In vielen Unternehmen herrscht Personalmangel. Arbeit bleibt liegen, weil nicht genügend Mitarbeiter zur Verfügung stehen, um sie zu erledigen. In einer Studie der DAK Gesundheit zeigen sich die Folgen. Knapp 45 Prozent der rund 7000 Befragten in ganz Deutschland gibt an, im eigenen Arbeitsbereich regelmäßig Personalmangel zu erleben. Die Betroffenen klagen über hohen Termin- und Leistungsdruck, Überstunden und wenigen Pausen.
Arbeitgeber suchen deshalb händeringend nach Strategien, um neue Fachkräfte zu gewinnen und bestehende zu halten. Jüngstes Beispiel: Ein öffentlicher Träger in München sucht seit Monaten händeringend Medienpädagogen. Obwohl die Stellen seit Monaten ausgeschrieben sind, hat sich nur eine Handvoll Menschen beworben. „Früher hätte es das nicht gegeben“, sagt eine Personalerin.
Das ist kein Einzelfall. In vielen Städten suchen die öffentlichen Bäderbetriebe zu Beginn der Freibadesaison Rettungsschwimmer und Bademeister. Wenn in wenigen Wochen die Freibäder öffnen, müssen genügend qualifizierte Rettungsschwimmer am Beckenrand stehen – sonst droht wie in den vergangenen Jahren die vorübergehende Schließung einiger Bäder.
In deutschen Großstädten häufen sich die Probleme bei der Beantragung neuer Personalausweise und Reisepässe. Bürger, die einen neuen Ausweis benötigen, müssen lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Teilweise müssen sie zwischen zwei und fünf Wochen auf einen Termin warten. Diese Situation spitzt sich vor allem vor der Urlaubssaison zu, wenn viele Menschen ihre Reisedokumente erneuern wollen.
Landesregierungen und Stadtverwaltungen steuern gegen. Vielerorts wurden bereits Maßnahmen ergriffen, um die Abläufe zu beschleunigen, etwa durch die Einführung von Online-Terminvereinbarungen und die Aufstockung der Kapazitäten in den Bürgerämtern. Dennoch bleibt die Situation angespannt.
Enorme Unterschiede bei der Steuererklärung
Der Personalmangel wirkt sich auch auf die Bearbeitung der Steuererklärung aus. Wie lange die Finanzämter für die Bearbeitung einer Steuererklärung brauchen, hängt zum Beispiel auch davon ab, wo die Betroffenen wohnen und wie dort die Personalsituation ist. Das zeigt eine Untersuchung, die das Steuerportal Lohnsteuer kompakt Jahr für Jahr durchführt. Je nach Bundesland vergehen im Schnitt zwischen 50 und 69 Tage von der Abgabe der Steuererklärung bis zur Steuererstattung, so das Ergebnis.
Der Ländervergleich zeigt: Am schnellsten arbeiteten die Finanzämter 2023 in Rheinland-Pfalz (49,97 Bearbeitungstage), dicht gefolgt von den Finanzämtern in Hamburg (50,01), Nordrhein-Westfalen (50,06) und Berlin (51,36). Schlusslicht in Sachen Schnelligkeit sind die Finanzämter in Brandenburg mit durchschnittlich 68,85 Bearbeitungstagen pro Steuererklärung.
Im vergangenen Jahr sorgten Zahlen aus Berlin für Aufsehen. Danach fehlten in den Finanzämtern der Hauptstadt über 400 Vollzeitkräfte. Ein aktueller Blick in die Stellenausschreibungen zeigt, dass die Situation weiterhin angespannt ist. Ähnliche Defizite wurden auch in Brandenburg festgestellt. „Gerade jetzt, wo Wirtschaftswachstum und Steuereinnahmen einbrechen, muss konsequent gegen Steuerhinterziehung und Steuerflucht vorgegangen werden“, sagte Berlins Finanzsenator Stefan Evers. Er schlug unter anderem eine Werbekampagne bei den Finanzämtern vor, um Interessenten zu finden. „Viele unserer älteren Kolleginnen und Kollegen werden gebeten, den Ruhestand hinauszuzögern, um die Arbeitsbelastung zu bewältigen“, erklärt eine Personalreferentin aus München.
An Schulen fällt der Unterricht aus
Der Unterrichtsausfall an sächsischen Schulen war im ersten Halbjahr dieses Schuljahres höher als in den Vorjahren. Rund 8,8 Prozent der Unterrichtsstunden fanden nicht regulär statt, wie aus einer Statistik des sächsischen Kultusministeriums hervorgeht. Grund dafür war eine Kombination aus Personalmangel, hohem Krankenstand und Streik. „Der Teufelskreis aus Personalmangel und Überlastung an den Schulen dreht sich weiter. Deshalb muss der Freistaat zusätzliches Geld für ein Bildungspaket in die Hand nehmen“, sagt GEW, Burkhard Naumann.
Personalmangel könnte sich in den nächsten Jahren verschärfen
Die Leistungen des Staats sind nach Einschätzung des Deutschen Beamtenbunds (DBB) wegen stärker in Gefahr. „Dem Staat fehlen mehr als 550.000 Beschäftigte und die Lage wird mit der Pensionierung der Babyboomer immer schlimmer“, sagte DBB-Chef Ulrich Silberbach Anfang des Jahres. Und die Lage könnte sich verschärfen, denn laut aktuellen Zahlen des DBB würden über 1,3 Millionen Beschäftigte in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand gehen.
„Der Personalnotstand gefährdet die Handlungsfähigkeit von Staat und Verwaltung“, sagte Silberbach. Offene Stellen seien kaum noch zu besetzen. „Selbst für attraktive Führungsposten wird es immer schwerer, Personal zu finden.“ Besetzungsprobleme gebe es etwa in der klassischen Verwaltung, in IT-Abteilungen, Kindergärten, der Stadtreinigung oder in Bauämtern.