Schließlich hat das abgehörte Gespräch ranghoher deutscher Militärs über die Möglichkeiten eines Taurus-Einsatzes den Kanzler der Unwahrheit überführt. Denn es müssen keinesfalls deutsche Soldaten in der Ukraine stationiert sein, um dieses Waffensystem zu programmieren.
So etwas kennt man eigentlich nur aus einschlägigen Filmen oder Büchern: Eine fremde Macht kann nach Belieben mithören, wenn hochrangige Militärs über strategische Fragen beraten. Zugleich hat diese Macht die Chuzpe, die Mitschnitte dieser Gespräche zu veröffentlichen und die Abgehörten lächerlich zu machen.
Die Botschaft, die Putin über seinen Propagandasender „Russia Today“ den Deutschen übermittelt, ist an Deutlichkeit nicht zu überbieten: „Ich bin überall. Ich weiß alles über euch. Nehmt euch also in Acht.“ Denn Putins Spione wissen im Zweifelsfall viel mehr über uns, als der Kreml-Zar jetzt aus propagandistischen Gründen veröffentlichen ließ.
Jetzt rächt sich Deutschlands Politik nach Annektion der Krim
Man muss schon ein so naives Putin-Bild haben wie einige unverbesserliche SPD-Linke, die AfD oder Sahra Wagenknechts Truppe, um den Ernst der Lage nicht zu erkennen. Putin plant nicht, morgen die Bundesrepublik Deutschland zu überfallen. Aber er lässt uns wissen: Im Fall des Falles habt ihr keine Chance.
Jetzt rächt sich, dass die Große Koalition unter Angela Merkel (CDU) und Frank-Walter Steinmeier (SPD) nach der Annektion der Krim im Jahr 2014 in Russland unverändert den Lieferanten preiswerter Energie gesehen haben und nicht einen Aggressor. Folglich wurde die Bundeswehr zur „Sparbüchse“.
Es rächt sich außerdem, dass allen Bundesregierungen die Cybersicherheit nicht wichtig genug war, um hier ordentlich aufzurüsten. Als 2015 bekannt wurde, dass der amerikanische Geheimdienst seit Jahrzehnten deutsche Spitzenpolitiker und Regierungsstellen ausspioniert, hätten die Alarmglocken schrillen müssen. Das aber unterblieb offenbar.
Kriegstüchtig muss sein, wer nicht ein wehrloses Opfer sein will
Selbst bei der Bundeswehr werden strategische Fragen leichtfertig über offenbar leicht abzuhörende Systeme besprochen. Das unterstreicht die Forderung von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), Deutschland müsse „kriegstüchtig“ werden.
Da mögen zum Pazifismus neigende Zeitgenossen entsetzt aufstöhnen. Kriegstüchtig zu sein bedeutet freilich nicht, morgen einen Krieg beginnen zu wollen. Kriegstüchtig muss sein, wer bei einem ihm aufgezwungenen Krieg nicht ein wehrloses Opfer sein will.
Putins Demonstration seiner erschreckenden Überlegenheit auf dem Cyber-Schlachtfeld macht eines deutlich. Die geforderte deutsche Kriegstüchtigkeit kann und darf kein Langzeitprojekt sein. Sie herzustellen erlaubt keinen Aufschub.
Der Bundeskanzler spricht im üblichen Scholz-Sound von einer „sehr ernsten Angelegenheit“. Von Rom aus kommentierte er Putins Abhör-Coup so: „Deshalb wird das jetzt sehr sorgfältig, sehr intensiv und sehr zügig aufgeklärt.“ Ja was denn sonst?
Abhör-GAU zeigt, wie gefährlich Putin ist
Das Taurus-Debakel wäre für jeden Regierungschef ein sicherheitspolitisches Debakel. Für Scholz gibt es aber noch einen persönlichen „Kollateralschaden“. Bei der Begründung seines Neins zu Taurus-Lieferungen hatte Scholz behauptet, die „Zielsteuerung und Begleitung der Zielsteuerung“ könne „in Deutschland nicht gemacht werden”. Würden jedoch deutsche Soldaten die Ukrainer vor Ort unterstützen, so Scholz‘ Sorge, würde Deutschland zur Kriegspartei
In der Telefonkonferenz des Luftwaffeninspekteurs mit anderen hohen Offizieren wurde hingegen deutlich, dass der Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern durch Kiew keineswegs den Einsatz deutscher Soldaten auf ukrainischem Boden notwendig macht. Für den Bundeskanzler ist das höchst peinlich.
Die scholz‘schen Tricksereien sind aber nur ein Nebenaspekt dieser Abhör-GAU. Ungleich wichtiger ist die Erkenntnis, dass Deutschland bisher nicht wahrhaben will, wie gefährlich Putin ist – und wie schutzlos wir sind.
Die Kriegstüchtigkeit, die in den Zeiten des Kalten Kriegs durchaus vorhanden war, wiederherzustellen, muss – leider – höchste Priorität haben. Dass das nicht leicht sein wird, liegt auf der Hand. Da gilt der Satz des großen Liberalen Friedrich Naumann, den Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) gerne zitierte: „Was nützt die beste Sozialpolitik, wenn die Kosaken kommen.“