Vor wenigen Tagen konnte die ganze Welt per Livestream dabei zusehen, wie mitten in Deutschland auf offener Straße ein mutmaßlicher Islamist mit einem Messer auf mehrere Personen einstach und damit den Polizisten Rouven L. tötete. Das Video zeigt einen wahnhaften und brutalen Mann, dessen Ziel eigentlich der Islamkritiker Stürzenberger war.

Er hat überlebt, weil Rouven L. sein Recht auf freie Meinungsäußerung verteidigt hat. Was übrig bleibt, ist die tiefe Trauer um einen mutigen Polizisten, Mitgefühl mit der Familie und auf der politischen Ebene leider auch die Hilflosigkeit einer Bundesregierung im Umgang mit Islamismus.

Ich bin selbst Muslimin. Ich kann hier in Deutschland – wie ungefähr 6 Millionen weitere Muslime – meine Religion frei ausleben. Dass dies ein von der Verfassung geschütztes Recht ist, ist alles andere als selbstverständlich, gerade mit Blick auf die politischen Umstände in der islamischen Welt.

Umso absurder ist es, dass sich hier Muslime mit Märtyrern solidarisieren oder sogar Verständnis für Gewalttaten aufbringen, weil sie die internationale Politik als ungerecht empfinden. Denen kann ich nur sagen: Ihr seid in diesem Land keine Opfer, die Welt schuldet euch gar nichts. Ihr habt in diesem Land alle Möglichkeiten, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Als Muslime.

Müssen lernen, uns unverzüglich von Anschlägen zu distanzieren

Dass Menschen auf der Welt meine Religion zur Gewaltverherrlichung missbrauchen, ist leider bittere Realität . Ich will mich aber nicht damit abfinden müssen, dass jedes Mal, wenn wieder etwas passiert ist, meine Religion sowie die überwiegende Mehrzahl der friedlichen Muslime mit in Geiselhaft genommen wird.

 

Dafür braucht es aber auch die eigene aktive Positionierung. Es dürfte eigentlich nicht so schwer sein, sich in einem Rechtsstaat von einem Straftäter zu distanzieren. Denn es kann nicht sein, dass der Ruf unserer Religion von Selbstmordattentätern und Märtyrern bestimmt wird und sich im Umkehrschluss aber über Diskriminierung und Ausgrenzung beschwert wird.

Wenn wir wollen, dass wir als friedliche Muslime wahrgenommen werden wollen, müssen wir endlich lernen, uns unverzüglich und klar von islamistischen Anschlägen zu distanzieren und für eine friedliche Koexistenz der Religionen aufzustehen.

Bankrotterklärung, wenn man Zusammenhang zum Islam verleugnet

Was gerade auch einige Islam-Verbände nicht begreifen: Wer auf eine Demo gegen Rechtsextremismus geht, sagt doch auch nicht „Was habe ich mit denen zu tun? Wieso soll ich mich distanzieren, wenn ich nie deren Meinung war?“. Nein, die Menschen zeigen proaktiv Flagge, dass sie für etwas aufstehen.

Wenn Muslime jetzt gegen Islamismus auf die Straße gehen würden, wäre das kein „Schuldbekenntnis“, sondern ein klares Zeichen und würde die Deutungshoheit der eigenen Religion nicht Extremisten und Terroristen überlassen.  Zu sagen, „das hat nichts mit dem Islam zu tun“, ist keine Verteidigung der eigenen Religion. Es ist eine Bankrotterklärung, weil es nicht glaubwürdig ist, solange Extremisten ihre Taten mit der Religion erklären.

Zur Ehrlichkeit gehört auch, dass leider viele Muslime die Augen vor den Gefahren des Extremismus verschließen. Der Fall in Mannheim hat gezeigt, dass die Radikalisierung in Hinterzimmern via YouTube und TikTok eine Dimension angenommen hat, die für Sicherheitskräfte alleine schwer zu bewältigen ist. Daher braucht es auch eine wache Glaubensgemeinschaft, die Scharfmacher offen verurteilt. Jeder Muslim sollte sich fragen, ob man Leute im Umkreis duldet, deren Verhältnis zur Gewalt man zwar nicht teilt, die man aber auch nicht an die deutschen Behörden ausliefern möchte. Hier geht es übrigens um Zivilcourage, Gleiches erwarte ich auch, wenn es um andere Extremismusformen wie Rechts- oder Linksextremismus geht.

Treffpunkte des Hasses dürfen sich nicht etablieren

Ich bin übrigens froh, dass in diesem Bereich viele Aktionspläne erarbeitet wurden. Jeder Extremist ist Mist. Die Attacke in Mannheim muss uns aber ein Warnsignal sein, islamistischen Terror ernster zu nehmen. Ich bin voll und ganz bei meinem Kollegen und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, der einen Aktionsplan „Politischer Islam“ fordert. Dazu gehört auch, islamistische Organisationen zu verbieten und Kalifat-Forderungen strafrechtlich zu verfolgen. Das ist im übrigen ungefähr dasselbe, wie „Ausländer raus, Deutschland den Deutschen“ zu rufen.

Aber zurück zum politischen Islamismus: wie steht es eigentlich um das Islamische Zentrum in Hamburg, das bekannt für seine Hasspredigten ist und dessen Schließung sich die Bundesinnenministerin auf die Fahne geschrieben hat? Google sagt: Die Behörden ermitteln noch. Es ist ermüdend. Damit sich mitten in Deutschland gar nicht erst Treffpunkte des Hasses etablieren können, sollten die Menschen, die mutwillig unseren Rechtsstaat mit Füßen treten, unverzüglich zur Verantwortung gezogen werden. Sollte es sich um Gäste oder Schutzsuchende handeln, müssen sie strafrechtlich belangt und abgeschoben werden. Und ja, auch nach Afghanistan.

Schlussendlich hoffe ich auch, dass wir endlich eine ehrliche Debatte innerhalb der islamischen Gemeinden in Deutschland führen können. Es ist jetzt wichtig, deutlich zu machen, dass das Islamverständnis vieler Muslime ein friedliches ist. Ich weiß, dass dem so ist. Aber: Es ist zu leise. Viel zu leise. Es muss lauter werden. Ganz laut. Das muss jetzt die religiöse Pflicht sein, nicht das laute Schweigen. Ich halte es mit dem Islamwissenschaftler Navid Kermani, der es auf den Punkt gebracht hat: „Wenn sie jedoch beteuern, ‚echte‘ Muslime könnten keine Terroristen sein, sollten sie künftig strikt darauf achten, dass aus Muslimen keine Terroristen werden.“





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