Kiel. Sie beschimpfen Erzieher, schlagen andere Kinder, werfen mit Gegenständen, halten sich nicht an Regeln: Schon im Kindergartenalter können Mädchen und Jungen auffälliges Verhalten zeigen. Für den Altenholzer Kinderarzt Dr. Ralf van Heek sind dies in der Gesamtschau „Warnsignale“ für Probleme der sozialen Reife. In Schleswig-Holstein zeichnet sich ab, dass immer mehr Vorschulkinder davon betroffen sind. Darauf deuten die laufenden Schuleingangsuntersuchungen im Land hin.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Nachdem es während der Corona-Pandemie manche Städte und Kreise in Schleswig-Holstein nicht mehr geschafft hatten, alle Kinder vor ihrer Einschulung zu untersuchen, hat sich diesbezüglich die Lage wieder normalisiert. Nachdem in Neumünster aus Personalmangel zeitweise keine Kinder mehr untersucht werden konnten, kann die Stadt nach eigenen Angaben 2024 wieder alle 715 durchchecken. Neumünster hat dafür zwei neue Fachärztinnen eingestellt.

Untersuchungs-Quote vor Einschulung in SH hoch

Auch die Landeshauptstadt Kiel sowie die Kreise Rendsburg-Eckernförde, Plön, Ostholstein und Segeberg kommen nach eigenen Angaben bis zu den Sommerferien auf eine Untersuchungs-Quote von 100 Prozent.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Mit den Untersuchungen wurde früher die Schulreife überprüft. Dieses Konzept sei veraltet, erklärt der Landeschef des Verbands der Kinder- und Jugendärztinnen und -Ärzte, Ralf van Heek. Heute gehe es darum, Förderbedarfe zu entdecken.

Der Bedarf sei „klar gestiegen“, berichtet Hartmut Strekies von der Schule am Kastanienweg in Bad Segeberg, einziges Förderzentrum für emotionale und soziale Entwicklung im Land, das zum 1. August geschlossen wird: „Die Beratungsanfragen haben zugenommen“.

Vorschulkinder in Schleswig-Holstein: Was tun bei sozialen Problemen?

Treten bei Vorschulkindern soziale und emotionale Probleme auf, gelte es genau hinzuschauen, mahnt unterdessen Kinderarzt van Heek. Hinter den Symptomen könnten sich behandlungsbedürftige Störungen verbergen. „Kinder, die uns deshalb große Sorgen machen, sind keine Ausnahmen, sondern Gegenstand unserer täglichen Arbeit in den Praxen.“

Ob ADHS und ADS, Autismus-Spektrum-Störungen, depressive Verstimmungen oder Angststörungen: „Im Idealfall stellen wir diese Diagnosen bereits deutlich früher, im Alter von vier Jahren etwa“, so van Heek. Dann sei es geboten, Frühförderung und Therapien zu verordnen und betroffene Kinder im Zweifel an Psychiaterinnen und Psychiater zu überweisen.

 Therapieplätze für Kinder sind in Schleswig-Holstein allerdings knapp. Ob das am gestiegenen Bedarf liegt oder an mangelnden Kapazitäten, sei jedoch schwer zu beurteilen. Eine Auswertung von Daten der Schuleingangsuntersuchungen könne darauf aber Antwort geben.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Kindergesundheitsbericht SH: Konzentration fällt immer schwerer

Dem Kindergesundheitsbericht des Landes zufolge haben die Anteile von Kindern mit eingeschränkter Konzentrationsfähigkeit kontinuierlich zugenommen, insbesondere bei Jungen. Die jüngsten Ergebnisse stammen aus den Eingangsuntersuchungen 2021/22, bei denen 721 Kinder schulrelevante Befunde zeigten. Zum Vergleich: 2014 hatten nur 402 Kinder Probleme mit selektiver Aufmerksamkeit. Ein ebenfalls problematischer Befund: Über die Hälfte der Kinder aus bildungsfernen Familien waren zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht ausreichend kompetent in der Unterrichtssprache Deutsch.

Lesen Sie auch

Mediziner van Heek bestätigt: „Insgesamt beobachten die Kinderärzte in Schleswig-Holstein über die vergangenen Jahrzehnte einen höheren Förderbedarf und Entwicklungs-Probleme bei Vorschulkindern.“ Insbesondere starker Medienkonsum sei ein Faktor: „Zuviel Zeit am Bildschirm und falsche Inhalte halten wir für extrem schädlich.“ Eltern könnten die soziale und emotionale Reife aber fördern. Er gibt fünf Tipps:

Tipps vom Kinderarzt: So können Eltern Kinder vor der Einschulung fördern

  •  Auf Bildschirm-Berieselung verzichten oder den Konsum zumindest deutlich einschränken. Kinder spielen, werden kreativ und bewegen sich allein dadurch, dass sie keine Medien konsumieren.
  • Vorlesen und gemeinsames Singen.
  • Ausflüge in die Natur
  • Toben, Spielen, Schwimmen gehen
  • Gesellschaftsspiele wie Mensch ärgere dich nicht spielen – das trainiert Regelverhalten und Frustrationstoleranz.

KN



Source link www.kn-online.de