Berlin. Vor dem Hintergrund des Wechsels von Ex‑Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) in den Beirat eines Logistikunternehmens fordern deutsche Anti-Lobby-Organisationen eine längere Karenzzeit für Politikerinnen und Politiker. „Die gesetzliche Karenzzeit für den Wechsel eines Bundesministers in einen Job in der Wirtschaft ist mit maximal 18 Monaten deutlich zu kurz“, sagte die Politische Geschäftsführerin von Lobby Control, Imke Dierßen, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Ehemalige Bundesminister und ‑ministerinnen sollten nach Ausscheiden aus ihrem Amt eine Karenzzeit von „mindestens drei Jahren“ einhalten müssen, bis sie einen Posten in einem Unternehmen übernehmen können.

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Das Logistikunternehmen Mosolf Group hatte am Mittwoch eine Erklärung veröffentlicht, laut der Scheuer seit Oktober vergangenen Jahres einen Posten im Fachbeirat des Unternehmens bekleidet. Der Ex‑Minister hatte am Montag seinen sofortigen Rückzug aus dem Bundestag bekannt gegeben. Laut „Business Insider“ hat Scheuer bereits zuvor zwei Beratungsfirmen im Handelsregister angemeldet.

Transparency International forderte, die dreijährige Karenzzeit dürfe erst mit dem vollständigen Ausscheiden aus der Bundespolitik beginnen.Aus Transparency-Sicht müsste die Karenzzeitregelung von 18 Monaten auf drei Jahre ausgedehnt werden, zumindest dürfte sie erst zu laufen beginnen, wenn die betreffende Person endgültig aus der bundespolitischen Arbeit auch als Mandatsträger des Bundestages ausscheidet“, sagte der Chefberater und ehemalige Vorsitzende von Transparency Deutschland, Hartmut Bäumer, dem RND. Als Ex‑Verkehrsminister mit Bundestagsmandat habe Scheuer „seine guten Kontakte in die Industrie, ganz besonders in den Verkehrsbereich und die Firma Mosolf Group weiter gepflegt und genutzt“, sagte Bäumer.

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Ähnlich äußerte sich Dierßen: „Scheuers Mitgliedschaft im Beirat der Mosolf Group hat ein Geschmäckle, denn das Unternehmen profitiert von den Kontakten und dem Wissen des Ex‑Verkehrsministers.“ Auch das von Scheuer gegründete Beratungsunternehmen steht bei Dierßen in der Kritik. „Sollte Scheuer nun mit seiner neu gegründeten Unternehmensberatung Dienstleistungen für die Autoindustrie anbieten und sogar Politikberatung betreiben, hätte auch dies ein Geschmäckle“, so Dierßen. Seine Kontakte seien dem ehemaligen Verkehrsminister auch bei seiner Beratertätigkeit von Nutzen.

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Schon in der Maut-Affäre stand Scheuer den Unternehmen nahe

Scheuer beraube mit dem plötzlichen Rücktritt von seinem Bundestagsmandat nicht nur seinen Wahlkreis um einen direkt gewählten Kandidaten, auch habe er den Steuerzahler durch die von ihm verantwortete Maut-Affäre um mehrere Hundert Millionen Euro Steuergelder gebracht, so Bäumer. Der Fall Scheuer verdeutliche, dass die Parteien ihre Ministerkandidaten nicht ausreichend nach persönlicher Integrität auswählten.

In seinem Amt als Verkehrsminister von 2018 bis 2021 hatte Scheuer vor allem mit den geplatzten Plänen zur Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen von sich reden gemacht. Er hatte langfristige Betreiberverträge geschlossen, bevor der Europäische Gerichtshof die Pläne 2019 kippte. In der Folge musste der Bund 243 Millionen Euro Schadensersatz an die Betreiber zahlen. Scheuer galt danach auch in der CSU als Belastung.



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