Nimmt es die Bundeswissenschaftsministerin nicht so genau mit der Wissenschaftsfreiheit? Mit diesem Vorwurf hat Bettina Stark-Watzinger (FDP) seit Dienstag zu kämpfen. Recherchen des NDR zufolge hat ihr Ministerium hausintern gebeten zu prüfen, ob kritischen Hochschullehrenden Fördergelder gestrichen werden können. Man bitte um die „juristische Prüfung einer etwaigen strafrechtlichen Relevanz“ und „eine förderrechtliche Bewertung“, heißt es in internen E-Mails, die dem NDR vorliegen und die der Sender inzwischen veröffentlicht hat.

Konkret geht es um Dozentinnen und Dozenten, die Anfang Mai in einem offenen Brief die Räumung eines propalästinensischen Protestcamps an der Freien Universität (FU) Berlin kritisiert hatten. Sie sprachen sich darin für das Recht auf friedlichen Protest aus, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließe.

Schon ihre Kritik an Lehrkräften hielten einige für voreilig

Stark-Watzinger hatte sich schon damals gegen den offenen Brief positioniert. „Dieses Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten macht fassungslos. Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, werden Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost“, sagte sie der Bild-Zeitung. Schon damals hielten Kritiker das für einen voreiligen Angriff. „Dass die Wissenschaftsministerin dieses Framing übernommen hat, hat mich sehr enttäuscht“, sagte zum Beispiel der Präsident der FU Berlin, Günter Ziegler, im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. In dem Brief stehe schließlich explizit, dass es den Verfassern nicht darum gehe, sich inhaltlich zu den Protestierenden zu positionieren.

Auch die Bitte um Prüfung von Konsequenzen für die Briefeschreiber kam bei vielen nicht gut an. Zuallererst im eigenen Haus. Man sei „zugegebenermaßen etwas irritiert“ über die Prüfbitte, heißt es in einer der Antwortmails auf die Anfrage. In der Gesamtschau erscheine es „fernliegend, in dem Brief einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht, das Mäßigungsgebot oder die Wohlverhaltenspflicht von Beamten zu erblicken, aus dem disziplinarrechtliche Maßnahmen abzuleiten wären“.

Auch der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Walter Rosenthal, übte Kritik: Man könne über die konkrete Meinungsäußerung unterschiedlicher Auffassung sein – das mit der Frage der Förderwürdigkeit wissenschaftlicher Arbeit zu verknüpfen, sei jedoch eine Verletzung der Wissenschaftsfreiheit. Das Netzwerk für Gute Arbeit in der Wissenschaft forderte am Mittwoch, Stark-Watzinger müsse zurücktreten. „Wer Drittmittel als Waffe gegen politische Gegner benutzt, ist ein Feind der Wissenschaftsfreiheit“, heißt es in einem Statement.

Bettina Stark-Watzinger selbst hat sich bisher nicht zu der Kritik geäußert. In einer Stellungnahme der Staatssekretärin Sabine Döring heißt es, die rechtliche Prüfung des Briefes habe ergeben, dass sein Inhalt von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Damit erübrigten sich formale Diskussionen über formale Konsequenzen. Der Entzug von Fördermitteln habe in der Hausleitung nicht zur Debatte gestanden. Gleichwohl sehe das Ministerium den Inhalt des Briefes „unverändert kritisch“.



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