1. Die Ausgangslage: Jeden 20. Euro einsparen

Gemäß seinen bisherigen Plänen wollte Finanzminister Christian Lindner (FDP) im Jahr 2025 rund 25 Milliarden Euro einsparen, berichtet die „Bild“. Andere Quellen nennen ähnliche Zahlen.

Die Beträge entsprechen rund fünf Prozent des gesamten Bundeshaushalts 2024 in Höhe von 477 Milliarden Euro, also rund einem Zwanzigstel.

Einzelne Ministerien trifft der Plan hart: Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) will Lindner jeden fünften Euro streichen, Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) jeden achten. Eine Herausforderung für beide, die gegen internationale Konflikte und eine bröckelnde Infrastruktur kämpfen. Baerbock müsste laut „Spiegel“ humanitäre Hilfen, etwa für den Gazastreifen, um rund die Hälfte kürzen.

2. Das Problem: Die Minister rebellieren

Einige Minister widersetzen sich Lindners Sparplänen. Baerbock, Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) wollten bereits im Vergleich zu Lindners bisherigen Budgets mehr Geld.

3. Die Zusatzschwierigkeit: Knapp 50 Prozent mehr sparen

Die Spannungen zwischen Lindner und seinen Amtskollegen dürften zunehmen: Die Steuerschätzer haben die erwarteten Steuereinnahmen für das Jahr 2025 nach unten korrigiert. Bund, Länder und Kommunen müssen mit 22 Milliarden Euro weniger auskommen als angenommen. Elf Milliarden Euro davon entfallen auf den Bund.

Wegen der Schuldenbremse darf der Bund die Lücke nicht durch Kredite schließen. Finanzminister Linder will die elf Milliarden Euro – knapp 50 Prozent zusätzlich zu den bisherigen Einsparungen – den Ministern zusätzlich streichen.

Der Staat habe ein Ausgabenproblem, kein Einnahmenproblem, meint Lindner in Hinblick auf rebellierende Minister. Die Frage lautet als: Wo kürz die Regierung?

4. Was nichts bringt: Die lautesten Debatten

Gerade die öffentlichkeitswirksamsten Spardebatten bringen wenig: Die Ministerien der rebellierenden Minister erhalten zusammen weniger, als Linder 2025 einsparen muss.

Ein Beispiel: Die in der Öffentlichkeit viel diskutierten Radwege in Peru, die von der Entwicklungshilfe mitfinanziert wurden, erhielten 20 Millionen Euro, sagte eine Sprecherin der „Tagesschau“. Das entspricht rund einem Zweitausendstel des einzusparenden Betrags. Viele andere Projekte fördert das Ministerium über Kredite, bekommt das Geld also zurück.

So wichtig es ist, dass Ministerien Steuergelder sorgfältig ausgeben, die Haushaltsprobleme lösen Kürzungen in diesen Bereichen nicht.

5. Die Möglichkeiten: Rente? Zukunft?

Die Möglichkeiten der Bundesregierung für große Einsparungen bleiben begrenzt. Die rechnerisch einfachste Option liefert das Ministerium für Arbeit und Soziales von Hubertus Heil (SPD).

Im Jahr 2024 erhält das Arbeitsministerium mit weitem Abstand den größten Betrag aus dem Bundeshaushalt: 176 Milliarden Euro. Um insgesamt 36 Milliarden Euro einzusparen, müsste aber selbst das finanziell größte Ministerium jeden fünften Euro streichen. Eine Herausforderung.

Die nächstgrößten Ausgabenposten des Bundeshaushalts erschweren Linder ebenfalls Kürzungen:

  • Verteidigung und Infrastruktur brauchen eher mehr Geld als weniger. Kürzt Lindner hier, riskiert er die Zukunft von Wirtschaft und Klimapolitik.
  • Die Zinsschulden sind fix.
  • Die allgemeine Finanzverwaltung braucht Geld zum Aufbau der Aktienrente.

Alle anderen Ressorts bekommen ohnehin zu wenig Geld, um nennenswerte Beiträge zur 36-Milliarden-Euro-Sparpaket zu leisten.

  • Das nächstgrößte Budget, das des Bildungsministeriums, beträgt 21 Milliarden Euro und bedürfte angesichts von Investitionsstau und Zukunftsaufgaben bei Unis und Schulen eher einer Aufstockung als einer Kürzung.
  • Selbst wenn die Bundesregierung das gesamte Ministerium auflöst, reichen die Einsparungen nicht.
  • Einschneidenden Kürzungen gefährden die ohnehin schwächelnde Wettbewerbsfähigkeit des Standorts.

6. Die Generationenfrage: Bei der Rente sparen?

Aus den vielen schlechten Sparmöglichkeiten sticht das Ministerium für Arbeit und Soziales hervor, weil es zumindest die theoretische Möglichkeit für ausreichende Einsparungen bietet.

Den mit Abstand größten Teil seiner Ausgaben schießt das Ministerium der Rente zu: fast drei Viertel, rund 127 Milliarden Euro. Spart die Regierung an diesem Punkt, muss sie entweder die Renten kürzen oder die Beiträge erhöhen.

Deutschland steht also vor einer Generationenfrage: Spart die Regierung bei Älteren, indem sie ihnen die Rente kürzt, oder bei Jüngeren, indem sie Zukunftsinvestitionen in Infrastruktur, Bildung und Wirtschaft streicht? Oder beides?

Wir schwer mögliche Einsparungen die Menschen treffen, zeigt ein Beispiel: Ein sofortiges Ende der Rente mit 63 spart dem Bund 2025 acht Milliarden Euro, hat das Prognos-Instituts im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft errechnet. Selbst wenn die Regierung mit diesem Geld nur ihre eigenen Zuschüsse zur Rente senkt, nicht die Beiträge der Angestellten, stopft dieser einschneidende Eingriff das Haushaltsloch nicht einmal zu einem Viertel.

Auch beim Bürgergeld bleiben Einsparungen schwierig: Im Jahr 2024 plant das Ministerium – Zuschüsse zu Wohnung und Heizung miteingerechnet – rund 38 Milliarden Euro ein. Das entspricht fast exakt dem Fehlbetrag. Die Ampel müsste Arbeitslose also ersatzlos auf die Straße setzen, um ihre Haushaltslücke über das Bürgergeld zu schließen.

Das derzeitige Recht koppelt das Bürgergeld aber an das Existenzminimum. Das lässt wenig Spielraum bei der Höhe. Die Beträge um die Hälfte zu kürzen, dürfte am Bundesverfassungsgericht scheitern.

7. Das drohende Unheil: Noch höhere Ausgaben

Steigen die Steuereinnahmen in den kommenden Jahren nicht deutlich, spitzt sich die Haushaltskrise künftig weiter zu.

Derzeit eng bemessen ist das Budget von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD): Lindner gesteht ihm als einigen der wenigen Minister im Jahr 2025 zwar mehr Geld zu als im Jahr 2024, knapp ein Prozent. Weil die Wirtschaft im gleichen Zeitraum laut aktueller Prognosen aber mit rund 1,4 Prozent stärker wächst als die Militärausgaben, entfernt sich Deutschland trotz der Erhöhung weiter vom Ziel, zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung in die Rüstung zu investieren.

Noch gleicht der Bund die Lücke über das 100-Milliarden-Sondervermögen der Bundeswehr aus. Ist dieses in drei bis vier Jahren aufgebraucht, muss die Bundesrepublik ihren Verteidigungshaushalt von derzeit 52 Milliarden Euro um einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag aufstocken. Dann stellt sich wieder die Ausgabenfrage: Bei der Rente sparen oder bei der Infrastruktur?

8. Die andere Möglichkeit: Mehr Einnahmen!

Statt Geld zu sparen, könnte die Bundesregierung auch neue Einnahmen erzielen, um das Haushaltsloch zu stopfen.

Einige Möglichkeiten verschonen Privatpersonen fast vollständig: Eine Finanztransaktionssteuer von 0,2 Prozent auf den hochfrequenten Handel mit Aktien und Derivaten brächte Deutschland drei bis fünf Milliarden Euro Einnahmen, errechnete das Institut für Wirtschaft Kiel.

Kein Allheilmittel, aber ein Anfang. Bislang hat sich ein entsprechender Vorstoß der Bundesrepublik und Frankreichs auf Bundesebene aber noch nicht durchgesetzt.

Hochfrequenzhandel betreiben nur große Anleger wie Banken. Endkunden entstehen dadurch eher Zusatzkosten, weil Banken Aktien schnell kaufen und mit minimalem Gewinn an Kunden weiterverkaufen, sobald diese eine Order aufgeben.

9. Das Undenkbare: Neue Schulden! Aber wie?

Die Bundesregierung vermeidet viele Haushaltsprobleme, wenn sie ihren Haushalt durch neue Schulden ausgleicht. Derzeit begrenzt die Schuldenbremse diese Möglichkeit. Vertreter von SPD und Grünen sowie zahlreiche renommierte Wirtschaftsexperten werben daher für eine Reform der Schuldenbremse.

FDP und CDU stemmen sich gegen diesen Schritt. Selbst wenn die Änderung neue Schulden nur für Investitionen erlaubt, fürchten sie, künftige Regierungen bezeichneten alle Ausgaben als Investitionen und vergäßen solide Haushaltspolitik.

Diese Befürchtung ist nicht unbegründet: Als Beispiele für Investitionen nennen Beobachter unter anderem Ausgaben für Infrastruktur, Wirtschaft und Bildung. Im Bundeshaushalt 2024 machen diese Ausgaben rund ein Sechstel der Gesamtausgaben aus. Wer Investitionen aus der Schuldenbremse ausklammert, lässt also möglicherweise viele Schulden zu.

Vorerst zeichnet sich keine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag ab, die für eine Änderung der Schuldenbremse nötig wäre.

10. Der Kompromiss: Noch ein Sondervermögen

Unlängst schlugen Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), und Sebastian Dullien, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) einen Kompromiss vor: Ein neues Sondervermögen solle über zehn Jahre jährlich 60 Milliarden Euro an Krediten für Investitionen in Straßen, Schulen und Energieprojekte bereitstellen.

Im Gegensatz zu Schuldenbremse begrenzt diese Lösung die Ausgaben deutlicher, bleibt transparent und wäre politisch leichter durchsetzbar.

Leisten können sich Deutschland das, meinen die Experten. Ihr Plan bringe dem Land mehr Wirtschaftswachstum als neue Schulden, wodurch die Schuldenquote sogar sinke.

11. Das Allheilmittel: Schluss mit Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung und Sozialbetrug

Die Ampel könnte sich alle Ausgaben problemlos leisten, entgingen ihr nicht durch Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit jährlich Milliarden. Experten sprechen von Ausfällen in Höhe von 100 Milliarden Euro jährlich.

Hinzu kommen rund 20 Milliarden Euro jährlich durch Sozialbetrug: Manche Schwarzarbeiter beziehen auch Bürgergeld. Andere Empfänger erlügen sich mehr, als ihnen zusteht.

Macht insgesamt rund 120 Milliarden Euro, die dem Staat durch Betrug entgehen. Mehr als genug, um alle Löcher zu stopfen und kräftig in die Zukunft zu investieren.

Die Ämter hoffen auch auf Künstliche Intelligenz, um Betrug schneller zu erkennen. Grundsätzlich bleibt die Bekämpfung aber schwierig.

Deshalb muss bis auf Weiteres jeder bei sich selbst anfangen: Bezahlen alle Menschen in Deutschland ihre Putzkräfte und Handwerker korrekt, kann sich der Rest des Landes Jung-gegen-Alt-Verteilungskämpfe sparen. Wer eine auskömmliche Rente will – und wer will das nicht –, entscheidet auf diesem Weg mit, ob der Staat sich diese leisten kann.





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