Druck hat viele Facetten. Es gibt Druck zur leistungsfähigen Selbstkontrolle, zur individuellen Selbstverwirklichung, zur edelmütigen Selbstwirksamkeit, zur schöpferischen Selbstlosigkeit, und schon für sich genommen lastet jeder davon tonnenschwer auf Individuen von heute. Fast nirgendwo aber legt er sich so wie auf Eltern und die, die es werden wollen. Bert und Kirstie zum Beispiel.

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Eben noch haben sie sich erst kennen-, dann lieben gelernt und sich trauen lassen. Als ihre Familienplanung beginnt, ereilt das junge Glück mächtiges Pech: Die Spermien des belgischen Fernfahrers mit der Physis eines kanadischen Holzfällers sind zu träge. Eine Kinderwunschklinik verspricht zwar Abhilfe. Doch die In-vitro-Fertilisation will nicht klappen, weshalb Bert (Dominique Van Malder) fast mehr noch als Kirstie (Janne Desmet) zusehends verzweifelt. Und nicht nur er.

Eine Notgemeinschaft unerfüllter Kinderwünsche

Im Wartezimmer treffen die zwei Enddreißiger auf vier Schicksalsgenossen. Die halb so alte Charlie (Roos Dickmann) leidet am seltenen Syndrom frühzeitiger Wechseljahre und will nur Wochen, nachdem sie sich in Ziggy (Achraf Koutet) verliebt hat, eine der letzten Eizellen isolieren, um ein Baby mit dem süßen Träumer zu machen. Die lesbische Ellen (Jade Olieberg) versucht dagegen seit Monaten erfolglos, mithilfe eines privaten Samenspenders schwanger zu werden, und setzt auf eine Hormonbehandlung.

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Weil das lebensbedrohliche Komplikationen nach sich ziehen könnte, soll ihre Partnerin als Mutter einspringen. Leider weigert sich Zwo (Evelien Bosmans) beharrlich und stellt die Beziehung damit auf weitere Proben. Vereinigt unterm Druck missratener Fortpflanzungsversuche, kommen sich die sechs Gleichgesinnten näher und bilden das, was Leander Verdievel und Zita Theunynck auf Grundlage eigener Erfahrungen ins Drehbuch der Neo-Serie „The Club“ geschrieben haben: eine Notgemeinschaft unerfüllter Kinderwünsche.

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Nach „Mille Grazie“ holt sich auch „Kult“ auf Anhieb Platz eins in der Albumhitparade – und wieder dreht sich fast alles um Bella Italia. Die sechs Musiker aus Bayern sind ein Phänomen zwischen Pop und Fiktion. Wie erklärt sich ihr Erfolg?

Serie „The Club“: weder vojeuristisch noch schamhaft

Toon Slembrouck macht seine Mitglieder zu Teilnehmern einer psychosozialen Studie, die von Beginn an so erhellend wie ergreifend, bitter und lustig ist. Mit viel Gespür für die Intimität ihrer Situation, lässt der Regisseur seine Figuren weder voyeuristisch noch schamhaft von anfänglicher Hoffnung über aufkeimendes Verzagen ins offene Ende erfüllter bis gescheiterter Sehnsüchte treiben. Selten war ein Kaleidoskop menschlicher Träume auf so bunte Art trist und umgekehrt.

Obwohl er den Charakteren dabei ohne falsche Sentimentalitäten näherkommt als im ausgenudelten Medical-Genre üblich, skizziert Slembrouck nebenbei aber auch noch die Leistungsgesellschaft, in der sich alle bewegen – ein Selbstoptimierungssystem, dem sich auch kritische Geister unterordnen. Sinnbildlich dafür steht „Club“-Ärztin Dr. Deseure – eine Pragmatikerin, die mit Fachvokabular wie „Laparoskopie“ um sich wirft und der heulenden Ellen nach einer Gruseldiagnose tonlos „ich fürchte, dass das für Sie biologisch nicht mehr möglich ist“ an den Kopf knallt.

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Kein öliges Happy End

Klingt herzlos, beugt allerdings Illusionen vor, ist somit empathischer als falsches Mitleid und bildet folglich den perfekten Ausgleich fürs Gefühlschaos der Betroffenen. Dass Verdievel und Theunynck es dabei keinesfalls auf ein öliges Happy End mit drei Neugeborenen im Arm glücklicher Eltern anlegen, ist dabei das bemerkenswerteste Alleinstellungsmerkmal einer beispiellosen Serie, in der sämtliche Männer angenehm einfühlsam, verständnisvoll, einsichtig, also alles andere als männlich sind.

Das macht sie besser sogar als das britische Gynäkologie-Pendant „This Is Going to Hurt“ vorigen Herbst an gleicher Stelle, das den Fokus eher aufs Krankenhauspersonal legte. Wie so oft bei Importen stört daran eigentlich nur die lausige Synchronisation. Und der Rest? Ein brüllend leises Sittengemälde unserer Selbstoptimierungsgesellschaft unterm Hochdruck fremder Ansprüche.

„The Club“ läuft am Dienstag, 18. Juni, ab 23.15 Uhr bei ZDF neo und ist ab Mittwoch, 19. Juni, um 10 Uhr in der ZDF-Mediathek streambar.



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