Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer forderte kürzlich einen schnellen Aufbau einer Raketenabwehr gegen mögliche Bedrohungen aus Russland. „Wir haben fünf bis acht Jahre Zeit. In diesem Zeitraum müssen wir eine Raketenabwehr aufbauen. Das ist ohne Alternative“,sagte Breuer den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag). „Wir sehen Russland in einem Zeitfenster von fünf bis acht Jahren befähigt, einen Krieg gegen Nato-Staaten führen zu können. Bis dahin müssen wir auch in Deutschland in der Lage sein, einen solchen Angriff abzuwehren“, betonte er.

Deutschland hat einen Nachholbedarf  „von etwa 800 Prozent“

Breuers Szenario sei realistisch bis optimistisch, meint Sicherheitsexperte Christian Mölling im Interview mit „t-online“. Deutschland habe bei der Raketenabwehr prozentual gesehen den größten Nachholbedarf. „Die Nato geht wohl von einem Defizit von etwa 800 Prozent aus.“ Nach dem Ende des Kalten Krieges habe man die Notwendigkeit nicht mehr gesehen und stark abgerüstet, so Mölling. „Das rächt sich jetzt.“

Deutschland hatte beschlossen, weitere Patriot-Flugabwehrsysteme und den israelischen Raketenschutzschirm „Arrow 3“ zu beschaffen. „‘Arrow 3‘ ist ein ‚nice-to-have‘“, meint Mölling, „aber ist zur Abwehr einer russischen Bedrohung nicht geeignet.“ Der Schutzschirm sei für Raketen ausgelegt, die in bis zu 100 Kilometern Höhe anfliegen. Die ballistischen Raketen Russlands würden jedoch gar nicht so hoch fliegen. „Das lohnt sich nicht wirklich, eine Bedrohung mitzudenken, die derzeit gar nicht da ist“, so Mölling.

Keine westlichen Mikrochips mehr für Russland: „Reduziert Bedrohung für Europa“

Der Sicherheitsexperte sieht landgestützte Marschflugkörper als eine Option. Diese könnten Russland vor „erhebliche Probleme“ stellen, „da die Abschussanlagen schwer aufzuklären sind“. Über solche Systeme verfüge die Bundeswehr aber bisher nicht. Mölling sieht deswegen zwei Probleme: „Uns läuft die Zeit davon und es fehlt an Geldern.“ Systeme wie landgestützte Marschflugkörper müssten erst noch entwickelt und dann produziert werden. „Wenn wir wirklich nur fünf bis acht Jahre oder sogar weniger Zeit haben, dann wird es eng.“

Noch wichtiger sei aber, dass Russland die Raketen gar nicht erst produzieren könne. In den russischen Raketen steckten noch immer westliche Bauteile, etwa Mikrochips, sagt Mölling zu „t-online“. „Wenn man effektiv verhindert, dass diese Mikrochips nach Russland gelangen, reduziert man die industriellen Fähigkeiten Russlands und damit die Bedrohung für Europa erheblich.“





Source link www.focus.de