Die ARD-Serie „Sexuell verfügbar“ startete am Frauentag. Auf witzigste Art wirbelt sie Genderklischees und moderne Freiheitsbegriffe durcheinander.
Ach du meine Güte, der Weltfrauentag. Einst aus gutem Grund im Zuge der Erkämpfung des Frauenwahlrechts ins Leben gerufen worden, soll er mittlerweile als Kristallisationspunkt für all das dienen, was an feministischen Diskursen gerade so läuft. Einmal im Jahr, so lautet das allgemeine Zugeständnis, wird Hurra geschrien und die Faust geballt. Und da hat sich die ARD gedacht: Lassen wir doch genau am 8. März eine Serie starten, die modern gedachten Feminismus und die Wut, die ihn am Köcheln hält, thematisiert.
Vor einigen Jahren erschien das Buch „Sexuell verfügbar“ der Journalistin und Schriftstellerin Caroline Rosales und sorgte für viel Diskussion. In gereiztem Ton berichtete sie darin über ihr Leben als weiblich gelesene Person, die es vom ersten körperlichen Erblühen bis zur Hängetittenzeit nach dem Stillen mit Zuschreibungen von außen zu tun hat, vorwiegend vonseiten der Männer, aber auch von Frauen, die es sich und anderen permanent schwermachen müssen. Aus unterschiedlichen Gründen. Rosales setzte damals den/die Leser:in in ein Karussell der schlechten Laune, das sich permanent um geschlechtsspezifische Abwertungen und Selbstermächtigungsanstrengungen drehte.
Der Text war weniger Pamphlet oder Kampfaufruf als vielmehr ein sehr persönliches Mittel zur Selbstreflexion seiner Autorin. Darin liegt seine Stärke.
Romanautor*innen schreiben Serie
Nun ist Caroline Rosales das Wagnis eingegangen, auf Grundlage ihres Buches ein Script zu verfassen und es für einen öffentlich-rechtlichen Sender verfilmen zu lassen. Als Co-Autor zur Seite stand ihr dabei Timon Karl Kaleyta, der zurzeit mit seinem Roman „Heilung“ Furore macht.
Entstanden ist eine mehrteilige Serie, die sich an der ursprünglichen Textvorlage orientiert, den dort abgelegten Faden aber auf neue Weise aufnimmt.
Die alleinerziehende Miki (wunderbar gespielt von Laura Tonke), ist am Ende. Sie muss sich vor Gericht verantworten: Einer ihrer Lover hat sie der Vergewaltigung mit einem Strap-on bezichtigt. Aber das ist nur der Aufhänger. Im Verlauf der Handlung lernen wir Miki als ebenso komplexe wie nach Halt suchende Person kennen, die sich ständig gegen Konventionen und Rollenbilder wehrt und dabei im Grunde genau das für sich reklamiert, was Männer seit Jahrhunderten ungebremst ausleben: sexuelle Freiheit, berufliche und finanzielle Unabhängigkeit und trotzdem: Elternschaft.
Der Witz an dieser Versuchsanordnung ist, dass sie oft die gleichen leichtfertigen Entscheidungen in Bezug auf ihr Leben trifft, sich aber andererseits kaum von einem irgendwie gearteten Rollenkonsens ihres Umfelds auffangen lassen kann.
Alles droht den Bach runterzugehen
Als Regisseurin für misogyne Werbeclips besetzt Miki genau die Sorte Job, die gerne von schmierigen Machtmissbräuchlern ausgeübt wird, aber „der“ Heimchen am Herd fehlt eben. Lediglich ein beleidigter Ex-Mann (Arnd Klawitter) wuselt herum und will ihr das Sorgerecht für die zwei gemeinsamen Kinder entziehen, wie auch ihr unzuverlässiger Vater und ihr bisexueller Lebensabschnittsgefährte Heini (Merlin Sandmeyer). Und da ist auch noch ihr Anwalt und Jugendfreund Ben (Florian Stetter) …
Alles droht den Bach runterzugehen, aber Miki macht weiter. Es ist herrlich stressig, ihr dabei zuzusehen, denn es geht hektisch, entgrenzt und fahrlässig zu und zu allem Überfluss erscheinen der Heldin ständig „Geister“ in ihrem Badezimmer, gespielt von Lilo Wanders, Lady Bitch Ray und Ines Anioli. Von ihnen wird sie wahlweise gedisst oder gecoacht, was scharfen Pfeffer über die Handlung streut und großen Spaß macht.
Immer nah an der Protagonistin dran, stoßen wir zusammen mit ihr an gesellschaftliche Behauptungsgrenzen und werden Zeug:innen ihres großen Dauerkopfschüttelns ob der scheinbaren Unumstößlichkeit festgebackener Strukturen im Alltag. Das ist anstrengend aber auch wahnsinnig komisch.
Die Hoffnung, alles möge sich am Schluss doch noch zum Guten wenden, verlässt Miki nie. Das hält die Handlung am Laufen und den Zuschauer in Atem. Die Musik zur Serie steuerte übrigens der Pianist Malakoff Kowalski bei. Sie ist so gut und, uff, für Degeto-Verhältnisse endlich mal wieder unpeinlich, dass es eine Freude ist. In weiteren kleinen Rollen sind, Casting at it’s best, unter anderem Eva Löbau, Riccardo Simonetti und Oliver Polak zu sehen. Also bitte: mehr derart gut konzeptionierte Serien über Genderklischees wie „Sexuell verfügbar“. Nicht nur zum Weltfrauentag.