Frau Stolla, die Grünen haben bei der Europawahl eine herbe Niederlage hinnehmen müssen, gerade bei Jungwählern. Worauf führen Sie das zurück?

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Bei der Europawahl 2019 herrschte eine besondere Situation. Da lag so viel Hoffnung in der Luft. Es gab einen Aufbruch-Moment. Junge Menschen hatten das Gefühl, wirklich etwas verändern zu können. Dieses Hoffnungsgefühl ist vollkommen verpufft. Junge Menschen haben in den letzten fünf Jahren erlebt, wie sich die Welt auch für sie zum Schlechteren gewandelt hat. Preise steigen, die Löhne und das Bafög halten nicht Schritt. Meine Generation macht sich große Sorgen um die eigene soziale Sicherheit sowie um Krieg und Frieden. Immer mehr junge Menschen haben das Gefühl, bei den Ampelparteien nicht mehr an der richtigen Adresse zu sein.

Zugleich erstarkt die AfD.

Ja. Man sieht auch bei jungen Menschen einen massiven Rechtsruck. Sie sind nicht mehr weniger rechts als der Durchschnitt der Bevölkerung. Das ist natürlich erschreckend. Junge Menschen erleben sehr stark eine Vereinzelung und haben in den letzten Jahren massive Kontrollverluste erlitten. Und die AfD schafft es, dafür zu sorgen, dass sie sich gesehen fühlen.

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Der Klimawandel taucht in ihrer Problemliste gar nicht auf.

2019 war Klimaschutz das Krisenthema schlechthin. Inzwischen sind viele weitere Krisen dazugekommen. Immer mehr Menschen fragen sich zum Beispiel, wie sie sich das Leben noch leisten können. Das macht es Rechten leichter, gegen Klimaschutz Stimmung zu machen. Und leider hat es die Ampel nicht geschafft, die soziale Frage bei der Klimakrise mit zu beantworten. Das muss uns eine Mahnung sein.

Sie meinen das Heizungsgesetz.

Zum Beispiel, aber viele junge Menschen sind zum Beispiel auch vom Klimaschutzgesetz enttäuscht.

Weil das Ziel, wonach jeder Sektor wie etwa der Verkehrssektor das Klimaziel einhalten muss, wegfällt?

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Unter anderem, ja. Der zentrale Punkt ist, dass ja eine überwältigende Mehrheit Klimaschutz befürwortet, aber viele eben Sorge haben, dass Klimaschutz ihr Leben teurer macht. Damit verspielt man sich Mehrheiten.

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Was folgt aus all dem für die Grünen?

Wir müssen gut überlegen, wie man Rechten den Wind aus den Segeln nehmen kann. Dass so viele junge Menschen das Gefühl haben, sie seien nicht mehr relevant und hätten keine Kontrolle über das, was passiert, ist doch kein Zustand. Alle Parteien müssen sich fragen, wie sie die Probleme der Menschen wirklich glaubhaft adressieren können.

Nun sind Neuwahlen in der Diskussion. Und führende Grüne wie Winfried Kretschmann und Robert Habeck sprachen zuletzt schon über die Möglichkeit einer Koalition mit der Union.

Es muss doch darum gehen, die Probleme zu lösen und jetzt nicht über Neuwahlen zu spekulieren. Die Ampel muss die Sorgen der Menschen wirklich ernst nehmen und dafür Lösungen finden. Das kostet, und deshalb muss sie Geld in die Hand nehmen. Die Verteilungskämpfe zwischen den Ärmsten der Gesellschaft werden sonst immer härter, und so wie Rechte sie führen, gefährdet das die Demokratie. Es bröckelt der soziale und gesellschaftliche Zusammenhalt. Und ich bezweifle, dass die Union die richtige Partei ist, um dieses Problem zu lösen.

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Ihr Parteifreund Anton Hofreiter sagt, bei so einem Wahlergebnis bräuchten die Grünen mit einem Kanzlerkandidaten gar nicht mehr zu kommen. Sehen Sie das auch so?

Es geht jetzt darum, aus der Europawahl die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Bundestagswahl findet erst 2025 statt. Die Frage nach der Kanzlerkandidatur steht deshalb jetzt nicht auf der Tagesordnung.

Fürchten Sie eigentlich, dass die Grünen durch Parteien wie Volt künftig noch stärker unter Druck geraten als bisher?

Der Wahlerfolg von Volt zeigt, dass es immer noch einen Kern junger Wählerinnen und Wähler gibt, der progressiv wählen will – und sich damit anscheinend nicht mehr bei den Grünen sieht. Das sollte uns eine Mahnung sein, wieder verstärkt eine glaubwürdige Politik bei Themen wie soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und Migration zu machen. Das sind die Themen, mit denen Volt Wahlkampf gemacht hat und die viele junge Menschen ganz konkret beschäftigen.



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