Sie hat es nicht getan. Die Präsidentin der Technischen Universität Berlin, Geraldine Rauch, hat ihren Rücktritt abgelehnt. „Mich haben viele Aufrufe und Stellungnahmen erreicht, die mich auffordern zu bleiben“, rechtfertigte sie in einer Stellungnahme am Donnerstag ihren Verbleib. Am Tag zuvor hatte ihr der Akademische Senat mit 13 zu 12 Stimmen das Vertrauen entzogen und ihr nahegelegt, als Konsequenz aus der Affäre um judenfeindliche Internetkommentare zurückzutreten.

„Der Akademische Senat hat keinen Abwahlantrag gestellt“, stellte die TU-Präsidentin formal korrekt fest. Tatsächlich wollte sich dieser in der Sitzung am Mittwoch nicht auf einen solchen einigen. Stattdessen überließ er es der Präsidentin, sich zu ihrer Zukunft zu erklären. Diese nutze die Gelegenheit für eine öffentliche Rechtfertigung, in der zwar oft von „tiefer Reue“ die Rede war. Doch nicht nur der Zentralratspräsident der Juden in Deutschland, Josef Schuster, empfand die Entschuldigungen als „nicht glaubwürdig“.

Geraldine Rauch, die unermeßlich Leidende

Wie auch, hat Rauch doch in ihrer bisherigen Amtszeit hinlänglich bewiesen, daß sie zu jenen narzißtischen Persönlichkeiten gehört, denen Selbstkritik so fremd ist, wie Blinden die Farben. Die entsprechend auch nicht ihr Handeln überdenken, sondern nur ihre Strategien der Manipulation. Bei Rauch klingt das so. Sie habe sich „zweifelsfrei falsch“ verhalten und ihre Universität „in eine schlimme Situation“ gebracht. Sie habe sich immer wieder gefragt: „Warum konnte ich meinen Schmerz über das unermeßliche Leid nicht im Privaten lassen?“

Mit anderen Worten: Wir sind alle nicht so empfindsam, so ergriffen wie sie. Daher können wir auch gar nicht ihre Beweggründe nachvollziehen. Die Bilder von „getöteten Kindern und verzweifelten Müttern“ seien ihr gerade auch als Mutter sehr nahegegangen, warb sie um Milde. Nur zur Erinnerung: Bei Rauch handelt es sich um die gleiche Person, die als Hochschulpräsidentin unnachgiebig das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit denunzierte, Wissenschaftler diskreditierte und auch sonst ihr Amt für linken Aktivismus mißbrauchte.

Es sei eine Kampagne gegen „progressive Frauen“

Eine von uns, so empfindet es das „woke“ Milieu, das sich sowieso an israelfeindlichen Äußerungen wenig stört, solange sie aus eigenen Reihen stammen. Entsprechend kann sich Rauch auch jetzt noch auf ihre Unterstützer verlassen. „Die Rücktrittsforderungen sind Teil einer Kampagne“, ist sich die Teilnehmerin einer Pro-Rauch-Demonstration auf dem Campus sicher. „Es ist auffällig, daß sie sich immer gegen progressive Frauen richten.“ Es ist vor allem auffällig, daß Frauen eines gewissen Typus dazu neigen, sich die Welt zurechtzulügen.

„Wer sich je für einen schwerwiegenden Fehler entschuldigen möchte, könnte sich ein Beispiel an Geraldine Rauch nehmen“, phantasierte taz-Kolumnistin Uta Schleiermacher. „An der Uni selbst setzte sie sich gegen Machtmißbrauch und für unbefristete Arbeitsverhältnisse ein. Sie positionierte sich gegen rechtsextreme Tendenzen im Uni-Betrieb.“ Na dann. Die Entscheidung des Akademischen Senates zeige, „daß man ihr zutraut, den Schaden, den sie dem Ruf der Uni zugefügt hat, wiedergutzumachen“.

Zuzutrauen ist Rauch so einiges. Aber sicher nicht, daß sie irgendetwas aus ihren Fehlern lernt. Im übrigen handelt es sich bei Rauch um ein typisches Phänomen des Zeitgeistes, wenn an sich mäßig begabte Menschen mit überschaubaren Horizont, aber ideologischem Eifer, plötzlich in Positionen gelangen, die weit über ihren normalen Möglichkeiten liegen. Diese werden eine Rücktrittsforderung erst mit dem Lauf auf der Stirn verstehen und bis dahin fröhlich weiter zerstörerischen Unsinn treiben.



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