“Stimmt das wirklich?”, fragte Christian O‘Sullivan beinahe ungläubig und rechnete selbst noch einmal im Kopf nach. Es stimmte. Der Kapitän der Magdeburger Handballer schien es selbst nicht zu glauben: Soeben ist eine unglaubliche Serie seines Teams zu Ende gegangen. Der SC Magdeburg hatte seit 2021 in jedem Handball-Wettbewerb, an dem er teilnahm, das Endspiel erreicht und dabei alle wichtigen Titel eingesammelt: European League, Champions League sowie DHB- und Weltpokal. Vor kurzem wurde Magdeburg Deutscher Meister und Pokalsieger.

Doch nun musste O‘Sullivan am späten Samstagnachmittag sein Team in der Kölner Lanxess Arena in Richtung des grün-roten Blocks führen, in dem die Anhänger des SC Magdeburg saßen. Die Gesichter traurig, die Schultern hingen. Es gab das erste Mal seit Langem nichts mehr zu feiern. Sie hatten das Halbfinale der Champions League mit 26:28 gegen den dänischen Club Aalborg Handbold verloren und damit die Titelverteidigung verpasst. 

Diese Niederlage tut besonders weh

“Wir hatten wirklich einen unglaublichen Lauf”, sagte O‘Sullivan, “die Niederlagen, die wir uns in dieser Zeit geleistet haben, konnte man fast an einer Hand abzählen.” Der Norweger, der nach einem harten Foul eine Viertelstunde vor der Schlusssirene die Rote Karte gesehen hatte, machte aber auch kein Geheimnis daraus, dass diese Niederlage umso mehr schmerzte. Die Chance auf die historische Saison mit dem Sieg in allen Wettbewerben, sie war dahin.

Bennett Wiegert und seine Magdeburger verpassten erstmals seit 2021 wieder ein großes Finale. © Christof Koepsel/​Getty Images

Dabei waren die Erfolgsaussichten der deutschen Teams in Köln so gut gewesen wie seit langer Zeit nicht. Erstmals seit elf Jahren hatte die Bundesliga mit Kiel und Magdeburg zwei Teams zum Finalturnier schicken dürfen. Am Ende spielten die beiden Teams vor 20.000 Zuschauern aber nur das Duell der Enttäuschten unter sich aus: die Partie um Platz drei, die am Tag nach den Halbfinal-Niederlagen so populär sein dürfte wie eine Wurzelbehandlung. Kiel gewann 32:28.

Für Kiel war es ein kleiner Trost nach einer bitteren Saison, die in der Bundesliga mit dem ungewohnten vierten Platz endete. Und für Magdeburg drängt sich der Vergleich mit Bayer Leverkusen auf. Ähnlich wie Xabi Alonsos Fußballer spielten Bennet Wiegerts Handballer die Bundesliga fast eine ganze Saison lang in Grund und Boden, doch im entscheidenden Europapokalspiel wurden sie entschlüsselt.

3-3-Abwehr ist selten

Anders als die nationale Konkurrenz, die gegen das schnelle, dynamische und auf Abschlüsse aus der Nahdistanz ausgerichtete Spiel des SCM kein Mittel fand, gelang Aalborg genau das: Die Dänen mit dem Ex-Welthandballer Mikkel Hansen, der seine Karriere beenden wird, und mit dem früheren Kieler Ausnahmetorhüter Niklas Landin decodierten die Magdeburger. “Sie haben das extrem gut verteidigt und waren super eingestellt”, sagte O‘Sullivan. Der SCM ließ sich aus dem Konzept bringen, haderte mit Schiedsrichtern und zwischendurch pflaumten sie sich sogar gegenseitig an.  

Vor allem die ultraoffensive Deckung der Dänen machte von Beginn an zu schaffen: Aalborg stellte eine 3–2-1 oder, noch seltenere für dieses Niveau, 3-3-Abwehr aufs Feld. Eigentlich eine Einladung für die Magdeburger mit ihren starken Individualisten im Rückraum. Sie war im Halbfinale offenbar aber das richtige Mittel, weil die Dänen tadellos verschoben und sich immer wieder dabei halfen, entstandene Lücken schnell zu schließen. Polens Spitzenklub Kielce mit Nationaltorhüter Andreas Wolff hatte das im Viertelfinale ebenfalls praktiziert und war erst im Siebenmeterwerfen unterlegen.



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