Brüssel. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Italiens rechte Regierungschefin Giorgia Meloni pflegen ein vertrautes Verhältnis. Gemeinsam reisten sie nach Tunesien und auf die Mittelmeerinsel Lampedusa, wenige Monate später auch nach Kiew. Küsschen rechts, Küsschen links, dann gingen sie Seite an Seite zum Hafen, um auf Lampedusa den Schleusern und in der Ukraine dem Kremlchef Putin den Kampf anzusagen. Die faschistische Meloni hat es geschafft, das Vertrauen der mächtigsten Politikerinnen und Politiker Europas zu gewinnen. Nun macht von der Leyen Melonis Abgeordneten von Fratelli d’Italia ein verlockendes Angebot.

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Als Meloni italienische Regierungschefin wurde, bezeichneten Beobachter sie als „Wölfin im Schafspelz“. Anderthalb Jahre später wird klar, wie die Wölfin Europa zu ihrem Revier gemacht hat: Die Italienerin unterstützt die Sanktionen gegen Russland und die Hilfe für die Ukraine, verurteilt rechtsextreme Parteien wie die AfD und verzichtet auf faschistische Parolen. In Brüssel atmet man auf und von der Leyen bekräftigt inzwischen überall, wo sie gefragt wird, eine mögliche Zusammenarbeit mit Melonis Fratelli d’Italia aus der rechten EKR-Fraktion. „Sie ist ganz klar proeuropäisch, gegen Putin und pro Rechtsstaat“, rechtfertigte sich von der Leyen vergangene Woche. Wenn das so bliebe, biete sie ihr die Zusammenarbeit an.

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Es ist ein Zweckbündnis: Meloni braucht die EU-Gelder aus dem Wiederaufbaufonds, von der Leyen die Stimmen der Fratelli für eine sichere Wiederwahl als Kommissionspräsidentin. Kritiker werfen ihr vor, die Rechten damit salonfähig zu machen und die Brandmauer zu den Extremen einzureißen. Tatsächlich hat diese Brandmauer schon lange tiefe Risse bekommen, wurden doch mit Stimmen von rechts schon unzählige Male Mehrheiten gegen Klima- und Umweltschutzvorhaben organisiert.

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Doch sind die Fratelli wirklich Proeuropäer, wie von der Leyen behauptet? Eine Analyse des Fratelli-Stimmverhaltens im EU-Parlament von der Grünen-Fraktion, das dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) exklusiv vorliegt, zeigt: Meloni hat sich zwar einen bürgerlichen Anstrich gegeben, doch hinter der Fassade ist die alte Substanz geblieben. Ihre Fratelli stimmten in fast drei Viertel der Fälle gemeinsam mit der ultrarechten ID-Fraktion, in der bis vergangene Woche auch noch die AfD-Abgeordneten saßen. Melonis Leute, mit denen von der Leyen eine Zusammenarbeit erwägt, haben bei entscheidenden Themen wie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie gemeinsam mit der AfD gestimmt. Es handelt sich dabei um Fälle wie die Resolution gegen die ungarische Regierung wegen „vorsätzlicher Verletzung der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte“. Während die proeuropäischen Fraktionen EVP, S&D, Grüne, Renew und Linke geschlossen für die Resolution stimmten, sprachen sich Fratelli-Abgeordnete ebenso dagegen aus wie die Politikerinnen und Politiker der AfD. Das wiederholte sich bei weiteren Abstimmungen, etwa zur Verurteilung der Korruption in der Slowakei und zum Abbau des Rechtsstaats in Polen unter der PiS-Regierung.

©Nicolas Landemard / Le Pictorium/MAXPPP - Bruxelles 19/04/2024 Nicolas Landemard / Le Pictorium - 19/04/2024 - Belgique / Bruxelles / Bruxelles - Arrivee et Allocution de Viktor Orban. Les 16 et 17 avril 2024 la fondation Edmund Burke organisait dans la capitale belge la National Conservatism Conference. Un symposium dont le panel d'invites etait varies et dont les positionnement intellectuels, sociaux ou politiques sont tres marques dans la ligne de la droite conservatrice voire de l'extreme-droite. La presse locale parlait d'un rassemblement des grandes figures de l'extreme-droite europeenne. Une conference qui a par 2 fois ete annulees par les lieux d'accueils puis par le bourgmestre de la commune de Saint Josse Emir Kir, alors que la conference commencait dans un 3eme lieu. Finalement, bien q'un arrete a ete pris, par peur d'un trouble a l'ordre public, la police n'a pas procede a l'evacuation des lieux mais simplement bloque les entrees et sorties des personnes.La decision du bourgmestre a declenche l'indignation de certains elus belges dont le liberal premier ministre qui y voit une atteinte a au debat democratique. - Valeurs ACtuelles out, no jdd, jdd out, RUSSIA OUT, NO RUSSIA #norussia / 19/04/2024 - Belgium / Brussels / Brussels - Arrival and speech by Viktor Orban. On April 16 and 17, 2024, the Edmund Burke Foundation organized the National Conservatism Conference in the Belgian capital. A symposium with a varied panel of guests whose intellectual, social and political positions are very much in the conservative right or even the extreme right. The local press spoke of a gathering of the leading figures of the European far right. A conference that was twice cancelled by the venues and then by the mayor of the commune of Saint Josse, Emir Kir, even though the conference was starting at a 3rd venue. In the end, although a decree had been issued for fear of disturbing public order, the police did not evacuate the premises, but simply blocked peopl

Wie die Rechten die EU übernehmen wollen

Europas Rechte schmieden bereits Pläne für eine Machtübernahme im EU‑Parlament. Nach den Europa­wahlen im Juni wird ihr Einfluss Umfragen zufolge so groß wie nie zuvor sein. Können die Pro­europäer die Zerstörung der Europäischen Union von innen verhindern?

„Was wir beobachten, ist eine erschreckende Verharmlosung rechtsextremer Parteien“, kritisiert der Sprecher der deutschen Grünen-Abgeordneten, Rasmus Andresen. Es gebe keine „guten“ Rechtspopulisten oder Faschisten, sagte er dem RND. „Die Brüder Italiens sind eine rechtsextreme Partei wie alle anderen auch“, sagte er und verweist darauf, dass sie bei den Abstimmungen im Parlament dieselbe Position wie die AfD haben. „Frau von der Leyen darf hier nicht die Augen vor der Wirklichkeit verschließen.“ Die Grünen fordern von der Leyen auf, ihre Mehrheiten bei den demokratischen Parteien zu suchen und nicht aus reinem Machtkalkül Demokratie und Freiheit in Europa aufs Spiel zu setzen.

Wir fordern Ursula von der Leyen dazu auf, ihre Mehrheiten bei den demokratischen Parteien zu suchen und nicht weiter aus reinem Machtkalkül Demokratie und Freiheit in Europa aufs Spiel zu setzen.

Rasmus Andresen,

Sprecher der deutschen Grünen im EU-Parlament

Die Fratelli machen keinen Hehl aus ihrer Verachtung für den Rechtsstaat. Der Rechtsstaat sei „nichts anderes als eine hinterhältige Waffe, um die europäischen Völker zu erpressen“, sagte Vincenzo Sofo im Parlament über die Bedingung, dass EU-Staaten rechtsstaatliche Prinzipien einhalten müssen, um Corona-Sondermittel zu erhalten. Sofo saß früher neben der AfD in der ultrarechten ID-Fraktion, bevor er sich den Fratelli anschloss. In einer anderen Rede im Parlament bezeichnete er die EU-Grundrechte als „Pseudorechte“ und sprach von „LGBT-Hexerei“.

Nicht nur im EU-Parlament zählen Melonis Parteifreunde zu den Antieuropäern und Antidemokraten. Auch in der italienischen Innenpolitik hat Meloni in den vergangenen Monaten demokratische Strukturen abgebaut – zum eigenen Machterhalt. So beschneidet sie die journalistische Freiheit beim öffentlichen Sender RAI, ermöglicht die Einschränkung der Versammlungsfreiheit und untergräbt die Rechte von Regenbogenfamilien. Meloni kämpft gegen das Recht auf Abtreibung und versucht, die Erinnerung an die Mussolini-Zeit und den Faschismus aus dem kollektiven Gedächtnis zu radieren. Mit ihrer Verfassungsänderung soll die Regierungschefin direkt vom Volk gewählt werden und das Parlament Befugnisse verlieren. Der Staatspräsident wird de facto entmachtet.

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Europäische Staats- und Regierungschefs sind über die Entwicklung in Italien nicht glücklich. Den Kuschelkurs mit Meloni begründen hochrangige Politikerinnen und Politiker damit, dass die Wahlen und Beschlüsse demokratisch abgelaufen seien und es schwierig sei, sich in demokratische Entscheidungen eines Landes einzumischen, sagen sie unter Verweis auf Anonymität. Gleichzeitig sind sie erleichtert, dass Italien den Kurs gegen Russland und für die Ukraine mitträgt – und schauen dafür auch über den Wolf im Schafspelz hinweg.



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