Abtreibungsbefürworter umarmen sich in Paris, nachdem beide Parlamentskammern in Versailles für die Verankerung des Rechts auf Abtreibung in der französischen Verfassung gestimmt haben.

Abtreibungsbefürworter umarmen sich in Paris, nachdem beide Parlamentskammern in Versailles für die Verankerung des Rechts auf Abtreibung in der französischen Verfassung gestimmt haben.

Foto: DPA/AP/Oleg Cetenic

Die nötige Drei-Fünftel-Mehrheit wurde klar übertroffen. Im Artikel 34 des französischen Grundgesetzes heißt es nun: »Das Gesetz legt die Bedingungen fest, unter denen die garantierte Freiheit der Frau, einen freiwilligen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen, umzusetzen ist.«

Dieses Votum des Kongresses auf einer außerordentlichen Sitzung im Schloss von Versailles – vier Tage vor dem Internationalen Frauentag – ist vor allem ein Sieg der Frauenverbände. Gemeinsam mit den linken Parteien haben sie sich dafür eingesetzt, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch praktisch unumkehrbar zu machen. Es kann jetzt weder durch ein Dekret noch durch ein Gesetz eingeschränkt oder infrage gestellt werden.

Mehrheit der Franzosen für Verankerung in der Verfassung

Umfragen zufolge haben acht von neun Franzosen die Verankerung in der Verfassung befürwortet. Hierbei haben sicher auch die Berichte aus den USA gewirkt, wo in den vergangenen Jahren das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in immer mehr Bundesstaaten abgeschafft wurde. Als ähnlich besorgniserregend wird die Situation in Polen, Ungarn und Italien empfunden, wo klerikal-reaktionäre Kräfte das Recht auf Schwangerschaftsabbruch untergraben.

In Frankreich war der Druck der durch die Frauenverbände mobilisierten Bevölkerungsmehrheit so stark, dass Präsident Emmanuel Macron am 8. März 2023 auf einer Veranstaltung zum Internationalen Frauentag versprach, die Regierung werde ein Gesetz zur »Konstitutionalisierung« vorlegen.

Bis das dann wirklich geschah, verdichtete sich allerdings der Eindruck, dass Macron selbst nicht an die Erfolgsaussichten glaube. Das lag wohl daran, dass im Senat, wo die rechte Opposition die Mehrheit stellt, mit einer Blockade zu rechnen war.

Senat musste vehement überzeugt werden

Als das Gesetz dann dem Parlament vorlag, fand es in der Nationalversammlung erwartungsgemäß eine große Mehrheit, während sich im Senat erbitterte Auseinandersetzungen abspielten. Dabei versuchten Senatspräsident Gérard Larcher und die rechte Oppositionspartei der Republikaner, das Projekt zu Fall zu bringen. Sie behaupteten, eine Verankerung in der Verfassung sei unnötig, weil das Recht auf Schwangerschaftsabbruch längst verbreitete Praxis sei. Außerdem dürfe das Grundgesetz, wie Larcher meinte, »kein Katalog von gesellschaftlichen Ansprüchen« werden.

Doch in den monatelangen Auseinandersetzungen bröckelte die Front der Gegner immer mehr, weil unter ihnen die Befürchtung um sich griff, als nicht mehr auf der Höhe der Zeit zu gelten. Das ging so weit, dass einige Senatoren berichteten, ihre Töchter hätten gedroht, nicht mehr mit ihnen zu reden, sollten sie gegen die Verankerung in der Verfassung stimmen. Schließlich rückte selbst Senatspräsident Larcher öffentlich von seinem früheren Standpunkt ab. Im Ergebnis fand am vergangenen Freitag im Senat die entscheidende Abstimmung statt. Hatten vor Monaten noch mehr als 150 Senatoren dagegen gestimmt, waren es zuletzt nur noch 50.

Regierung muss Abtreibungsrecht umsetzen und finanzieren

Am Montag konnte man die Tagung des Kongresses mit der Rede des Premierministers Gabriel Attal und dem Votum der Abgeordneten und Senatoren per Riesenleinwand live auf dem Pariser Trocadero-Platz verfolgen, wo die Frauenverbände aus diesem Anlass ein großes Fest veranstalteten. Sie stellen sich jetzt als nächstes Ziel, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch durch das Europaparlament und den Rat der EU europaweit durchzusetzen.

In Frankreich selbst gilt es jetzt, dieses nun garantierte Recht auch in der Praxis durchzusetzen. Dafür soll die Regierung gezwungen werden, mehr Einrichtungen zu schaffen und zu finanzieren, wo eine ausreichende Zahl von Medizinern diese Eingriffe vornimmt. Die Verbände verweisen darauf, dass durch Sparmaßnahmen in den vergangenen Jahren 130 solcher Zentren geschlossen wurden. Aus diesem Grund und weil relativ viele Ärzte die gesetzliche »Gewissensklausel« in Anspruch nehmen, fehlt es vielerorts an Medizinern, die den Eingriff vornehmen.

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