hat die Beschäftigten in den Lufthansa-Bereichen Technik, Logistik und Training zu einem bundesweiten Warnstreik aufgerufen, der am Mittwochabend um 20 Uhr in Kraft getreten ist. Weitere Angehörige des Bodenpersonals schlossen sich am Donnerstagmorgen um vier Uhr an. Enden soll der Streik für alle Teilnehmer am Samstagmorgen um 7.10 Uhr.

Bis dahin müssen Reisende mit gestrichenen Verbindungen und Verspätungen rechnen. Voraussichtlich nur etwa zehn bis 20 Prozent aller Flüge können stattfinden. Etwa 250 000 Passagiere dürften laut Flughafenverband ADV am Donnerstag und Freitag betroffen sein. Reisende können sich vor Abflug auf den Homepages des jeweiligen Flughafens oder bei ihrer Airline über ihre Verbindungen informieren.

Neben dem Arbeitskampf beim Lufthansa-Bodenpersonal rief die Gewerkschaft für Donnerstag auch ganztägig zum Streik bei den Sicherheitskräften an den Airports Frankfurt und Hamburg auf. Am Düsseldorfer Flughafen trat das Sicherheitspersonal am Donnerstag gänzlich ohne Vorwarnung in den Warnstreik. In der Nacht auf Donnerstag waren zudem die Personal- und Frachtkontrolleure am Flughafen Köln-Bonn in den unangekündigten Ausstand gegangen.

Zusätzlich zeichnen sich Arbeitskämpfe einer weiteren Beschäftigtengruppe ab: Mehr als 96 Prozent der etwa 19 000 Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter der Lufthansa-Kernmarke sowie der Tochter Lufthansa Cityline stimmten in einer Urabstimmung für Arbeitsniederlegungen, wie die Gewerkschaft Ufo mitteilte. Wann der Streik beginnen soll, wird erst zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt.

Verdi-Verhandlungsführer Wolfgang Pieper zufolge sei auch eine Ausweitung der Streikmaßnahmen in den Tarifverhandlungen beim Sicherheitspersonal an deutschen Flughäfen nicht ausgeschlossen. Zuletzt hatten die Arbeitgeber angeboten, die Stundenlöhne in drei Schritten anzuheben: zum 1. März um 1,20 Euro, zum 1. Oktober um 0,75 Euro und zum 1. April 2025 erneut um 0,75 Euro – bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von 24 Monaten. Für Pieper unzureichend. Verdi fordert 2,80 Euro mehr Lohn pro Stunde, höhere Funktionszulagen und Mehrarbeitszuschläge ab der ersten Überstunde bei einer Vertragslaufzeit von zwölf Monaten.

Busse und Bahnen

Auch im öffentlichen Nahverkehr laufen momentan Verhandlungen in allen Bundesländern mit Ausnahme von Bayern – dort ist der Tarifvertrag nicht gekündigt. Die Gewerkschaft Verdi hatte ihre 90 000 Beschäftigten in der vergangenen Woche bundesweit zu Streiks aufgerufen. In vielen Bundesländern standen vor allem am vergangenen Wochenende Busse und Bahnen Still. In einigen Städten gab es gemeinsame Aktionen mit Fridays for Future. Bis Mittwochabend lief der Streik noch in Nordrhein-Westfalen.

Begonnen hatte der von Verdi angekündigte zweitägige Streik in dem Bundesland bereits am Dienstag, in etwa 30 kommunalen Verkehrsbetrieben blieben die Straßenbahnen und U-Bahnen in den Depots. Neue Streiks im Nahverkehr könnten bald in Baden-Württemberg anstehen. Dort brach Verdi die Verhandlungen mit den Arbeitgebern am Dienstag ab.



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