Frankfurt am Main. Stefan Kapferer ist seit Dezember 2019 der Chef des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz. Der Manager sorgt sich um die Bezahlbarkeit Energiewende: Deren Akzeptanz werde durch hohe Kosten untergraben. Deshalb schlägt er vor, bei neuen Stromautobahnen auf Masten statt auf Erdkabel zu setzen. Und er zeigt Sympathie dafür, Verbraucher und Unternehmen durch Subventionen für Netzentgelte zu entlasten.

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Dass er politisch denkt, ist kein Wunder, hat er doch eine lange Karriere zunächst in der FDP und unter anderem als Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium hinter sich. Von 2016 bis 2019 stand er an der Spitze des Energiedachverbandes BDEW. 50Hertz betreibt das mehr als 10.000 Kilometer lange Stromübertragungsnetz im Osten Deutschlands und in Hamburg.

Herr Kapferer, Sie fordern, die wenig beliebten großen Masten für neue Stromautobahnen aufzustellen – anstelle von Erdkabel, die im Boden verschwinden. Wollen Sie Proteste gegen vermeintliche Monstertrassen provozieren?

Als vor einigen Jahren die Entscheidung für Erdkabel fiel, war der treibende Grund Akzeptanzsicherung für die Energiewende. Heute aber wird die Akzeptanz für die Energiewende untergraben durch erhebliche Kostensteigerungen. Was sich auch verändert hat, ist die Akzeptanz in puncto Sichtbarkeit der Energiewende. Windräder waren vor einigen Jahren deutlich weniger gern gesehen als heutzutage.

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Sie wollen mit den Masten Kosten sparen. Dabei machen die Entgelte für ihre Übertragungsnetze doch nur einen geringen Teil der Stromrechnung aus. Muss das wirklich sein?

Wir müssen uns klar machen, dass wir heute allein für die Übertragungsnetze ein Entgelt von etwa 6,4 Cent pro Kilowattstunde haben. Wir haben ausgerechnet, dass der Verzicht auf Erdkabel bei drei wichtigen neuen Stromtrassen – OstWestLink, NordWestLink und SuedWestLink – eine Entlastung von rund 20 Milliarden Euro bringen würde. Und ich möchte daran erinnern, dass sich die Industrie einen Strompreis von 5 oder 6 Cent wünscht. Da spielt dann jeder Cent pro Kilowattstunde eine Rolle. Das ist aber nicht der einzige Vorschlag, der im Raum steht, um die Kosten zu senken.

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An welchen Stellschrauben wollen Sie sonst noch drehen?

Beim Netzausbau spielen viele Nebenkosten eine wichtige Rolle. In Sachsen-Anhalt müssen wir beim Verlegen der Erdkabel jeden Meter archäologisch untersuchen. Das macht 80 Millionen Euro zusätzlich, leistet aber keinen Beitrag zur Klimaneutralität. In Thüringen reichen beim selben Projekt mit denselben Leitungen Stichproben. Oder denken Sie an die Schwerlasttransporte, die für Erdkabel nötig werden. Da sind zig Begleitfahrzeuge notwendig. Es gibt Tausende von Kleinigkeiten, die alle Geld kosten. Da gibt es ein erhebliches Potenzial für Einsparungen.

Eigentlich müssen Sie sich doch keine Sorgen über die Kosten für den Netzausbau machen, denn das Geld dafür, holt sich Ihr Unternehmen über die Netzentgelte doch wieder bei den Kunden zurück. Was sind Ihre Interessen bei dem Vorstoß für die billigen Masten?

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Wir haben eine Verantwortung als Unternehmen. Unsere Strategie als 50Hertz ist es, die Stromnachfrage im Jahr 2032 bilanziell aufs Jahr gerechnet zu 100 Prozent durch Erneuerbare zu decken. Das sichert bezahlbare Energie für eine starke Wirtschaft. Die Ansiedlung von Industrie – wie die der Chiphersteller Intel in Magdeburg und TSMC in Dresden – hat immer auch etwas mit Energiekosten zu tun. Wenn am Ende über den Strompreis unnötige Kosten finanziert werden, dann tue ich dem Land und meinem Unternehmen keinen Gefallen. Wenn wir weniger Strom über unsere Netze transportieren, weil zum Beispiel die großen industriellen Abnehmer fehlen, dann steigen die Kosten für alle anderen weiter, was ebenfalls nicht im Interesse des Landes und nicht im Interesse von 50Hertz sein kann. Unser Vorschlag hat den Hintergrund, die Bezahlbarkeit der Energiewende zu sichern.

„Das Material und die Technik für den Netzausbau werden erheblich teurer bei deutlich längeren Lieferzeiten.“

Stefan Kapferer

Chef des Stromnetzbetreibers 50Hertz

Bislang hinkte der Netzausbau deutlich hinter den ursprünglichen Plänen her. Wo stehen wird aktuell?

Wir werden beim Ausbau der Netze deutlich schneller. Was aber auch klar ist: Das Material und die Technik für den Netzausbau werden erheblich teurer bei deutlich längeren Lieferzeiten. Auf einen Trafo für ein Umspannwerk müssen Sie bis zu 5 Jahre warten. Es gibt derzeit auch zu wenig Werften, die die Offshore-Plattformen bauen. Deshalb können nicht alle Projekte superschnell fertig sein.

Zugleich drohen neue Engpässe im Netz, weil immer mehr erneuerbarer Strom erzeugt wird. Wie groß ist dieses Problem?

Wir müssen unterscheiden: Wenn in unserem Netzgebiet in Ostdeutschland die Sonne scheint und der Wind weht, dann können wir die Windparks ansteuern und abregeln und damit das Netz stabil halten. Das gilt auch für große Solarparks. Die vielen kleinen Anlagen auf Hausdächern können wir als Übertragungsnetzbetreiber gar nicht und auch die Verteilnetzbetreiber nur bedingt ansteuern, weil bislang die technischen Voraussetzungen fehlen. Wir brauchen entsprechende Vorrichtungen in den Anlagen, um sie abzuregeln. Hier gibt es ein wachsendes Problem, das wir sehr schnell klären müssen.

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Trotz Förderung: Hausbesitzer lassen Wärmepumpen links liegen

Die Staatsbank KfW meldet 34.000 Zusagen für die Förderung klimafreundlicher Heizungen, und zwar in 100 Tagen. Dennoch geht die Branche davon aus, dass es in diesem Jahr massive Einbußen beim Absatz von Wärmepumpen geben wird. Das Ziel der Bundesregierung ist in weite Ferne entrückt.

In der Energiebranche und in der Politik sind die Meinungen über Frage Masten oder Erdkabel geteilt. Hat ein Umschwenken zugunsten der Masten überhaupt eine Chance?

Was ich wahrnehme, ist starke Unterstützung aus den ostdeutschen Bundesländern, die direkt von Projekten betroffen sind, für die über Erdkabel oder Masten entschieden werden muss. Andere Länder, die gar nicht betroffen sind, sind dagegen. Da müssen wir noch einmal mit den Bundesländern reden. Denn die Kosten für den Ausbau der Netze betreffen alle. Wenn keine Entscheidung pro Masten kommt, dann müssen die Bürger und die Unternehmen in allen Bundesländern die höheren Kosten tragen.

Lange Zeit galt, dass durch die Erneuerbaren zwar die Kosten für die Stromerzeugung sinken, dafür aber die Entgelte für die Netze in gleichem Maß steigen. Stimmt diese Formel noch?

Es stimmt, dass die Erzeugungskosten der Erneuerbaren inzwischen niedriger sind als bei den fossilen Energieträgern. Es stimmt zugleich auch, dass die Netzkosten durch die vielen Anschlüsse bei den Erneuerbaren höher sind. Wir brauchen jetzt eine politische Diskussion darüber, wie wir die Kosten verteilen. Wir haben – ebenso wie Wirtschaftsminister Habeck – Ideen dafür, wie wir die Netzkosten zeitlich strecken können. Wir sollten aber auch darüber reden, wofür es künftig Zuschüsse geben wird und ob es nicht sinnvoll sein könnte, die Netzentgelte zu bezuschussen, die alle – auch die Industriebetriebe – zahlen müssen.

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Aber teurer wird es für die deutschen Verbraucher auf jeden Fall?

Die Frage ist: Im Vergleich wozu? Die Alternative zu den Erneuerbaren können nur Kohle und Gas sein und die werden mit hohen CO2-Preisen künftig stärker belastet, weshalb die Erzeugungspreise für die fossilen Energie deutlich steigen werden. Der Weg der Energiewende ist nach wie vor richtig.



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