Stuttgart – Das zweite Spiel, das ominöse, weil meist verflixte zweite Gruppenspiel bei einem Turnier stand an. Die Partie gegen Ungarn brachte so viele Gefahren mit sich. Doch die deutsche Nationalmannschaft löste die knifflige Aufgabe mit Bravour, gewann in Stuttgart mit 2:0 dank der Treffer von Jamal Musiala und Ilkay Gündogan und ist: weiter!

Bereits nach zwei Partien sicher im Achtelfinale. Sie scheinen die perfekte Turnier-Welle erwischt zu haben, die Fans skandierten bereits “Berlin! Berlin! Wir fahren nach Berlin!”

“Die Nationalmannschaft ist noch immer in der Lage ein Land anzuzünden”

Einen Angstgegner besiegt, das schwierige zweite Spiel anders als so oft (1:2 gegen Kroatien 2008 oder 0:1 gegen Serbien 2010) schadlos überstanden und zur Belohnung nun ein drittes Match, in dem es lediglich um den Gruppensieg oder Platz zwei geht – gegen die Schweiz am Sonntag in Frankfurt. Mit der Euphorie im Rücken.

Mittelfeld-Boss Toni Kroos will die Stimmungswelle auf jeden Fall weiter reiten: “Es ist schön zu sehen, dass die Nationalmannschaft noch immer in der Lage ist ein Land anzuzünden. Ich spüre, dass da eine richtig gute Einheit ist und hoffe, dass uns das uns insgesamt recht weit trägt.”

Mit diesem Sieg konnte Deutschland nach drei Spielen erstmals wieder gegen Ungarn gewinnen. Bei der letzten EM hatte es 2021 in München ein 2:2 gegeben samt homophoben Verfehlungen der Gäste-Fans auf der Tribüne. Auch in der Nations League ärgerten die Magyaren das DFB-Team (1:1 und 0:1). Diesmal siegte die in allen Facetten bunte Gastgeber-Mannschaft – Rache ist pink. Und das unter den Augen von Viktor Orbán, dem umstrittenen Regierungschef Ungarns, sowie Bundeskanzler Olaf Scholz.

DFB-Team: Erst Durchschnaufen, dann schreibt Musiala Geschichte

Zum kickenden Personal: Nichts Überraschendes. Nagelsmann schickte dieselbe Elf auf den Rasen, die in München das Eröffnungsspiel gegen die Schotten mit 5:1 gerockt hatte. “Es gibt jetzt keinen Grund, etwas zu ändern.” Das Motto für Stuttgart lautete laut Nagelsmann: “Wir müssen nachlegen. Sonst starten wir quasi bei null.”

Erstmal bei dieser EM im pink-lila Auswärtstrikot angetreten, musste die Heim-Elf gleich in der ersten Minute nach raschem Ballverlust trotz Anstoß eine Schrecksekunde verdauen. Weil Kimmich einen viel zu kurzen Rückpass Richtung Neuer spielte, muss dieser Schienbein und Kragen riskieren, da Freiburg-Profi Roland Sallai frei vor ihm auftauchte. Doch der Nationaltorhüter war schnell herausgestürmt, klärte den Ball.

Danach übernahm die Heimmannschaft das Angriffskommando. Die Ungarn verteidigten vielbeinig und mit der Leidenschaft als zwölftem Mann, durchaus auch mutig im Spiel nach vorne. Dann das 1:0, über das sich die Gäste vehement bei Schiedsrichter Danny Makkelie (Niederlande) beschwerten.

Wirtz und Musiala kombinierten sich Richtung Strafraum, Gündogan rempelte gegen Ungarns Abwehrchef Willi Orban von RB Leipzig, eroberte den Ball und passte an Torhüter Peter Gulacsi vorbei zurück zu Musiala, der zur Führung einschoss. Der zweite Turniertreffer des Bayern-Profis, der im Alter von 21 Jahren, drei Monaten und 23 Tagen sein zweites EM-Tor erzielte. Nur vier Spielern gelang dies jünger: Wayne Rooney, Cristiano Ronaldo, Ferenc Bene, ein Ungar, und der Däne Mikkel Damsgaard.

DFB-Team stellt neuen EM-Vorrunden-Rekord auf

Vier Minuten später um ein Haar, bzw. um zwei Hände von Neuer der Ausgleich: Der Ex-Leipziger Dominik Szoboszlai, nun beim FC Liverpool, schlenzte einen Freistoß stark aufs kurze Kreuzeck, doch Air Neuer flog richtig, landete perfekt – und entschärfte die Situation mit beiden Pranken bärenstark (26.).

In der Folge fand die Partie fast ausschließlich in der Hälfte der Ungarn statt, ballsicher und dominant zog die DFB-Elf ihr Passspiel auf. Beste Chance: Musialas Schuss ans Außennetz, der zu einem Aufschrei führte (44.). In der Nachspielzeit war der Ball dann drin: Nach einem Freistoß von Szoboszlai köpfte Sallai ein – Abseits. Durchatmen in der Schwüle.

Nach dem Wechsel erhöhte Gündogan nach hervorragendem Zuspiel von Lokalmatador Maximilian Mittelstädt auf 2:0 (67.). Als Zuckerl wechselte Nagelsmann die Schwaben Führich und Undav ein. Kimmich rettete noch auf der Linie (90.), das war’s.

Mit nun sieben Toren spielt Deutschland seine torreichste EM-Gruppenphase überhaupt, auch bei der WM 2014 in Brasilien waren es so viele (nach drei Partien) – das glorreiche Ende ist bekannt. Nagelsmanns zufriedenes, aber auch ehrliches Schlusswort: “Es war eine reife Leistung, im November hätten wir das Spiel nicht gewonnen.”





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