Brüssel. Dass sie aufgeregt ist, merkt man Sabrina Repp (SPD) nicht an. Die 25-Jährige ist die jüngste deutsche Abgeordnete und neu im Europäischen Parlament. Mit strammem Schritt geht sie auf den Eingang zu, es ist ihr erster Tag als EU-Politikerin. „Ich freue mich tierisch“, sagt sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), bevor sie durch die Drehtür geht. Eigentlich muss sie ihren Hausausweis vorzeigen, doch als neue Abgeordnete hat sie noch keinen. Ihr Personalausweis genügt am kleinen Empfang, der eigens für die Neulinge aufgebaut wurde.

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Am Vorabend war sie aus Rostock angereist. Weil der Weg mit dem Zug zu lange gedauert hätte, nahm sie von Hamburg nach Brüssel den Flieger. Eine Wohnung muss sie sich noch suchen, bisher hatte sie sich auf den Wahlkampf konzentriert. Zwar galt der Einzug ins Parlament mit ihrem Listenplatz elf als sicher, aber ein Restrisiko blieb. „Es ist immerhin eine Wahl und wenn es am Ende nicht klappt, habe ich eine Wohnung in Brüssel am Hals.“

Die SPD-Abgeordnete Sabrina Repp aus Rostock wurde 2024 ins Europäische Parlament gewählt.

Die SPD-Abgeordnete Sabrina Repp aus Rostock wurde 2024 ins Europäische Parlament gewählt.

Nun steht Repp im Erdgeschoss des Europaparlaments, einem riesigen weitverzweigten Gebäude im Europaviertel von Brüssel. Ihr erster Weg als neue Abgeordnete führt sie zum „Welcome Village“ der Parlamentsverwaltung. Dort muss jeder und jede (wieder)gewählte Abgeordnete die persönliche Anschrift und die Kontoverbindung hinterlegen sowie die Regeln für Interessenskonflikte und angemessenes Verhalten gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterschreiben. Erneut zeigt Repp ihren Personalausweis vor und die Saaldiener des Parlaments, die kurzerhand zu Türstehern des Welcome Village wurden, lassen sie passieren.

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Vor zwei Monaten war die SPDlerin schon einmal in Brüssel, um einen Blick ins Parlament zu werfen, um nicht ganz ins kalte Wasser geworfen zu werden. Ihr Weg führte sie damals auch zur Landesvertretung von Mecklenburg-Vorpommern bei der Europäischen Union. Zwei Strandkörbe gab es dort, sagt sie mit leuchtenden Augen, aber für ein Probesitzen blieb keine Zeit. Stattdessen erzählte sie dort, dass Strandkörbe aus sozialdemokratischer Perspektive recht problematisch seien, jedenfalls ihrem historischen Ursprung nach. „Sie waren für die gutbürgerliche Gesellschaft, die nicht mit den anderen am Strand liegen wollten.“ Das Personal in der Landesvertretung dürfte nicht schlecht gestaunt haben. Denen war aber ein anderes Thema wichtiger: Was passiert mit dem dritten Strandkorb, den sie Repps Vorgänger geliehen hatten? Er steht noch in seinem Büro im EU-Parlament – wird Repp den Strandkorb übernehmen? Entschieden hat sich die 25-Jährige noch nicht. Schließlich wissen sie ja noch gar nicht, wie groß ihr künftiges Büro sein wird. Ein Telefonat mit ihrem Vorgänger soll am nächsten Tag eine Entscheidung bringen. Einer von vielen Punkten auf der langen Erledigungsliste.

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Was in Brüssel passiert und Europa bewegt: Unser RND-Korrespondent Sven Christian Schulz liefert EU-Insights und Hintergründe – immer donnerstags.

Dass sie als jüngste deutsche Abgeordnete von so manchem Urgestein im Parlament belächelt werden könnte, darauf stellt sich die 25-Jährige bereits ein. „Es wird eine Herausforderung, keine Frage“, sagt sie. Den Konflikt scheue sie nicht und weiß mit anderen jungen Abgeordneten ihrer Partei mehrere erfahrene Kolleginnen an ihrer Seite. Junge Frauen hätten es in der Politik grundsätzlich schwer, sagt sie, wie so häufig in höheren Gesellschaftsschichten.

„Junge Frauen haben es in der Politik grundsätzlich schwer, wie so häufig in höheren Gesellschaftsschichten.“

Sabrina Repp (SPD),

jüngste deutsche EU-Abgeordnete

Im Wahlkampf musste sie sich immer wieder für ihr Alter rechtfertigen: Sei sie überhaupt alt genug für den Job als EU-Politikerin? Doch Repp ist überzeugt, dass auch die Jungen Verantwortung übernehmen und die Zukunft gestalten müssten. Sie selbst würde gerne im Ausschuss für regionale Entwicklung mitarbeiten, auch der Verkehrs- und Tourismus-Ausschuss reizt sie. „Ich will die grenzüberschreitende Infrastruktur zu Polen verbessern, das ist ein Riesenthema, und günstige Bahntickets in ganz Europa.“ Doch noch muss sie sich gedulden. Erst im Juli werden die Sitze in den Ausschüssen verteilt.

Die SPD-Abgeordnete Sabrina Repp aus Rostock wurde 2024 ins Europäische Parlament gewählt.

Die SPD-Abgeordnete Sabrina Repp aus Rostock wurde 2024 ins Europäische Parlament gewählt.

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Als Repp nun durch die Gänge des Parlaments läuft, ist sie überrascht. „Ich habe erwartet, dass noch viel mehr los ist“, sagt sie, „viel mehr Gewusel“. Die Rostockerin will einen guten Job machen und die Menschen in ihrer Heimat nicht enttäuschen. Ihre Wählerinnen und Wähler hätten ihr einen Vertrauensvorschuss gegeben und würden am Ende Bilanz ziehen. Die Erwartungen seien hoch. Immerhin gab es in den letzten fünf Jahren keinen SPD-Abgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern in Brüssel.

Einen Teil ihrer langen To-do-Liste hat Repp schon abgearbeitet. Ein zweites Konto musste sie eröffnen, auf dass ihr das Parlament zum Beispiel die Büropauschale überweist. Flüge und Hotels für die ersten Termine in Brüssel und Straßburg hat sie auch schon gebucht. Im Welcome Village erklärt ihr ein Mitarbeiter der Parlamentsverwaltung, welche Kosten sie erstattet bekommt und welche Formulare sie dafür braucht. Später werden das ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für sie übernehmen. Die muss die 25-Jährige aber erst noch finden. Sie will auf das erfahrene Personal der ausgeschiedenen SPD-Abgeordneten setzen. „In der Anfangszeit bin ich wie eine Praktikantin, weil für mich hier alles neu ist“, sagt sie und lacht. Denn eigentlich ist sie die Chefin. In wenigen Wochen will sie alle Personalfragen entschieden haben, eine Teamklausur plant sie für Ende August.

„Belgische Waffeln und natürlich das EU-Parlament“, das war bisher ihr Bild von Brüssel. Nun kamen noch Fritten dazu: An ihrem ersten Abend ging Repp mit zwei andere SPD-Abgeordneten Pommes essen, in der bekannten Friterie am Place Jourdan, wo schon Angela Merkel eine Pommestüte bestellte. Nicht die besten Fritten, sagen die Brüsseler, aber die berühmtesten. EU-Politikerin Repp bleiben nun fünf Jahre, um die vielen Pommesbuden auszuprobieren. Ihre Zeit in Brüssel hat gerade erst begonnen.



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