Man stelle sich eine enge Zelle vor, gerade breit und tief und hoch genug, um einen Menschen mit Gewalt hineinzupressen. Man stelle sich vor, die einzige Tür zu dieser Zelle verschlösse sich mit einem Krachen, das der nun Gefangene jedoch nicht hörte, da seine Ohren vorab mit Kopfhörern versiegelt wurden.

Aus diesen Hörern erschallte jetzt ohrenbetäubende, ja, gehörschädigende, russische Technomusik. Grelle Lichtblitze zuckten begleitend von der bebenden Decke, direkt am Scheitel des Gefangenen. Dessen nackte Haut drückte sich gegen den kalten Beton, wände sich unruhig gegen ihn, schabte sich an ihm ab, während die Luft im Gewitter dünner und dünner würde.

Was wie der Beginn – oder das Ende – eines Thrillers klingen mag, ist in Wirklichkeit Alltag in den Ausbildungsstätten des Bundesnachrichtendiensts. „Überlebens-, Ausweich-, Widerstands- und Fluchttraining“ heißt der Lehrgang, der Geheimdienstanwärtern lehren soll, mit etwaigen Folter- und Verhörsituationen umzugehen. Wer die Strapazen nicht übersteht, ist für den Geheimdienst nicht geeignet, wird aussortiert.

Jemand, der diese und weitere Proben bestanden hat, ist die 27-jährige Deutsche Eva. Der „Bild“ hat sie erzählt, wie sie ihr Leben als Geheimagentin im Auftrag Deutschlands mit ihrem Privatleben vereinbart.

Eva: „Nur meine Eltern und engsten Freunde wissen, wo ich arbeite“

Neben dem genannten Lehrgang sei sie im Nahkampf geschult worden, sagt Eva. Das Schießen sei ihr beigebracht worden, Vernehmungen, Observationen, Arabisch. Nebenbei habe sie eine nachrichtendienstliche Ausbildung und ein Studium als Verwaltungswirtin abgeschlossen. Diese Vielfältigkeit helfe ihr, bei Operationen unterschiedliche Identitäten anzunehmen.

„Fragen mich andere [was ich beruflich mache], sage ich, dass ich in einer Verwaltung arbeite“, sagt Eva. Das beuge Nachfragen vor, denn: „[Verwaltung] klingt nicht spannend.“

Überhaupt sei es eine Herausforderung, ihre wahre Biografie nicht mit den falschen – sogenannte „Legenden“ – durcheinanderzubringen. Das erfordere viel Training und Disziplin. „Nur meine Eltern und engsten Freunde wissen, wo ich arbeite“, sagt Eva. „Was ich genau mache, weiß keiner.“ Eine langfristige Beziehung habe sie nicht.

Frauen haben als Geheimagentinnen manchmal Vorteile gegenüber Männern

Mehr als jeder Dritte der rund 6500 BND-Mitarbeiter ist eine Frau. So auch Evas Kollegin, die 33-jährige Geheimagentin Caroline. „Uns werden schneller intimere Dinge erzählt“, sagt Caroline. „Und: Wir erfahren Dinge, die die Öffentlichkeit nie zu hören bekommen würde. Das macht die Arbeit so spannend.“

Um den Zielpersonen diese intimen Informationen zu entlocken, müsse man auch mal moralische Grenzen überschreiten. Aber jede Agentin dürfe ihre Grenzen selbst festlegen. „Wir tun Dinge, die andere für verwerflich halten“, sagt Caroline. „Wir haben immer das Ziel im Blick, werden [aber] zu nichts gezwungen.“

Oft erfolgt der Informationsgewinn über Annäherung an Angehörige der Zielperson

Auf einen typischen Einsatz bereite sie sich monatelang vor, sagt Caroline. Einmal sei ihr Ziel ein Geschäftsmann aus dem Nahen Osten gewesen, der im Verdacht stand, Terrorgelder über Dritte nach Deutschland zu schaffen.

„Direkt an ihn war kein Herankommen“, sagt Caroline. „Unser Plan war es, über seine Cousine Informationen über ihn zu gewinnen, so in sein persönliches Umfeld zu gelangen.“ Nach eingehender Recherche habe sie erfahren, dass die Cousine einen Sprachkurs besucht. Zu diesem habe sie sich ebenfalls angemeldet und mehrere „zufällige“ Begegnungen herbeigeführt.

„Wir freundeten uns an“, sagt Caroline. „Ich war drin!“ Das Operationsergebnis habe ihren Auftraggeber zufriedengestellt – Details dürfe sie jedoch nicht verraten.

Ein anderes Mal sei sie der Tochter eines arabischen, hochrangigen Sicherheitsoffiziers ins Ausland gefolgt, habe sich in ihre Universität eingeschrieben und monatelang eine Beziehung zu ihr aufgebaut. Schließlich sei die Zielperson zu Besuch gekommen. Als enge Vertraute sei sie zu dem Familientreffen eingeladen worden, sagt Caro, und habe bei diesem Treffen ihre eigentliche Operation gestartet.

Deutschlands Geheimdienst wird im weltweiten Vergleich als schwach bezeichnet

Trotz der rigorosen Ausbildung und Vorbereitung seiner Geheimagenten gilt der deutsche Geheimdienst im internationalen Vergleich als schwach. Als Grund dafür wird häufig die relativ strenge Gesetzestreue des Bundesnachrichtendiensts genannt, die seine Agenten davon abhält, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen.

Erst kürzlich war bekannt geworden, dass ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendiensts dem russischen Geheimdienst jahrelang Informationen zuspielte. Involviert in diese Affäre war nach aktuellen Erkenntnissen auch ein russischer Spion, der mindestens vier verschiedene Identitäten gleichzeitig aufrechterhält – eine davon als Rapper .





Source link www.focus.de