Auch im Ankunftszentrum am ehemaligen Flughafen Tegel bietet die Berliner unabhängigen Beschwerdestelle Sprechstunden an.

Auch im Ankunftszentrum am ehemaligen Flughafen Tegel bietet die Berliner unabhängigen Beschwerdestelle Sprechstunden an.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

»Wir sind die Stimme der Geflüchteten«, sagt Oğuz Balcıoğlu beim Tag der offenen Tür der 2021 gegründeten Berliner unabhängigen Beschwerdestelle (Bubs) am Mittwoch in Neukölln. Balcıoğlu ist einer von 17 Lotsen und hilft Geflüchteten aus Berlin dabei, ihre Beschwerden an die richtige Stelle zu schicken. Zum Tag der offenen Tür sind vor allem Sozialarbeiter*innen aus Geflüchtetenunterkünften gekommen. Zwar dürfte die Bubs nicht unbekannt sein, schließlich bietet sie in 110 Unterkünften Berlins Sprechstunden an. Um den Gästen aber zu zeigen, wie die Arbeit der Bubs funktioniert, führen Mitarbeiter*innen exemplarisch vor, wie eine Beschwerde bei ihnen bearbeitet wird.

Solche gibt es viele: Seit Projektbeginn waren es mehr als 5000. Dabei geht es von der Ausstattung der Unterkünfte bis hin zu Gewalt durch Mitarbeiter*innen. Die Geflüchteten können sich niedrigschwellig – und wenn sie wollen, auch anonym – wegen Missständen und Vorkommnissen melden. Mittlerweile geht das für alle Berliner Behörden, die allesamt eine schriftliche Antwort geben müssen.

Besonders wichtig dabei ist, dass Geflüchtete ihr Anliegen in einer Sprache machen können, die sie verstehen. Denn auch wer schon Deutsch spricht, hat allzu oft Probleme mit Behördendeutsch. Balcıoğlu, der in der exemplarischen Vorführung einer Beschwerdebearbeitung mitspielt, spricht Deutsch, Englisch, Russisch, Türkisch, Aserbaidschanisch und Turkmenisch – sechs von 16 Sprachen, mit denen die Bubs auffahren kann.

»Wir sind keine Aktivisten«, sagt Maike Caiulo-Prahm, Leiterin der Bubs im Gespräch mit »nd«. Aber man sei parteiisch auf der Seite der Geflüchteten. Behörden wüssten zu schätzen, dass man Probleme anspreche und »nicht gleich groß werde«.

In der Bubs kann auf Augenhöhe kommuniziert werden. Ein Großteil der Mitarbeiter*innen hat Fluchthintergrund. »Wir filtern nicht«, so Caiulo-Prahm weiter. Das heißt, dass auch Menschen mit Problemen bei der Bubs landen, für die es keine direkte Lösung gibt. Wie etwa, dass man keine Wohnung zugewiesen bekommt. Oder Probleme, für deren Lösung Gesetze im Weg stehen. »Über gesetzliche Vorgaben kann man sich beschweren, aber das sind langfristige Fragen«, sagt Caiulo-Prahm. Trotzdem: In 60 Prozent der Fälle kann abgeholfen oder teilweise abgeholfen werden.

»Erwartungsmanagement« ist in der Bubs auch wichtig. Geflüchtete, die sich an die Stelle wenden, werden darüber aufgeklärt, was die Bubs kann und was nicht. »Wir sind eben nicht der Superman, der in die Unterkunft gehen kann und Dinge ändern«, sagt Caiulo-Prahm. Aber allein, dass den Menschen zugehört werde, habe oft schon einen positiven Effekt. Und das Gefühl zu geben, aktiv werden zu können. »Denn ein Trauma, das alle Geflüchteten haben, ist, dass sie die Kontrolle über ihr Leben verloren haben«, berichtet Caiolu-Prahm.

Emily Barnickel vom Berliner Flüchtlingsrat wünscht sich mehr Schlagkraft für die Bubs, die über die Vermittlung von Beschwerden hinausgeht. Dennoch sei es ein sehr guter Schritt gewesen, die Bubs einzuführen und den Fokus jetzt auf alle Behörden zu erweitern: »Gerade an Behörden wie das LEA oder Sozialamt oder auch die Polizei kämen geflüchtete Menschen sonst gar nicht heran mit ihren Beschwerden.«

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