Potsdam. Der Prozess gegen den Fahrer des Unfall-Tesla, in dem am 16. August 2022 im Kreis Märkisch-Oderland die beiden 18 Jahre alten Laura Katharina Franke und Noèl-Maurice Philipp-Milde aus Beelitz (Potsdam Mittelmark) gestorben sind, hat es noch einmal deutlich gemacht: Im Fall von schweren Unfällen – insbesondere bei Bränden – sind Türen moderner Autos für Rettungskräfte oft schwer zu öffnen. Für Passagiere, die versuchen, sich von innen zu befreien, stellen die stabilen Bauteile ebenfalls im Zweifel tödliche Hindernisse dar.

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Besonders die elektrischen Öffnungsmechanismen, wie sie in vielen Elektroautos verbaut werden, können zum Problem werden. Der Automobilclub ADAC hat jetzt eine Warnung veröffentlicht. Überschrift: „Versenkbare Türgriffe können ein Sicherheitsrisiko sein“. Die stilvollen Griffe, die dank eines elektrischen Einzugs in der Karosserie verschwinden können, haben nach Einschätzung der ADAC-Experten Nachteile: „Gerade, wenn die Stromzufuhr nach einem Unfall gestört ist, könnte der Griff aber eingefahren bleiben und Unfallhelfer könnten nicht an die Autoinsassen herankommen.“

Der ADAC zeigt nur indirekt mit dem Finger auf Tesla

Einfach und intuitiv müssten sich Türen öffnen lassen, schreiben die ADAC-Fachleute: „Umso mehr, wenn es zu einem Fahrzeugbrand kommt“ – so wie beim tragischen Tod der beiden jungen Beelitzer auf der Rückbank des Tesla Model S. Selbst professionelle Rettungskräfte bräuchten länger, um bei dieser Art Türverriegelung an die Insassen zu gelangen. Der ADAC zitiert „Medienberichte“, die auf das Problem hinweisen, und vermeidet es, den Unfall östlich von Berlin direkt mit dem Elektroautohersteller in Verbindung zu bringen. Jedoch heißt es in der Pressemitteilung: „Tesla hat mit diesen Griffen in der Großserie begonnen“, andere Hersteller hätten nachgezogen.

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Die Warnmeldung gipfelt in dem Hinweis, dass sich Besitzer von Autos, deren Türen auch von innen elektrisch geöffnet werden, einen Nothammer bereitlegen sollen, um im Ernstfall die Glasscheiben von innen herauszuschlagen. Der Hammer, wie man ihn aus öffentlichen Bussen kennt, solle „griffgünstig, aber sicher verstaut“ werden. Der ADAC nennt auch Automarken. Betroffen seien „zum Beispiel diverse Modelle von Tesla, Nio oder den 7er BMW und iX“, wie es in der Veröffentlichung heißt. Allerdings schränkt der ADAC ein, dass ein Notfallhammer gegen Verbundglasscheiben, wie sie zum Schutz gegen Lärm und Hitze verbaut werden, manchmal auch nichts ausrichten könne.

Retter konnten Teenager aus Beelitz nicht aus brennendem Tesla befreien

Der Unfall-Tesla, in dem Noèl und Laura 2022 auf der L73 zwischen den Dörfern Dobbrikow und Hennickendorf (Teltow-Fläming) starben, hatte nach dem Zusammenprall mit einem Straßenbaum Feuer gefangen. Ersthelfer berichteten im Prozess gegen den Fahrer von ihren verzweifelten Versuchen, die Türen und den Kofferraum zu öffnen, um die bewusstlosen Jugendlichen aus dem Fond zu retten.

Einer jener Zeugen, die rettend eingreifen wollten, sagte während der Verhandlung zum Thema elektrische Türgriffe: „Ich habe angefasst – es war schon heiß“, so der Bauarbeiter (32). „Es ging nix, der Griff war glatt.“ Und weiter: „Wir haben gegen die Griffe gedrückt – es ist nichts passiert“.

Sein Kollege sagte aus, dass er sich die Hände verbrannt habe. „Wir haben immer wieder versucht, in dieses Auto reinzukommen – es ging nicht.“ Er habe mit den Fäusten und dem Ellbogen auf die Scheiben gehämmert. „Wir haben das Auto einfach nicht aufgekriegt.“

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Die mechanische Türentriegelung ist für Laien schwer zu finden

Der Automobilclub belässt es nicht bei dem Ratschlag mit dem Hammer: Wer Passagiere befördert, solle diesen vor dem Losfahren erklären, wo sie die Notentriegelung finden, falls der Wagen verunglückt. Dieser Punkt ist heikel, denn die Türen des in den Unfall in Brandenburg verwickelten Tesla-Typs lassen sich zwar mechanisch öffnen. Doch die rettenden Mechanismen sind bei Teslas unter Teppichen, Verblendungen und Klappen versteckt, die erforderlichen Handgriffe bei jedem Modell anders. Tesla-Fahrern und jenen der oben genannten Fahrzeugmarken empfiehlt der ADAC deshalb, sich „im Handbuch des Fahrzeugs mit den Möglichkeiten zur Notentriegelung vor Fahrtantritt vertraut zu machen“.

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In Tests hätten die beschriebenen Türgriffe „keine Auffälligkeiten“ gezeigt, schreibt der ADAC weiter. Das könne bei „anderen Unfallszenarien in der Realität“ allerdings anders aussehen.

Der Anwalt des bei dem Unfall in Brandenburg getöteten Abiturienten Noèl sagte in dem Gerichtsprozess über den Unfall-Tesla: „Das Auto ist zugelassen, das ist misslich und da muss sich etwas ändern. Doch im Moment gilt es als rechtlich unbedenklich im Straßenverkehr, was nicht richtig ist.“

Dieser Text erschien zuerst in der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“



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