Lübeck. Er werde jetzt alle Fahrschüler ohne Deutschkenntnisse ablehnen, schreibt ein Fahrlehrer einer Fahrschule aus Süddeutschland auf X (vormals Twitter). Zu ihm kämen „überwiegend Menschen, welche schon länger in Deutschland leben“, ohne dass sie die Sprache gelernt hätten. Von ihm werde Verständnis dafür erwartet. In seiner Fahrschule gehe es aber ohne eigene Mühe und Anstrengung der Fahrschüler nun einmal nicht.

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Ist das schon Diskriminierung? Für Doris Kratz-Hinrichsen, Landesbeauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen, offenbar ja. Für Twitter-Posts wie den eingangs erwähnten zeigt sie kein Verständnis: „Dass öffentlich mit dieser Diskriminierung geprahlt wird, finde ich sehr bedauerlich.“ Menschen, die von Diskriminierung betroffen seien, empfehle sie, sich an eine für sie zuständige Antidiskriminierungsstelle zu wenden.

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„Die Schüler müssen in der Lage sein, sofort umzusetzen, was der Fahrlehrer ihnen sagt“

Auch in Schleswig-Holstein seien solche Vorgänge ein Thema, räumt Nils Reichentrog, Fahrlehrer in Lübeck und Kreisvorsitzender des Landesfahrlehrerverbandes, ein. Besonders beim praktischen Unterricht und in der praktischen Fahrprüfung seien fehlende Deutschkenntnisse problematisch. „Die Schüler müssen in der Lage sein, sofort umzusetzen, was der Fahrlehrer ihnen sagt.“ Im theoretischen Teil sei es entspannter. „Die Prüfung kann man inzwischen in 14 Sprachen machen.“

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Es seien bei ihm aber pro Jahr nur zwei oder drei Fahrschüler, denen er sagen müsse: „Lerne mehr Deutsch, sonst wird es schwierig und auch deutlich teurer.“ Es gebe tatsächlich auch Fahrlehrer, die solch problematische Fälle einfach von vorneherein ablehnten. Dies sei im Ermessen jedes einzelnen Fahrlehrers. Immerhin gebe es genug, um nach einer eventuellen Ablehnung woanders sein Glück zu versuchen: Allein Lübeck habe über 20 Fahrschulen.

Das Führerscheinchaos von Berlin

In der Hauptstadt warten Fahrschülerinnen und ‑schüler teils monatelang auf einen Prüfungstermin. Ihre Wut ist derart groß, dass einige Fahrschulen zeitweise Sicherheits­personal einstellten. Der Senat will das Problem nun in den Bundesrat bringen – auch in anderen Regionen ist die Lage angespannt.

Generell könnten die Fahrschulen natürlich selbst entscheiden, welche Zugangsvoraussetzungen sie für ihre Schulen schaffen, bestätigt Sven Ulbrich, Pressesprecher des TÜV Nord. Fahrschülerinnen und Fahrschülern sei es aber auch gestattet, bei der praktischen Fahrprüfung auf Dolmetscher zurückzugreifen.

Sind Fahrlehrer mit Migrationshintergrund eine Lösung?

„Die praktische Prüfung ist nur auf Deutsch möglich“, erklärt Rainer Pregla, Sprecher des ADAC Schleswig-Holstein. „Dass die Theorie in verschiedenen Sprachen abgelegt werden kann, macht Sinn, denn, um die Fragen richtig zu verstehen, bräuchte es schon ein sehr hohes Sprachlevel.“ Für die Praxis reichten gute Sprachkenntnisse aus. Insofern sei es nachvollziehbar, dass Fahrschulen auf diesen Punkt ausdrücklich hinwiesen.

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Aber: „Werden die Sprachbarrieren in den praktischen Fahrstunden zu unüberbrückbaren Problemen, kann es für alle Beteiligten sehr schnell gefährlich werden. Das kann niemand wollen“, so der Sprecher des ADAC Schleswig-Holstein. Eine Nachsicht bei den Sprachkenntnissen würde den Prüflingen auch nichts nützen, denn in der praktischen Prüfung müsse die Kommunikation erkennbar gut und unmittelbar auf Deutsch funktionieren. „Sonst fällt man durch.“ Es sei Sache der Fahrschulen, in höflicher und sachlicher Form auf diese Notwendigkeiten hinzuweisen. „Dann weiß jeder, woran er ist und warum die Fahrschule so handeln muss.“

Für Doris Kratz-Hinrichsen gilt es angesichts solcher Problemfälle, „Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer mit Migrationsgeschichte auszubilden, die in der Herkunftssprache das notwendige Wissen im Straßenverkehr in den Fahrstunden vermitteln können“. Ziel solle es weiterhin sein, Sicherheit im Straßenverkehr herzustellen und dafür seien gut ausgebildete Fahrschüler das entscheidende Merkmal.

Dieser Artikel erschien zuerst in den „Lübecker Nachrichten“.



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