Lothar Ebert spricht aus Erfahrung. Rund 100 Mal hat der langjährige Chef des Berliner Spezialeinsatzkommandos (SEK) die Abschiebung krimineller Asylbewerber organisiert. Eberts Team, bewaffnet und gut ausgebildet, stieß dabei fast nie auf Widerstand – es blieb zumeist bei Rempeleien. Ernsthafter Widerstand wurde rigoros gebrochen. 

Als Ebert gestern Morgen auf FOCUS online den Bericht über einen Berliner Clan las , der die Abschiebung eines Anführers mit der Blockade von zwei Kreuzungen und einer Verfolgungsjagd zum Flughafen Berlin-Brandenburg verhindern wollte, dachte der SEK-Veteran gleich an einen brutalen Überfall in Nordfrankreich. Dort, 100 Kilometer nordwestlich von Paris, hatten Angehörige eines marokkanischen Clans vor zwei Wochen einen Gefangenen-Transport überfallen und zwei Justizbeamte erschossen und drei weitere schwer verletzt. Die Täter befreiten ein 18-jähriges Clan-Mitglied aus dem Transporter und flüchteten. 

Clans: Experte befürchtet bewaffneten Attacken auf die Polizei

Ebert befürchtet, dass es künftig bei richterlich verfügten Abschiebungen von Kriminellen aus dem Berliner Clan-Milieu zu ähnlichen bewaffneten Attacken auf die Polizei kommen könnte. Nach Informationen von FOCUS online wurde nach der Straßenblockade vor gut zwei Monaten im Süden von Neukölln das SEK beauftragt, die Transporte gefährlicher abgewiesener Asylbewerber zum Flughafen abzuwickeln.

Bei diesen Einsätzen wurden sogar Störsender eingesetzt, um jegliche Kommunikation des Straftäters mit Komplizen zu unterbinden. Ein einziger Handy-Anruf des vorbestraften Clan-Chefs bei seinen Leuten hatte vor Wochen dazu geführt, dass Straßen und Kreuzungen mit großen Pick-up-Trucks und SUVs blockiert wurden. 

„Wenn Clan-Chef per Anruf Beistand anfordert, wird jeder diesen Befehl befolgen“

Ein Spezialermittler des Berliner Landeskriminalamts (LKA), der sich mit der Organisierten Kriminalität in der deutschen Hauptstadt befasst, sagte zu FOCUS online: „Die Clans erkennen staatliche Autoritäten wie die Polizei überhaupt nicht an. Sie haben für sich ein eigenes Machtgefüge mit eigenen Regeln und Gesetzen geschaffen. Wenn, wie im besagten Fall, ein Clan-Chef per Anruf Beistand anfordert, wird jeder diesen Befehl befolgen. Auch wenn ihm selbst eine Verhaftung oder eine Verletzung drohen. Ansonsten ist er ein Feigling, er verliert sein Gesicht und muss im schlimmsten Fall um sein und um das Leben seiner Familie fürchten.“ 

Heiko Teggatz, stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, nannte die Straßenblockade in Neukölln einen „extremen Vorfall“.  Er fordert, dass „Polizei und Justiz den Clans starke Signale geben.“ Kriminelle Großfamilien glaubten, “dass sie sich in einem rechtsfreien Raum bewegen“, sagte Teggatz in einem Interview. Die offenbar versuchte Gefangenenbefreiung eines Clanchefs sei typisch für die Einstellung mancher kriminellen Großfamilien. 

„Zwischen Polizei und Clans gab es bislang eine rote Linie“, sagt der frühere SEK-Chef Lothar Ebert. „Aber die Gewalt nimmt zu, überall. Meine Polizei-Kollegen müssen sehr vorsichtig sein!“





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