München – Alle fünf Jahre wählen die EU-Bürger das Europäische Parlament. Und am Sonntag, 9. Juni, ist es wieder so weit. Allerdings läuft bei dieser Wahl und auch später in Straßburg vieles anders ab, als man es vom Berliner Politikbetrieb kennt.

Zum Beispiel gibt es in dem EU-Parlament keine Regierungs- und keine Oppositionsfraktionen. Die Mehrheiten wechseln. Das Parlament gestaltet und verabschiedet zwar Gesetze (gemeinsam mit dem Ministerrat, der die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten vertritt), die Vorschläge für Gesetze kommen aber von der EU-Kommission.

96 Deutsche werden Europaabgeordnete: Sind auch Münchner dabei?

In der kommenden Legislaturperiode besteht das Parlament aus 720 Abgeordneten. Sie werden aus allen 27 Mitgliedsstaaten entsandt. Wie viele Abgeordnete ein Land stellen darf, hängt von der Größe ab. In Deutschland werden 96 Europaabgeordnete gewählt.

Die Parteien stellen nationale Listen auf. Am Sonntag muss man in der Wahlkabine auch nur ein Kreuz für die Partei machen. Einzelne Kandidaten kann man nicht wählen. Eine Fünf-Prozent-Hürde wie etwa bei der Bundestagswahl gibt es nicht. Die AZ stellt einige Münchner Kandidaten vor, manche haben Chancen auf einen Sitz im neuen EU-Parlament.

Für eine neue Agrarpolitik: Michael Stöhr hat es auf Platz 2 der ÖDP-Liste geschafft

Michael Stöhr von der ÖDP
Michael Stöhr von der ÖDP
© ÖDP
Michael Stöhr von der ÖDP

von ÖDP

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Warum er ins Europa-Parlament will? “Na, um bessere Politik zu machen”, antwortet Michael Stöhr. Er kandidiert für die ÖDP und seine Chancen sind nicht aussichtslos. Er steht auf Platz zwei der ÖDP-Liste. Bisher ist die ÖDP mit einer Abgeordneten im EU-Parlament vertreten: Manuela Ripa, sie tritt auch wieder auf Platz eins an. Stöhr ist Physiker und unter anderem bei den Umweltaktivisten von “Scientists for Future” aktiv. Mit der EU kennt er sich aus, schon seit 1987 arbeitet er auf europäischer Ebene – zum Beispiel berät er die EU-Kommission.

Schafft er es ins Parlament, möchte er die EU-Agrarpolitik verändern: Weg von Ausgleichszahlungen für Landwirte, die sich danach bemessen, wie groß die Fläche ist, die sie bewirtschaften. Hin zu einem Punktesystem, das Tierwohl und Qualität mehr berücksichtigt. Auch bei der Verkehrspolitik will Stöhr Veränderungen anstoßen: Statt den Bau von Straßen solle die EU mehr die Bahn und den ÖPNV fördern.

Bekannter dürfte den Münchnerinnen und Münchnern aber ein anderer Name auf der Wahlliste der ÖDP sein. Dort steht nämlich auch ÖDP-Stadtrat Tobias Ruff. Allerdings nur auf Platz sieben. “Meine Chancen stehen nicht besonders gut”, gibt Ruff zu. Aber weil er eben doch “einigermaßen” bekannt sei, sei es ihm wichtig, sich am Wahlkampf zu beteiligen. Er findet nämlich: Die Europawahl hat noch viel mehr Aufmerksamkeit verdient. Schließlich muss die Stadt das, was in Straßburg und Brüssel beschlossen wird, am Ende umsetzen.

Vom Brexit politisiert: Philip Hackemann tritt für die FDP an

Phil Hackemann von der FDP.
Phil Hackemann von der FDP.
© FDP
Phil Hackemann von der FDP.

von FDP

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Der Brexit habe ihn politisiert, schreibt Philip Hackemann auf seiner Website. Er habe ihn “hautnah” miterlebt, damals studierte er nämlich Politik- und Wirtschaftswissenschaften in London.

Der FDPler will “Europa verteidigen – aber auch noch besser machen”. Hackemann steht auf Platz sieben der FDP-Liste. Er ist der einzige bayerische Kandidat darauf. Hackemann ist zwar erst 29, aber es ist schon seine zweite Kandidatur für die Europawahl. Er trat auch 2019 an, ohne Erfolg. Gerade promoviert er an der LMU. Politisch setzt er sich für Bürokratieabbau ein. Außerdem will er Innovationen und die Digitalisierung fördern. Bei Künstlicher Intelligenz, Gentechnologien oder Kernfusion solle die EU Vorreiter werden.

Auch die Struktur der EU würde er gern anpacken. Zum Beispiel wünscht er sich, dass das Europaparlament Gesetze einbringen darf und dass es bei Wahlen europäische Spitzenkandidaten gibt.

Raus aus der EU? “Total abwegig”: Für Tina Pickert (CSU) wird es knapp

Tina Pickert von der CSU.
Tina Pickert von der CSU.
© Imago/B. Lindenthaler
Tina Pickert von der CSU.

von Imago/B. Lindenthaler

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Mit 18 ist Tina Pickert in die CSU eingetreten. Warum? “Wegen der Werte, für die die CSU steht”, antwortet die 39-Jährige darauf. Als Nächstes nennt sie nicht das Christliche oder das Soziale. Sondern: das Leistungsprinzip. Ihr Vater habe in Unterfranken als Taxifahrer gearbeitet. “Aber bei der CSU hat es nie jemanden interessiert, woher ich komme – nur, was ich leiste”, sagt sie.

Das Europäische Parlament kennt Tina Pickert bereits: Sie arbeitete zwei Jahre lang als Pressereferentin für die Abgeordnete Angelika Niebler. Die steht wieder zur Wahl auf Platz 2 und dürfte damit den Einzug ins Parlament erneut schaffen. Pickert kandidiert auf Platz acht. Sie weiß, was das bedeutet: dass es eher knapp werden könnte.Pickert ist ein großer Fan von Europa. Das spürt man schnell. Sie grenzt sich deutlich ab von der AfD. Raus aus Europa zu wollen, sei “total abwegig”, sagt sie. Pickert ist sich sicher: Der Wohlstand in Deutschland und insbesondere in München ist nur deshalb so groß, weil es die EU gibt – einen Markt ohne Zölle, aber mit Reise- und Beschäftigungsfreiheit.

Was in der EU besser laufen könnte

Doch aus Pickerts Sicht könnte vieles in der EU noch besser laufen. Zum Beispiel gebe es zu viele Regeln, zu viel Bürokratie. “Es ist alles gut gemeint, aber wir übertreiben es”, meint sie. Gerade kleinere Unternehmen und Start-ups hätten oft gar nicht das Personal, um sich um die Auflagen oder auch um die Anträge für EU-Fördermittel zu kümmern.

2018 hat Tina Pickert schon einmal für die CSU kandidiert. Damals für die Landtagswahl. Sie hat Psychologie und Politikwissenschaft an der LMU studiert, in einer Kinderklinik und an der Technischen Universität gearbeitet.

Neben ihr hat die CSU noch einen weiteren Münchner aufgestellt: Auf Platz 10 steht Bernd Posselt (67). Er war 20 Jahre – von 1994 bis 2014 – Mitglied des Europäischen Parlaments. Er gilt als leidenschaftlicher Europäer. Obwohl er schon seit zehn Jahren kein Parlamentarier mehr ist, fährt er laut der “Süddeutschen Zeitung” noch immer jede Sitzungswoche nach Straßburg. Außerdem ist er Bundeschef der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Sein Vater stammt aus Niederböhmen. Für die CSU ist er Beauftragter für Mittel- und Osteuropa.

Eine Frau, die für die Frauen kämpft: Maria Deingruber schafft es nur, wenn eine SPD-Abgeordnete ausfällt

Die SPD-Abgeordnete Maria Noichl, die Kandidatin Maria Deingruber und Kandidat Dat Hoang.
Die SPD-Abgeordnete Maria Noichl, die Kandidatin Maria Deingruber und Kandidat Dat Hoang.
© Imago/B. Lindenthaler
Die SPD-Abgeordnete Maria Noichl, die Kandidatin Maria Deingruber und Kandidat Dat Hoang.

von Imago/B. Lindenthaler

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Maria Deingruber steht zwar gar nicht auf dem Wahlzettel für die SPD. Trotzdem könnte es passieren, dass sie in der nächsten Legislatur nach Straßburg muss. Denn schon jetzt ist klar, dass sie nachrückt, falls Maria Noichl ausfällt. Die zieht wiederum ziemlich sicher ein – denn sie steht auf Platz 3 der SPD-Liste.

Dass in so einem Fall nicht einfach der nächste auf der Liste nachrückt, liegt daran, dass die SPD ihre Liste so aufstellt, dass möglichst alle Regionen gleichwertig vertreten sind, erklärt Maria Deingruber am Telefon. Fällt einer aus, rückt der Ersatzkandidat nach. Maria Deingruber ist außerdem stellvertretende SPD-Vorsitzende in München und leitet den Europawahlkampf.

Besonders wichtig sei ihr, ein Europa zu schaffen, in dem tatsächliche Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern herrscht, sagt sie. Deingruber ist überzeugt: “Frauen verdienen mehr – nämlich genau so viel Macht, Geld und Möglichkeiten wie Männer.”Deingruber ist 39 Jahre alt, stammt ursprünglich aus Niederbayern und zog 2004 für das Studium (Politik, Soziologie und Philosophie) nach München. Sie arbeitet als städtische Angestellte und ist Mitglied des ADFC-Vorstands.Auf der Liste stehen zwei weitere Münchner (allerdings so weit hinten, dass sie es nicht auf den Stimmzettel geschafft haben): David Rausch und Dinh Dat Hoang.

Münchner nur zum Schein? Der AfDler Petr Bystron zieht trotz Skandalen wahrscheinlich ins EU-Parlament ein

Der AfD-Abgeordnete Petr Bystron.
Der AfD-Abgeordnete Petr Bystron.
© Imago/M. Popow
Der AfD-Abgeordnete Petr Bystron.

von Imago/M. Popow

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Der Münchner, dessen Aussichten auf einen Sitz im Europaparlament am größten sind, ist Petr Bystron von der AfD. Er hat den zweiten Platz hinter dem Spitzenkandidaten Maximilian Krah. Allerdings stehen beide wegen Verbindungen zu prorussischen Netzwerken in den Schlagzeilen. Mitte Mai hat der Bundestag die Immunität von Bystron aufgehoben. Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt wegen Bestechlichkeit und Geldwäsche.

Nun gibt es neue Vorwürfe: Laut Medienberichten gehen Ermittler dem Verdacht nach, ob Bystron seine Meldeadresse in der Augustenstraße in der Maxvorstadt nur zum Schein genutzt hat.

Bystron bestreitet das. Doch laut “Spiegel” ist der tatsächliche Mieter und Adressgeber der Einzimmerwohnung “ein vorbestrafter Flüchtling, der in den Neunzigerjahren als Asylbewerber aus der Türkei nach Deutschland kam”.





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