Die gelbe Wand in Dortmund ist legendär: 25.000 Menschen verwandeln die Südtribüne bei einem normalen Bundesliga-Spiel von Borussia Dortmund in ein schwarz-gelbes Meer. Die gelbe Wand kann magische Kräfte freisetzen, heißt es. Am Dienstag, um 18 Uhr (RTL und MagentaTV), wird dieser Ort in die rot-weißen Nationalfarben der Türkei getaucht sein, wenn die Mondsterne (Ay-Yildizlilar) in Gruppe E in ihrem ersten EM-Spiel auf Außenseiter Georgien treffen. Das ist keine Sensation, schließlich leben in Deutschland knapp drei Millionen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund.

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So darf man getrost davon ausgehen, dass es ein echtes Heimspiel werden wird für die Mannschaft von Trainer Vinzenco Montella gegen den Außenseiter und 75. der Weltrangliste. Es wird eine fantastische Stimmung auf den Rängen herrschen, weil die türkischen Fans bekannt dafür sind, dass sie ihre Helden in Fußballhosen leidenschaftlich bis bedingungslos unterstützen.

Daum: Türkei-Fans verteidigen Team, „als ginge es um ihre eigene Familie“

Zuletzt bekam das die deutsche Nationalmannschaft allerdings auf unangenehme Art und Weise zu spüren. Im ausverkauften Berliner Olympiastadion gab es im vergangenen November gegen eine türkische B-Elf nach 90 wilden Minuten eine 2:3-Niederlage, die unterfüttert wurde von einem 90-minütigen und gellenden Pfeifkonzert gegen den Gastgeber. Dies sorgte auch auf politischer Ebene für reichlich Irritationen und Debatten. Der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte seinerzeit: „Es muss alle schmerzen, wenn in Deutschland geborene oder aufgewachsene Menschen bei einem Länderspiel in Deutschland die deutsche Nationalmannschaft auspfeifen.“

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Christoph Daum, der acht Jahre lang in der Türkei arbeitete, mit den Spitzenklubs Fenerbahce und Besiktas Istanbul insgesamt drei Meisterschaften feierte, Pokalsieger wurde und zweimal den Supercup gewann, erzählt im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), zu dem auch der Sportbuzzer gehört, von „patriotischen Fans, die ihre Nationalmannschaft gegen jeden Gegner verteidigen, als ginge es um ihre eigene Familie“.

Der dabei aufkommende Eindruck, die Spieler und die Bevölkerung stünden „wie ein Mann“ hinter dem konservativen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, täusche allerdings. Daum sagt: „Das Land, ähnlich wie in den USA, ist in zwei Teile zerrissen. Viele Menschen unterstützen die Fundamentalisten, allerdings sehnen sich auch mindestens 50 Prozent nach Freiheit und Liberalität, sie verurteilen das autoritäre Regime und wünschen sich, dass sich das Land mehr den westeuropäischen Lebensstil annähert. Es gibt nicht DIE Türkei. Ich denke, diese EM wird genau das belegen. Ich bin davon überzeugt, dass die türkischen Fans die EM nicht dafür nutzen werden, um politische Statements abzugeben, sondern ausschließlich und voller Leidenschaft ihre Mannschaft unterstützen werden.“

Daum: Türken glauben stets, sie seien „so eine Art Geheimfavorit“

Die Hingabe und Unterstützung von den Rängen könnte nach Ansicht des 70-Jährigen dafür sorgen, dass das Team um Kapitän und Mittelfeldstar Hakan Calhanoglu von Inter Mailand auf einer Welle der Euphorie reiten könnte. „Sie haben stets den Glauben, dass sie so eine Art Geheimfavorit seien. Dazu kommt: Sie haben stets das Gefühl, dass sie benachteiligt werden.“

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Ein Titel wäre natürlich eine Fußball-Sensation, dafür werde es nach Ansicht des einstigen Stuttgarter Meistertrainers aber nicht reichen, sondern: „Ich gehe davon aus, dass sie hinter Portugal Gruppenzweiter werden. Vielleicht überstehen sie dann noch, je nach Losglück, das Achtelfinale. Aber für mehr wird es nicht reichen, da die Qualität der Spieler nicht ausreicht, um im Konzert der großen europäischen Fußballnationen mitzuspielen.“



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